Nr. 192. Die Osterjungfrau.

[188] (In der niederdeutschen Mundart von der Freiheit vor Osterode.)


Wu de Markkerke in Osterroe steit, hät immer en klein Mann uppen Stein esäten un hät da ebäet. Wenn de Jäger von en Graf Osterrot nu int Sloß inkummet (heimkehrt), hät e dat den Hären vertellt. Nu ritt de Graf Osterrot mal sülbest medde, da sitt e da ok wedder in Holte. Nu sägt e, nu woll hei ok da en Bethus henbuen laten, da hät e de Kerke dahen buen laten. Da is de Stadt Osterroe ut eworren un de Peiterzilligenstrate is de erste Strate west. Düsse Graf Osterrot hät da erst alles int Wark ebrocht. Et is en groten Mann ewest un hät veel, veel Kram ehat.

De Graf Osterrot harre ne Dochter, da is e von estorben un hät se sienen treuen Knappen öwwergeben. Da fällt en Krieg in, da komet veele Ritters un dä eine strenge un freche Ritter hölt um dä Dochter an. Se sägt aber ne, sei[188] will nich. Da kümmt e taun tweiten male met veelen Ritters un holt noch emal an. Se sägt aber wedder ne, se frie nich. Da kummt e taun dridden male, da is e aber mit veelen Vulk ekomen un hät alles verrungeniert un inpumperdiert, un hei, dä ole Knappe von Graf Osterrot, lät darub ok vele ankomen, aber se hät se nich konnt twingen. Da sägt e da, of se wohl denken künne, dat hei se verwünschen künne, dat se da möste in ören Kelder bi ören Schätzen sitten. Da sägt se, ja, dat möst se sek alles gefallen laten, se friee öne aber nich, et mögte er drumme sin. Da hät hei se in den Kelder ebrogt met samt ören Schätzen un is en Hund ewest an de Kedde. Da hät hei se doch de Macht egeben, dat se alle Ostermorgen in öre Gestalt west is un is da von de Borg erunder hinnern Bärengraben ekomen un hät sek da in lerbacher Water wuschen. Da is emal en Lineweber komen un hät sin betchen Arbeit wollt da erupper dragen taun Harze. Da hät se sek ewuschen un hät ene Lillige vor sek hat. Denn is sei kriedewitt west anetogen. De Lineweber bütt guen Morgen un sägt: Sau freu un se härre all ne Lillige vor sek? Da sägt se ja, un wenn hei ok eine hebben wolle, sau solle hei met ör komen; da geit e met ör rupper. Als hei rupper kümmt, da steit en Lilligenbusch vorn Kelder, wu se inne sitt. Da brikket se öne eine af un sägt: hei soll se nich verschenken, ok nich verköpen. Da is se wedder in den Kelder rinner estegen un de Lilligenbusch un nist steit da.

Na nu hät hei se verwünschet hat, dat se mit en keuschen Ritter solle erlöset weren. Darup hewwe'n Siebenjährigen Krieg bekomen un da is en Ritter von Harze runner mit sienen Päre gerae ekomen. Da steit se da ok wedder un wäscht sek un da hät se ne Rose vor sek hat. Da beut hei ör ok en guen Morgen tau un sägt: »Sau freu un all ne Rose?« Da sägt se ja, wenn hei eine hebben wolle, soll hei met ör gahn, se wolle öne ok eine schenken. Da is e met erupper gahn. Da steit dä Rosenbusch vor den Kelder, da brikket se ne Rose af un gift ne dei ok. Un da well se nu geschwind in den Kelder un hei fadde de Kelderdöre. Da liet se allwedder an de Kedde. Da hat hei de Kedde aferetten un da steit se vor öne, hät hei se erlöset. Da hät e öre[189] ganzen Schätze upelaen up en Wagen un sind hen efeurt na Frankreich. Seitdem hät se sek nich mehr seien laten.

Quelle:
Heinrich Pröhle: Harzsagen, zum Teil in der Mundart der Gebirgsbewohner. Leipzig 21886, S. 188-190.
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