5.

[177] Laß, geliebtes Angesicht,

Laß uns nicht verzagen,

Daß der Liebe Jugendlicht

Lischt in kurzen Tagen.
[177]

Ew'ge Jugend ist durch dich

Auf in mir gegangen;

Mag denn nur die ird'sche sich

Stehlen von den Wangen!


Dieses Leben, das du mir

Liebend hast gegeben,

Liebend wieder geb' ich dir

Und verschönt das Leben.


Jeder Blitz aus deinem Licht,

Jeder Schönheitsfunken,

In das Dunkel ist er nicht,

Sondern hier versunken;


In die frühlingshelle Brust

Stieg er leis' hernieder,

Ward ein stiller Keim der Lust

An dem Baum der Lieder.


Liebste! dieses Frühlings Glanz,

Den ich dir verdanke,

Freudig deinem Haupt zum Kranz

Opfr' er jede Ranke.


Wann in meines Auges Glanz

Du nicht mehr mein Lieben

Lesen kannst, so lies es ganz

Noch im Lied geschrieben.


Wann kein andrer Spiegel dir

Will die Jugend zeigen,

In des Liedes Spiegel hier

Ist sie noch dein eigen.


Quelle:
Friedrich Rückert: Werke, Band 1, Leipzig und Wien [1897], S. 177-178.
Lizenz:
Kategorien: