[343] Liebster Jesu, Trost der Herzen,
Denen ihre Sünden schmertzen,
Einigs Heil der gantzen Welt![343]
Wenn ich bei mir überschlage
Was für Schuld ich auf mir trage,
Die dein Buch verzeichnet hält,
Ach, so kann ich nicht ersehen,
Wie ich künftig soll bestehen.
Von Geburt bin ich ein Sünder,
Wegen meines Thuns nicht minder,
Weg ist meiner Seelen Zier,
Dein Bild hab' ich ganz verloren,
Und des Teufels Bild erkoren,
Nichtes ist mehr gut an mir,
Auch noch alle Tag' und Stunden
Mach' ich grösser meine Wunden.
Herr, wo soll ich mich hinwenden?
Dein Zorn drückt mich aller Enden,
In mir hab' ich keine Ruh;
Um mich ist der Welt Getümmel,
Oben schrecket mich der Himmel,
Satan spricht den Fluch dazu,
Und mich dünkt, daß auch die Erde
Über mich schon Kläger werde.
Ach, du frommer Sünden-Büsser,
Du getreuster Blutvergiesser,
Jesu, komm' mir hie zu statt,
Sei mein' Hülf' und mein Berather,
Sprich mich los bey deinem Vater
Und tilg' aus mein' Übelthat;
Hast du vor mich wollen büssen,
So lass mich auch deß geniessen.
Zwar ich muss es gern gestehen,
Daß ich gröblich mich versehen
Und verdient der Höllen Lohn.
Aber sieh', ich komme wieder,
Fall', o Jesu, vor dir nieder,
Ich dein längst verlorner Sohn,[344]
Und ersuche dich mit Thränen,
Laß dich wiederum versöhnen.
Ist im Himmel grösser Freude,
Wenn ein Sünder kehrt mit Leide
Wieder zu der rechten Bahn,
Als um neun und neunzig Fromme,
Herr, so nimm mich, da ich komme,
Wiederum zu Gnaden an;
Was ich bis hieher begangen,
Will ich an zu bessern fangen.
Weicht hinfort, ihr Sünden-Geister,
Denn mein einz'ger Seelen-Meister,
Jesus, wohnt allein bei mir;
Ohn' ihn wär' ich ganz verloren,
Durch ihn bin ich neu geboren,
In ihm leb' ich für und für,
Mit ihm geh' ich aus der Erden
Und werd' ewig selig werden.[345]
Buchempfehlung
»Es giebet viel Leute/ welche die deutsche poesie so hoch erheben/ als ob sie nach allen stücken vollkommen wäre; Hingegen hat es auch andere/ welche sie gantz erniedrigen/ und nichts geschmacktes daran finden/ als die reimen. Beyde sind von ihren vorurtheilen sehr eingenommen. Denn wie sich die ersten um nichts bekümmern/ als was auff ihrem eignen miste gewachsen: Also verachten die andern alles/ was nicht seinen ursprung aus Franckreich hat. Summa: es gehet ihnen/ wie den kleidernarren/ deren etliche alles alte/die andern alles neue für zierlich halten; ungeachtet sie selbst nicht wissen/ was in einem oder dem andern gutes stecket.« B.N.
162 Seiten, 8.80 Euro
Buchempfehlung
Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für diese preiswerte Leseausgabe elf der schönsten romantischen Erzählungen ausgewählt.
442 Seiten, 16.80 Euro