Schul Ordnung.

[29] Wie es die Mercker vnd Singer, auff der Singschul vnd in der Zech, mit dem Mercken vnd Singen, Auch mit den Gaben vnd Gewinnetern halten sollen.


Erstlich, Wo es in einer Stadt ein Geselschafft der Singer hat, Sollen auff der Schul alle Meister Thön (die.das Schulgemeß nemlich 20. Reimen oder Versen, vnd darüber innehalten, So ehrliche Singer vnd Meister beweret haben) zugelassen werden vmd Gaben zu singen. Vnd sollen die vier Haupt Thöne, der vier gekrönten Meister, für andern Thönen keinen vortheil haben, Wie sonst auf andere Schulen breuchlich.[29]

II. Wo ein ehrliche Geselschafft oder gemeine der Meister singer seind, den es von einem Erbarn Rath derselbigen Stadt zugelassen ist, gemeine Schulen zu halten, Da mögen Thön verhöret vnd beweret werden, Wie vom Beweren der Thön gemelt ist.

III. Es sol vnd kan kein Gemerck recht bestelt werden, wo man nicht einen Mercker darbey haben kan, der Grammaticam verstehet, vnd etwas studieret hat, Darumb sol man trachten auff einen Singer, der Grammaticam vnd jre Regulas verstehet, vnd jnen zum Mercker neben andern zweyen verstendigen vnd wolgeübten Singern, erwelen.

IIII. Auff der Singschul, sollen durch das Jahr zwei Gemeß gelten, vnd gehalten werden, einen Sontag vmb den andern, Nemlich, ein langes vnd kurtzes, Vnd allwege in einem Monat oder dreyen Wochen, nach dem es die gelegenheit gibt, Schul gehalten worden.

Auff den ersten Sonntag vnd Schulen, sol das kurtze Gemeß, Auff den andern Sontag vnd Schulen soll das lange Gemeß gelten.

Wenn das kurtz Gemeß gehet, sollen auff derselbigen Schulen, vmb die Gaben vmbs Hauptsingen, vnter 20. Reimen oder Versen, nicht gesungen werden, Sondern was darüber ist. Zum vergleichen aber, so die Hauptlieder glat vnd gut gesungen, vnd die Straffen, laut der Tabulatur, vermitten werden, Sollen vnter 30. Reimen nicht gesungen werden, Was aber darüber gesungen wird, sol den, so 30. gesungen, gleich gelten, vnd kein Thon vor dem andern vortheil haben, Auch sol nur mit einem Gesetz gegleicht werden.

An der Zech aber, wenn das kurtz Gemeß gilt, sol ins Hauptsingen vnter sieben Reimen nicht gesungen werden, das sol sich bis auf 21. Reimen vnd nicht weiter erstrecken.

Zum gleichen aber an der Zech, sollen allein 20. oder 21. Reimen gegleicht werden, darunter vnd darüber gar nichts.

Wenn das lange Gemeß gehet, sol auff der Schul ins Hauptsingen, auch vnter 20. Reimen oder Versen, nicht, gesungen werden, Darüber aber mag man wol singen, Doch sollens vor 20. Reimen keinen vortheil haben.[30]

Zum vergleichen aber auff der Schulen, sollen von 30. Reimen bis auff 60. alles gleich ohne vortheil gelten. Was aber von 60. Reimen biß auff 100. vberlenget wird, wenn das lange Gemeß gehet, sollen allweg 10. Reimen oder Versen 1. Syllaba beuor haben. Was aber vber 100. Reimen gesungen wird, sol denen so 100. gesungen, nichts beuor haben, Wie die am kurtzen Gemeß von 30. biß auff 60. Es hat jeder, wol macht, so viel Reimen er wil zu gleichen, Der vortheil sol aber nicht weiter gehen, als auff 100. Reimen oder Versen.

An der Zech aber, wenn das lange Gemeß gehet, sol ins Hauptsingen von 12. biß auff 23. gesungen werden, Darunter noch darüber sol nicht gemerckt werden.

Zum vergleichen aber, sol weder mehr noch weniger als 22. vnd 23. gegleicht werden.

Wenn es sich nu begebe, das viel Singer ins Hauptsingen auff der Schul oder Zech glat gesungen, vnd. 3. mal glat gegleicht hetten, Vnd die Straffen der rechten Tabulatur, alle vermitten weren, vnd nicht vbrige Zeit were in die lenge zuuergleichen, Mag man in die Scherffe mercken, vnd die, Eylff Straffen für die hand nemen, Vnd sonderlich auff die ersten drey achtung haben, vnd sie damit von einander entscheiden, doch sol man sie vorhin warnen.

