Sterblied

[317] Weish. 5, 16-17.


Wol dem, der sich der Welt entschlägt,

Stets seinen Gott im Herzen trägt

Und immer auf den Himmel siehet,

Nichts denket, als die Ewigkeit,

Nichts sorget, als wie er bereit

Mag sein, wenn er von hinnen ziehet,

Und so ohn' Schein und in der That

Den Namen des Gerechten hat.


Der lebt erst dann recht, wenn er stirbt,

Und grünt hervor, wenn er verdirbt.

Hat er viel Müh' und Noth erlitten,

Mit Angst und Pein die Zeit verbracht

Und mit der Höll' und Sündenmacht

Bis an die Seele stets gestritten,

So ist der Höchste dort und hier

Ihm ein sehr großer Lohn dafür.


Der sorget für ihn früh und spat,

Erhält ihn auf der Unschuld Pfad

Und führt ihn fröhlich von der Erden[317]

Hinauf, vor sich und seinen Thron,

Da, wo ihm eine schöne Kron'

Und überherrlichs Reich muß werden,

Drin er mit unbeschriebnen Schein

Wird ewig Herr und König sein.


Ist sonst was groß, dies übersehr,

Ist sonst was reich, dies weit viel mehr,

Ist sonst was süß, dies ist das Süßte,

Ist prächtig was, dem gleicht es nicht,

Ist schön was, hier ist göttlichs Licht,

Ist stark was, dies ist das Gewißte,

Ja aller Welt Gut, Ehr' und Glück

Gleicht nichtes dem geringsten Stück.


O Wonne, die kein Ohr gehört,

O Freude, die kein Mund gelehrt,

O Wollust, die kein Herz vernommen,

Wie seelig ist, der sie erwägt

Und immer in den Augen trägt,

Noch seel'ger, der sie soll bekommen;

Der seeligst' ist, der sie schon itzt

Ohn' ferner Sorg' und Kreuz besitzt.


Gieb, liebster Schöpfer, o mein Licht,

Mein ein'ger Trost und Zuversicht,

Gieb, daß auch ich hier mag so leben,

Daß mir mein Tod nicht schaden mag

Und daß ich wachsam Nacht und Tag

Durch dich nach dir stets möge streben.

Dein Lohn wird zwar in's Künft'ge mein,

Doch das Verdienst bleibt dein allein.

Quelle:
Deutsche Nationalliteratur, Band 30, Stuttgart [o.J.], S. 317-318.
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