Nr. 155. Das Nachtwächterhorn und der dreißigjährige Krieg.

[143] Als einst auf Klausthal der Nachtwächter zwölf Uhr geblasen hatte, kam er über den Kirchhof. Da begegnete ihm ein kleines Männchen, das von ihm verlangte, daß er nochmals zwölf tute; der Nachtwächter weigerte sich aber aufs äußerste, und sagte: »Ich habe bereits zwölf durchgetutet und zweimal darf ich nicht tuten;« damit ging er seiner Wege.

Den andern Abend kam der Nachtwächter um zwölf abermals auf den Kirchhof; das kleine Männchen kam abermals zu ihm und forderte abermals ungestüm, daß er nochmals zwölf tuten sollte; der Nachtwächter that dies aber wieder nicht.

Den andern Abend, als der Nachtwächter über den Kirchhof kam, war das kleine Männchen wieder da und forderte von ihm abermals, daß er nochmals zwölf tuten sollte; der Nachtwächter weigerte sich auch diesmal aufs äußerste, das Männchen ließ aber nicht nach, er mußte tuten. Wie er nun ausgeblasen hatte, mußte er sich umsehen, und er sah lauter Feuer und Soldaten am Himmel. Hierauf sagte das kleine Männchen zu dem Nachtwächter: Dies ist ein Zeichen, daß[143] bald Krieg entstehet; und das kleine Männchen war verschwunden mit samt den Soldaten und dem Feuer. Der Nachtwächter verzählete dies vielen Lenten, und diese schützten sich so viel als möglich vor dem Kriege. Kurz nachher entstand auch der dreißigjährige Krieg. Dieses kleine Männchen soll der Sage nach der Berggeist gewesen sein.

Quelle:
Heinrich Pröhle: Harzsagen, zum Teil in der Mundart der Gebirgsbewohner. Leipzig 21886, S. 143-144.
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