Auch so es sich, zutrüge, das jr zwen oder mehr im Hauptsingen, auff ein mal glat vnd gut gesungen, vnd gleichet hetten, Vnd deren einer desselben Jahr der Gaben eine darumb sie gleichen, gewonnen hette, vnd. die andern nicht, Sollen die, so noch nicht gewonnen, ferner vmb die Gaben gleichen, wie vorgemelt. So jr aber nur zwen gleichen, sol der, so zuuor gewonnen, außgehen, Es sei auff der Schul oder Zech.

V. Es mögen auff der Schul vmb die Gaben gesungen werden ins Hauptsingen, gedritte, gefünffte vnd gesiebende Lieder, nach dem der Tag lang oder kurtz ist, Vnd sol ein gefünfftes Lied, für einem gedritten 2. Syllaben beuor haben, Vnd ein gesiebendes Lied 2. Syllaben für einen gefünfften.

Aber die gefünfften vnd gesibenden Lieder, sollen des Winters wenn her Tag kurtz ist, nicht gelten, Sondern die[31] gefünfften Lieder sollen nur gelten, weil der Tag 12. stunden lang ist, biß so lang er an den 12. Stunden widerumb abnimpt.

Die gesiebenden aber follen gelten, wenn der Tag 14. Stunden helt, biß er an den 14. Stunden wieder abnimpt.

Die gedritten Lieder aber, sollen alle Schulen durchs Jahr gelten vnd ganghafftig sein.

VI. Auff der Schulen sollen keine Lieder vmb die Gabe gesungen werden, die nicht in der Biblien mit jhrem Text gegründet, Vnd es sol jeder Text der gesungen wird, sein Capitel anzeigen im singen.

An der Zech aber mügen Historien oder Fabeln gesungen werden. Auch mügen Historien vor der Schul in duppel gesungen werden, Doch nichts ergerlichs oder schmehelichs.

VII. Es sol auch ein Lied, das ist ein Text, in einem Thon, in einem Jahr, nur ein mal begabet werden, Wo es zum gewinnen glat gesungen wird, Ein Text aber, mag in mehr Thönen offtmals im Jahr gesungen vnd begabet werden.

VIII. Des Sontags wenn man Schul helt, ist billich vnd breuchlich, das die Geselschafft der Singer sampt andern dieser Kunst liebenden, Ein erbare, ehrliche, friedliche vnd züchtige Zech halten, nach gehaltener Schulen.

An solcher Zech, sol man einen Zechkrantz zum besten geben, vnd wenn es geliebt darumb singen lassen, Auch sol man auff der Schul einen Krantz nach dem Schulkleinod zum besten geben. Diese zwene Kreutz sollen von dem Gelde, so man auff der Schulen auffhebet, bezalet werden.

Auch sollen die zwen Krentzgewinner, vnd der so das Schulkleinod gewonnen, auch alle drey Mercker, ein jeder mit der halben Zeche verehret werden.

Die jenigen aber, so auff der Schul vnd Zech jre Lieder ins Hauptsingen glat vnd gut gesungen vnd gegleichet haben, sollen mit einem Seidlin Wein, so man Wein zechet, oder mit einem Kreutzer verehret werden.[32]

Diß Geld, sol alles von dem Gelde, so auff der Schul auffgehaben worden, gezalet werden, So aber die Schul nicht soviel tregt, sol zu hülff aus dem Polpet genommen werden.

An bemelter Zech sol auch Gotteslesterung, Spiel, Zanck, Hader, Vneinigkeit, verachtung vnd fürtreiben, in Summa alle vppigkeit, daraus vnrath entstehen mag, bei erkenter vnd gesatzter straff der Mercker vnd geselschafft, vermitten werden, Ausser eines Erbarn Rath vorbehaltener Straff.

IX. Der das Schulkleinod gewinnet, sol auff die nechste Schul hernach mit im Gemerck sitzen, Auch den Tag an der Zech.

X. Die zwen Krentzgewinner, sollen die nechste Schul an der Thür stehen, vnd das Gelt einnemen.

XI. Der auff der Schul den Krantz gewonnen, sol an der Zeche auffwarten, vnd den Gesten fürtragen, So ers alleine nicht bestreiten künd, sol jm der, so die fördere Schul den Krantz gewonnen, auffwarten helffen.

XII. Die beyde Krantzgewinner desselben Tags, sollen die Zech abnemen, nach wolmeinung vnd vorwissen der Mercker, vnd anderer ehrlicher Leut.

XIII. Es sollen auch die Mercker trewlich vnd fleissig nach innhalt rechter Kunst, vnd nicht nach gunst mercken, Einem wie dem andern, nach dem ein jeder singet, Nichts anders als ob iste darzu weren vereydet worden, Wie man doch nicht darüber schweren sol noch kan.


Beschluß dieses Büchlins.


