Neuntes Kapitel.

[364] Wie Panurg ihm beym Pantagruel Raths erholt ob er freyen sollt oder nicht.


Als Pantagruel nichts erwiedert', fuhr Panurg fort und sprach zu ihm mit einem tiefen Seufzer: Herr, ihr habt itzt meinen Entschluß vernommen: ich will freyen. Wenn anders nun der böse Feind nicht alle Löcher verkeilt, versperrt[364] und verrammelt hat, fleh ich euch an bey eurer Lieb an mir so lange Zeit bewiesen, sagt mir was euch bedünkt dazu. – Da ihr, versetzt Pantagruel, den Wurf einmal gethan, euchs also fest fürgesetzt und beschlossen habt, ist weiter nichts zu sagen; bleibt nichts übrig als daß ihrs auch ins Werk richt. – Aber ich möchts doch, sprach Panurg, nicht gern ohn euern guten Rath und Meinung thun. – Ich mein auch wohl, antwort Pantagruel, daß ihrs thut, und rath euch dazu. – Doch wenn ihr etwann wissen solltet, sprach Panurg, daß mir besser wär wie ich bin zu bleiben, ohn Weiterung noch Novation, blieb ich doch lieber ungefreyt – Freyt also nicht, antwort Pantagruel. – Wollt ihr denn aber, sprach Panurg, daß ich so einsam all mein Lebtag ohn Ehegespielinn bleiben soll? Ihr wißt, geschrieben steht: Vaeh soli. Der Mensch allein hat nimmermehr den Trost wie die im Ehstand sind. – Sinnt also um des Himmels Willen auf Ehestand, sprach Pantagruel. – Wenn aber, sprach Panurg, mein Weib mir Hörner drehet', wie ihr wißt, daß heuer ein fruchtbar Hornjahr ist, daran hätt ich allein genug, daß mein Geduldsstrang überschnappt'. Ich bin den Hahnreys gut, es scheinen mir hübsche brave Leut zu seyn, geh auch ganz gern mit ihnen um, möcht aber bey Leib doch selbst keiner seyn. Vor dem Kraut graut mir traun! – Traun also, müßt ihr euch nimmer lassen, Freund, antwortet Pantagruel, denn der Spruch der Seneca bleibt ohn Ausnahm wahr: was du den Andern hast gethan, sey sicher daß sie dir wieder thun werden. – Sagt ihr das, frug Panurg ohn Ausnahm? – Ohn Ausnahm sagt ers, antwort Pantagruel. – Hui hui du Teuflein! rief Panurg, er meint in dieser Welt oder in jener. Wohl, weil ich nun aber ohn Weib nicht seyn kann, so wenig als ein Blinder ohn Stecken, (denn traben muß mein Fuchs, sonst stürb ich) wärs dann nicht besser wenn ich mich zu einer braven und ehrbaren Frau thät, statt so Reihum zu gehn Tag für Tag in steter Furcht vor Prügelsuppen, ja was noch schlimmer, vorm fränkischen Grind? denn aus den tugendhaften Weibern (ich sags mit ihrer Männer Gunst)[365] hab ich mir nie nicht viel gemacht. – Macht also Hochzeit in Gottes Namen, versetzt' Pantagruel. – Wenns aber nun Gottes Will wär, sprach Panurg, und sich begäb daß ich ein sittsam Weib bekäm und die mich schlüg, müßt ich ja Hiobs leiblicher Schwager sein, wenn ich nicht toll mit Haut und Haar würd. Denn ich hör, es sollen diese so ehrbaren Weiber gemeinlich teufelsharte Köpf und scharfe Laug in den Küchen führen. Aber mein Laug wär doch noch schärfer, denn ich wollt ihr ihr Gansklein (nämlich: Arm, Bein, Kopf, Leber, Lung und Milz) so windelweich zusammenschlagen, ihr das Collett mit guten Püffen so wohl verpuffen daß Herr Urian der armen Seel am Thor sollt warten. Deß Zäpels wär ich nun gern enthoben für dieß Jahr; darum denk ich wohl, es unterbleibt. – Bleibt also ledig, antwortet Pantagruel. – Ja aber, sprach Panurg, wenn mirs nun geht wie mirs itzt geht, daß ich ganz quitt und auch dazu noch ledig bin (merkt wohl, quitt sag ich, hohls die Pest! denn wenn ich brav in Schulden stäk sorgten wohl meine Gläubiger ohn dieß für meine Vaterschaft) doch quitt und ledig, dann hätt ich auch nicht eine Seel die nach mir früg und solche Lieb an mir bewies, wie in der Eh seyn soll. Und würd ich etwann gar krank, würds mit der Wartung auch ärschlings gehn. Der Weise spricht: wo keine Hausfrau ist (darunter versteh ich die Mutter und Ehewirtinn) da gehet der Kranke in der Irr. Ich hab der Exempel genug gesehn an Päpsten, Legaten, Cardinälen, Bischöfen, Aebten, Prioren, Priestern und Mönchen; ich mach euch nicht die Freud. – Freyt also doch um Gottes Willen, antwortet Pantagruel. – Wenn aber, sprach Panurg, derweil ich krank und ungeschickt zur ehlichen Pflicht wär, mein Weib aus Unlust meiner Schwachheit, sich einem Andern an den Hals hing, und nicht allein mir in der Not nicht beystünd, sondern obendrein noch meines Schadens spottet', ja, (was schlimmer) mich bestöhl, wie ichs denn oft erlebt hab: dieß wär gar um schwarz zu werden: ich rennt' davon im blosen Hemd. – Hemmt also eure Heyrathslust, antwortet Pantagruel. – Ja aber, sprach Panurg, so werd ich auch nimmermehr rechtmässige Söhn und Töchter haben, auf die mein Nam und Wappen erbt', denen ich mein Vermögen[366] und Ersparnis hinterlassen könnt (doch nächster Tag, verlaßt euch drauf, mach ich die besten, und leg mich dabey aus aller Macht aufs Renten-Tilgen) an ihnen mich erlaben möcht, wenn ich sonst mürb und schachmatt wär, wie ich ja täglich euern so frommen leutseligen Vater mit euch thun seh und alle brave Leut daheim in ihrem Beschluß und vier Pfählen thun. Doch, da ich nunmehr quitt und ledig, und noch dazu verdrüßlich bin, itzt seh ich wohl, statt mich zu trösten, treibt ihr mit meiner Noth noch Scherz, versagt mir alle Hülf und Beyrath. – Heyrath in Gottes Namen also, antwortet ihm Pantagruel.

Quelle:
Rabelais, Franz: Gargantua und Pantagruel. 2 Bände, München, Leipzig 1911, Band 1, S. 364-367.
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