I.

[193] Einst sollte auch einem Manne in Osterode sein Haus verkaufet werden, und er gab an, daß es darin spuke. Das Gericht stellete also Wache in dem Hause auf. In der ersten Nacht polterte das Gespenst die Treppe herunter, kam der Wache näher, riß ihr das Licht aus der Hand, pustete es aus, nahm auch dem Posten eine Flasche Wein aus der Hand, die man ihm gegeben hatte, um sich Mut zu trinken, und trank sie selber aus. Darauf machte das Gespenst noch einiges Geräusch und entfernte sich dann wieder. Die zweite Nacht kamen zwei andere Posten in das Haus mit dem Befehle loszuschießen, sobald sich etwas regete. Wie das Gespenst nun in der Geisterstunde ankam, der Wache abermals das Licht auspustete und den Wein wegnahm, legte die Wache an, konnte aber wegen Armlähmung, welche plötzlich bei ihr eintrat, nicht schießen und[193] mußte also unverrichteter Sache wieder nach Hause. Den dritten Tag kam einer, der sich anbot, das Gespenst zu erlegen und was von der Zauberkunst verstehen wollte. Es ward ihm das Haus angeboten, wenn er das Gespenst finge. Er fuhr also in einer Kutsche hin nach dem Hause. Wie es nun zwischen elf und zwölf Uhr kam und das Gespenst wieder zur Treppe hinunter polterte, lief er hin und fassete es schnell, warf es in die Kutsche und fuhr so damit ab. Es war aber des Hausbesitzers Mutter, welche hexen konnte. Der Mann sagte nachher, er habe das Gespenst in einen alten hohlen Baum gebannet und bekam das Haus als Lohn, welches er dem vorigen Besitzer, weil er selbst so reich war, daß er nichts mehr nötig hatte, wieder schenkete. Auf diese Weise kam der Mann wieder an sein Haus. Nach einiger Zeit erschien einer und befreiete die Mutter wieder aus dem Banne und bezauberte sie, daß sie von Stunde an nicht mehr hexen konnte. Und nun lebete sie noch lange Zeit mit ihrem Sohne glücklich und in Frieden in dem Hause.

Quelle:
Heinrich Pröhle: Harzsagen, zum Teil in der Mundart der Gebirgsbewohner. Leipzig 21886, S. 193-194.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Harzsagen
Harzsagen - Sagen des Oberharzes 1859 - Band 1 (von 2)
Harzsagen - Sagen des Unterharzes 1859 - Band 2 (von 2)