II.

[167] Dieselbe Sage wird auch folgendermaßen am Oberharze erzählt: Ein Revierförster ging eines Morgens in seinem Reviere, da sah er von weitem sechs Menschen kommen. Er ging auf sie zu, fragte, was sie da machten, kannte aber keinen davon, weil sie so unscheinbar waren und keine rechte menschliche Statur hatten. Er drohete ihnen und sagte, sie möchten ihm sein Revier nicht verruinieren, ging aber von ihnen fort,[167] ohne sie weiter zu verstören. Am andern Morgen ging er wieder an diese Stelle, um nach den Männlein zu sehen. Da traf er niemand mehr an, dachte, das sei wohl nicht die Zeit, wo die Männlein da wären, setzte sich hin und schlief ein. Als er aufwachte, war er in einer Gegend, wo er noch niemals gewesen war. Nun ging er da umher und gelangte an ein großes Wasser. Da kam ein großer Hund und erbot sich, ihn über das Wasser zu tragen. Als er nun über das Wasser hinüber war, fand er einen großen Garten. Darin waren Vögel, die konnten sprechen und ein Haus, das war so durchsichtig wie Krystall. Da kamen die sechs Leute und führeten ihn in dies Haus, da war alles, was hier auf Erden ist, von Golde – auch das ganze Wild – Hirsche, Schweine, Hasen, Füchse. Da sagten die Leute, er solle sich davon etwas wünschen und der alte Förster wünschte sich darauf einen Zehnender. Nun nötigten sie ihn auch zum Essen; die Speisen waren weiße Schlangen. Der Förster sagte anfangs, die könne man nicht essen, mußte aber essen. Nun mußte er sich in ein Bett legen und als er aufwachte, saß er an dem Baume, wo er an dem Tage hingegangen war. Er schaute um und um, ob er träume; da war unter ihm ein Born, da kam eine Statur heraus und sagte, daß er nicht träume, hier sei der Hirsch, den er sich gewünscht habe. Der Förster nahm den Hirsch, die Statur war verschwunden, und er ging mit seinem goldenen Zehnender nach Hause.

Quelle:
Heinrich Pröhle: Harzsagen, zum Teil in der Mundart der Gebirgsbewohner. Leipzig 21886, S. 167-168.
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Harzsagen
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