Nr. 98. Der Eseltreiber und die zwölf Esel in der Trift zwischen Wallwie und dem Kirchberge.

[61] Meiner Frauen Großvater, so erzählte ein alter Osterwiecker, hat Wegener geheißen, der ist Dachdecker gewesen und hat einen Gesellen gehabt mit Namen Siegelmann. Dieser ist oftmals des mittags zwölf Uhr weggegangen und dann erst um zwei Uhr wieder zur Arbeit gekommen. Da hat sein Meister denn oft gescholten und gefragt, wo er immer so lange bleibe. Er aber hat geantwortet, er ginge nach Wallwie, denn da hätten die Tatern zu ihm gesagt: er sollte noch ein paar mal kommen, dann wollten sie ihm den »rechten Grund« sagen. Da kommt er den einen Mittag erst um drei Uhr wieder heim; sein Meister aber ist sehr aufgebracht und meint, daß er es mit ihm nicht mehr abhalten könne. Nun, Meister, erwidert er, ist es das letztemal. Morgen gehe ich nach Veckenstedt, da soll ich zwölf Tragsäcke und Esel kaufen, dann soll ich die Nacht hinkommen nach Wallwie und soll die zwölf Esel mit Gold beladen. Das hat er denn auch gethan und ist nach Wallwie getrieben, aber noch heute nicht wiedergekommen und niemand weiß, wo er mit seinen Eseln geblieben ist. Doch haben einige gesagt, daß er von Wallwie in der Trift heruntertreibt hin nach dem Kirchberge. Die Schwester des Erzählers selbst will ihn des nachts beim Erbsenbinden auf dem Wege dahin mit den zwölf Eseln gesehen haben.

Quelle:
Heinrich Pröhle: Harzsagen, zum Teil in der Mundart der Gebirgsbewohner. Leipzig 21886, S. 61.
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