Acht und Vierzigstes Kapitel.

[148] Wie Gargantua den Pikrocholus in Clermaldsburg angriff, und dessen Heer aus dem Felde schlug.


Gargantua führt' das Obercommando des ganzen Heers: sein Vater blieb in seiner festen Burg daheim und macht' ihnen Muth durch gute Wort und Verheissung reichlicher Gaben für die so tapfer fechten würden. Darauf rückten sie gegen den Furth von Vede vor, und setzten mit Hülf leicht fertiger Kähn und Brucken hinüber in einem Strich. Besichtigten da die Gelegenheit der Stadt, die hoch und sicher lag: da ward die Nacht über Raths gepflogen was zu thun wär. Gymnastes aber sprach zum Gargantua: Gnädigster Herr, es ist die Art und Natur der Franzosen daß sie nichts taugen als in erster Hitz und Anlauf; da sind sie ärger als Teufel; läßt man sie aber erst ruhen, dann sind sie weniger denn Weiber. Mein Rath wär, daß ihr euer Volk itzt auf der Stell, sobald es nur ein wenig verschnauft und gefuttert hat, Sturm laufen liesset. – Der Rath gefiel ihm; führt' also sein ganz Heer ins Feld und stellt' das Hülfsvolk gegen die Halden. Der Mönch nahm mit sich sechs Fähnlein Fußknecht und zweyhundert Küriser, mit denen setzt' er auf das behendeste über den Moor, und gewann die Höhen über dem Brunnen bis auf die Straß gen Loudun. In zwischen lief der Sturm an; Pikrochols Volk wußt nicht ob besser wär auszufallen und sie zu empfangen, oder die Stadt ohn Wank zu behaupten. Gleichwohl brach er wüthig herfür mit einem Banner Reiterey seines Hofgesindes, und ward allda zum Willkomm mit schwerem Geschütz empfangen, das wider die Höhen hagelte,[148] welchem mehr Spielraum zu gewähren die Gargantuisten sich thalwärts zogen. Die in der Stadt vertheidigten sich so gut sie konnten, aber die Schüß gingen überhin und trafen keinen. Etliche von dem Banner die dem Geschütz entkamen, setzten tapfer in unser Volk, aber schafften wenig, denn sie wurden all in die Glieder genommen, und da zu Boden gestreckt. Dieß spürend wollten sie wieder rückwärts, aber der Mönch hätt ihnen inzwischen den Paß verrannt; da gaben sie sich ohne Halt noch Ordnung in Flucht. Es wollten zwar Etliche sie verfolgen, aber der Mönch hielt sie zurück, besorgend daß sie auf der Jagd nach den Flüchtigen ihre Stellung verlören, und die aus der Stadt derweil auf sie anstürmen möchten. Verzog also eine gute Weil, und als kein Feind sich blicken ließ, schickt' er den Herzog Phrontistes an Gargantua ab, ihn zu ermuntern daß er vorruckt', die Höhen linker Hand zu besetzen, damit dem Pikrocholus die Einflucht zu diesem Thor verhauen wär. Welches Gargantua eilig thät, und vier Schwadronen der Legion Sebaste hinschickt'; aber sie hatten den Berg noch nicht sobald erreicht, als sie mit dem Pikrocholus und seinem Schwarm Bart gegen Bart zusammenstiessen.

Da hieben sie denn derbe drauf. Gleichwohl ward ihnen von denen auf den Mauern auch ein ziemlicher Schaden zugefügt mit dem Wurfgeschütz und der Artilleri. Sobald es Gargantua inne ward, eilt' er ihnen mit grosser Macht zu Hülf, und seine Stücke fingen dermaasen auf den Theil der Mauern zu spielen an, daß die ganze Kraft der Stadt dahin entboten ward. Als nun der Mönch dieß Theil das er belägert hielt, von Volk und Wachen entblöst sah, rückt' er heldenmüthig gegen die Burg und ließ nicht ab bis er oben stund nebst etlichen der Seinigen, deß Glaubens daß mehr Furcht und Schrecken Die stiften die sich in ein Treffen plötzlich mengen, als die nach bestem Vermögen schon drinn kämpfen. Gleichwohl macht' er eher nicht Lärm als bis seine ganze Schaar auf den Mauern droben stund, ohn die zweyhundert Küriser die draussen ließ für alle Unfäll.

Drauf erhub er mit seinen Leuten ein mörderlich Geschrey, erschlugen ohn Widerstand am selbigen Thor die Wachen, eröffnetens den Kürisern, und rannten in vollem Ungestüm[149] all miteinander nach dem Thor gen Morgen wo das Gemetzel war, und warfen alle feindlichen Haufen von hinten darnieder.

Da nunmehr die Belägerten an allen Enden ihre Stadt von den Gargantuisten erobert sahen, ergaben sie sich dem Mönch auf Gnad und Ungnad. Der Mönch nahm ihnen ihre Wehr und Degen ab, logiert' und sperrt' sie sämmtlich in die Kirchen ein, nahm aber zuvor alle Kreuzstöck' 'raus und stellt' an die Pforten Wächter die niemand ausliessen. Oeffnet' ihnen dann das Thor gen Osten und zog dem Gargantua zu Hülf hinaus. Pikrochol aber meint' die Hülf käm Ihm aus der Stadt, und wagt' sich tolldreist weiter denn zuvor heran, bis Gargantua ausrief: Bruder Jahn, mein Freund, Bruder Jahn! Zur guten Stund bist du gekommen. – Da, als Pikrochol und sein Volk nun einsah daß alles ohn Rettung verloren, rissen sie aus nach allen Winden. Gargantua setzt' ihnen nach bis gen Vaugaudry, mit Mord und Todtschlag. Dann aber ließ er zum Rückzug blasen.

Quelle:
Rabelais, Franz: Gargantua und Pantagruel. 2 Bände, München, Leipzig 1911, Band 1, S. 148-150.
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