Nachdem zich wol weis, das die Welt, Trewe wolthat anderst nichts, als mit vndanck vnd böser nachrede, pfleget zu belohnen: Hab ich mich gewis zuuersehen, es werden viel jres sinnes kluge Singer, so hierinne getroffen werden, auch ander vberwitzige, diese meine mühe vnd arbeit, vernichten vnd verlachen, vnd zum theil mir es in ein hoffart ziehen, als ob ich dis Büchlein rhumes halben, zusamen colligirt, Mich dardurch in dieser Singkunst herfür zu thun,[33] Das mir denn alles zur vngüte zugemessen, vnd mit Gott bezeugen wil, das ich solches nicht aus Ehrgeitz, mir solches zuschreiben, fürgenomen, Denn ich mich für keinen Tichter außgebe, Auch mein einfalt im tichten selbst bekennen mus.

Dis ist aber die vrsach, Das mich rewet vnd jammert der alten lieblichen Kunst des Meistergesangs, das sie so gar verachtet vnd vntergedruckt werden sol, Denn sich weder Jung noch Alt fortmehr darumb annemen wil, Fleissiget sich die Jugend lieber anderer kürtzweil vnd üppigkeit, in Spielen, Fressen, Sauffen vnd dergleichen vntugendt, Sonderlich die jungen Handtwercks gesellen haben nicht mehr lust zu guten Sitten vnd Tugenten, seligen vnd Gott löblichen übungen, Wie denn diese Kunst vermag.

Darumb ich von wegen der jungen Geselschafft am meristen, diese erklerung der Singekunst des Meistergesangs, herfür komen lassen, Damit neben jnen menniglich, so es zu wissen begirig, bekandt würde, was das Meistersingen sey, vnd wie mans lernen vnd üben möge.

Wiewol ich lengst gehofft, es würde sich etwa ein ander verstendiger vnd mehr geübter Singer, des vnterwunden haben, Hat aber noch bißanher, nicht sein wollen. Darumb ich, auff vielfeltiges anhalten vnd vermanen guter Freunde, vnd liebhaber dieser Kunst, mich hierumb anzunemen, nicht eussern wollen.

Da ich nu nicht jederman hierinnen gefallen möcht, mus ichs Gott befehlen.

Ist zwar auch nicht mein fürnemen, menniglich zu gefallen, Bin genüget, so Gott vnd etlichen verstendigen fromen Leuten, wie wenig der sein, hiemit ein gefallen geschicht.

Die andern aber, so des Tadelns gewonet, wil ich hirmit gebeten haben, ein bessers an Tag zu geben, Hönne jhnen der Ehren für mir gar willig vnd gerne, Wil mich von einem jedern, ein bessers zu lernen nicht schemen, Sondern einem jeglichen seine Kunst nach möglichen fleis fördern helffen.

Derhalben ich alle frome Christen, was Standes die sein, wolmeiniglich vnd trewlich vermanet[34] vnd gebeten haben wil, Sonderlich die jungen Handtwercks gesellen, das sie an stat üppiger Weltübungen, neben andern kurtzweilen auch dieser Alten, löblichen, lieblichen vnd Christlichen kunst ingedenck sein, vnd nicht gar vergessen wollen, Sondern diesen meinen einfeltigen kurtzen bericht dieser kunst. Inen lassen befohlen sein, Darinne sie den rechten verstandt des Singens finden werden, Sonderlich die sonst nicht verstendige Singer haben können, von denen vnterricht zu nemen.

Denn bey fleissiger übung dieser Kunst, werden sie lernen, Gottes wort lieb haben, vnd sich in der Biblien bekandt machen, Daraus sie den gehorsam Gottes vnd die liebe des Nehesten werden lernen erkennen.

Auch so erferet man dardurch viel schöne liebliche Historias vnd Moralia der alten vnd newen Geschichtschreiber vnd Poëten, Als denn der sinnreiche Herr Hans Sachs deren viel an Tag gegeben, daraus man sich gegen Gott vnd der Welt recht lernet verhalten.

Welche aber zu dieser Kunst nicht lust vnd liebe haben, dieselbigen wil ich hiemit freundtlich gebeten haben, sie wollen des spottens vnd verachtens müssig gehen, Mögen jnen selbst jre weise nur wolgefallen, lassen, doch also, das andern jre vbunge auch vngetadelt bleiben, indenck des alten Sprichworts: Quod tibi non vis fieri, alteri ne feceris.

Den zornigen eifferern aber, die von Predigern, Singern vnd sonsten vngestrafft sein wollen, die sein vermanet, das nicht zuuerbienen.

Thu mich hiemit allen Liebhabern dieser Kunst dienstlichen befehlen.


FINIS.

Quelle:
Adam Puschmann: Gründlicher Bericht des deutschen Meistergesangs. Halle a.d.S. 1888, S. 29-35.
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