Achter Auftritt

[206] Herr Fröhlich. Herr Gotthart. Die Vorigen. Heinrich kömmt mit dem Teezeuge hinterher.


HERR FRÖHLICH. Ich denke gar, das Frauenzimmer disputieret.

FRAU KREUZIN. Ach, es ist gut, daß Sie wiederkommen, meine Herren! Ihre Jungfer Tochter hat uns beide hier zum besten.

HERR FRÖHLICH. Wie? meine Tochter, bist du so lose?

JUNGFER FRÖHLICHIN lachend. Ei, Herr Vater! die Frau Kreuzin und der Herr Gotthart erzählen mir auch soviel kurzweilige Sachen von ihrer Hypochondrie, daß ich das Lachen unmöglich verbeißen kann.

HERR FRÖHLICH. Du mußt aber auch nicht gar zu lustig sein, meine Tochter: insonderheit auf anderer Leute Unkosten. Es mag dir wohl nur so kurzweilig vorkommen.

FRAU KREUZIN. Ach! das sind wir von den sanguinischen Temperamenten schon gewohnt. Sie sind wie die Heiden und lachen über alles.

HERR FRÖHLICH. Sagte ich's nicht, daß sie gelehrt redeten. Sie sprechen ja gar von Temperamenten. Da scheide ich heraus!

HERR GOTTHART. Nun, wie steht's? Sind Sie auch wohl bewirtet worden? Befehlen Sie nicht etwa noch ein Schälchen Kaffee?

JUNGFER FRÖHLICHIN. Ach! wir sind so tief in die hypochondristischen Gespräche geraten, daß wir den Kaffee darüber vergessen haben.

HERR GOTTHART. Nun, Heinrich, so macht, daß wir jetzt Tee bekommen. Heinrich gießt Wasser auf und macht den Tee zurechte. Nun, mein Sohn? wie ist's? wie sitzest du da, als wenn du träumest?

ERNST GOTTHART kömmt aus tiefen Gedanken. Ich, Herr Vater? ich ... dachte ... ich stünde auf einem Turme, und da dachte ich, wenn ich nun den Schwindel kriegte ...[206]

HERR GOTTHART. Ei! ich dachte gar! wie das nun in Gesellschaften läßt! Schäme dich doch!

HEINRICH kömmt und reicht Tee herum.

FRAU KREUZIN. Nein, Heinrich! für mich danke ich. Ich trinke keinen Tee auf den Kaffee. Wer wird wohl den Knecht auf den Herrn setzen?

JUNGFER FRÖHLICHIN. Nun, Heinrich, so gebe er mir's her. Ich halte keine so gewissenhafte Rangordnung unter Tee und Kaffee. Und soll ja der Kaffee der Herr sein, so mag er auch einen Diener hinter sich haben: so hat es doch ein Ansehen.

FRAU KREUZIN. Ja, ja. Einem gesunden Magen ist alles gesund. Aber ein hypochondristischer Magen, der ist von lauter Postpapier. Man muß mit ihm umgehen wie mit einem Spinngewebe.

JUNGFER FRÖHLICHIN. Nein, mein Magen ist wie ausgepicht. Weich und hart, kalt und warm, süß und sauer, alles durcheinander. Das tut mir gar nichts!

FRAU KREUZIN. Ja, ja! das ist sehr gut für den, der ihn hat; aber allen Leuten ist das nicht gegeben. Sie steht auf, die andern auch.

HERR GOTTHART. Wie, Frau Kreuzin? Brechen Sie schon auf?

FRAU KREUZIN. Ja, es wird Zeit sein. Ich habe noch ein paar Visiten zu machen. Ich danke Ihnen, daß Sie mir haben erlauben wollen, meinen Abschied von Ihnen zu nehmen.

HERR GOTTHART. Es ist mir recht angenehm gewesen. Ich werde die Ehre haben, Sie hinunter zu begleiten.

FRAU KREUZIN. Ihre Dienerin. Nun, so will ich meine Komplimenten bis unten versparen. Leben Sie wohl, Jungfer Fröhlichin! Leben Sie wohl, Herr Gotthart, und folgen Sie mir bald nach Hamburg! Leben Sie wohl, Herr Fröhlich! Es ist mir lieb gewesen, daß ich die Ehre gehabt habe, Sie kennenzulernen.

JUNGFER FRÖHLICHIN. Ei, Frau Kreuzin, ich laufe noch ein wenig mit. Nach dem Kaffee ist eine kleine Bewegung gesund.

ERNST GOTTHART. Leben Sie wohl und beständig vergnügt, Frau Kreuzin. Wenn ich nicht hier dem Herrn Vetter Gesellschaft leisten müßte, so wollte ich Sie auch begleiten.

HERR FRÖHLICH. Leben Sie wohl! Ich wünsche gute Besserung.


Frau Kreuzin, Jungfer Fröhlichin und Herr Gotthart gehen ab. Heinrich trägt das Glas mit Tropfen nach.


Quelle:
Die bürgerliche Gemeinschaftskultur der vierziger Jahre. Herausgegeben von Prof. Dr. Brüggemann, Leipzig 1933, S. 206-207.
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