Nr. 271. Die Nixe im Kunstteiche.

[249] Bei Harzgerode lieget der Kunstteich, der die Kunst von der Grube Albertina treiben mußte. An diesem Teiche pflügete ein Knecht am heiligen Abende vor dem Erntedankfeste. Wie er mit dem Pfluge umwendete, hörete er eine Stimme, die rief: »Kneden!« Da verwunderte er sich und sprach: »Na, da backet mir auch einen mit!« Als er dreimal herumgepflügt hatte, stand ein schöner Pflaumenkuchen da.

Einst wurde die Hebamme vom Nix zu einer Entbindung im Kunstteiche gerufen. Sie gingen oben um den Kunstteich herum und da führete er sie hinein. Es war ein gewöhnliches Zimmer da und die Nixe lag im Bette. Die Entbindung war sehr schwer, ging aber glücklich von statten. Danach sagte die Nixe: wenn ihr Mann frage, was sie haben wolle, so möge sie sagen »gar nichts« und höchstens das bißchen Kehrig nehmen, das dalag, das werde sich sehr gut lohnen. Sie verkaufte nachher den Kehrig an einen Goldschmied und besuchte die Wöchnerin vierzehn Tage lang. Danach wurde Taufe gehalten, der Nix aber taufete selber. Wiederum durfte sie nur vom Kehrig nehmen, der aber verwandelte sich wieder in Gold. Auch durfte sie nicht reden von dem was sie gesehen hatte.[249]

Einst lief der Hebamme in dem Teiche das eine Auge, da trocknete sie sich's mit einem Handtuche der Nixe. Fast ein Jahr nach der Taufe sah sie die Nixfrau auf dem Markte zu Harzgerode. »Ei,« sprach sie, »da ist sie ja auch!« Die Nixfrau fragete, ob sie sie sehen könne, ließ sie das eine Auge zumachen und versuchte, mit welchem Auge sie von der Frau gesehen würde. Als sie's heraus hatte, nahm sie ihre Schürze, spie darauf und strich sie über dies Auge. Da wurde sie nicht mehr von ihr gesehen, fand aber am andern Tage noch etwas von dem Nixenkehrig. Die Nixfrauen gingen unsichtbar auf den Markt und nahmen ohne Geld was ihnen beliebete.

Quelle:
Heinrich Pröhle: Harzsagen, zum Teil in der Mundart der Gebirgsbewohner. Leipzig 21886, S. 249-250.
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