Fünftes Kapitel.

[22] Die Trinker-Gespräch.


Drauf kamen sie ins Halbabendbrod-Gespräch mit einander am schicklichen Ort. Da ging es an ein Flaschen-Laufen, Schunken-Traben, Becher-Fliegen, Stamper-Klirren. Lauf und schaff! Trill dich und troll dich! Stell mir her, ohn Wasser, so Freund. Stürz mir dieß Glas brav, schenk[22] mir Claret ein daß das Glas heult. Durst-Frieden! O du arges Fieber! Wirst du nicht weichen? Mein Six, Gevatterin, ich kann die Zech nicht mitthun. Habt ihr euch etwann verkältet, Bäslein? Freylich. Potz Velten! lasst uns von Trinken reden: ich trink nicht denn zu meinen Stunden, wie des Papsts Maulthier. Ich trink nicht, denn aus meinem Brevier, wie ein guter Gardian-Vater. Was war eher, Durst oder Trinken? Durst: denn wer hätt im Stand der Unschuld ohn Durst getrunken? Trinken den privatio praesupponit habitum. Ich bin ein Gelahrter: Foecundi calices quem non fecere disertum? Wir unschuldigen Kindlein trinken nur allzuviel ohn Durst. Ich Sünder aber nie ohn Durst: hab ich ihn jetzt nicht, so hab ich ihn künftig, muß also fürbaun, seht ihr ein. Ich trink für den Durst der kommen soll. Ich trink ewig. Dieß ist mein Ewigkeitstrinken und meine Trinkewigkeit. Gesungen, getrunken, stimmt an einen Kanon! Wo ist mein Kanon? mein Trichter? ich trink nicht anders denn per procuram. Netzet ihr daß es trocknet, oder trocknet ihr daß es naß wird? Ich versteh mich nicht auf die Theorik, aber mit der Praktik da behelf ich mich ein wenig. Basta. Ich netz, ich feucht, ich trink, und alls aus leidiger Todesfurcht. Trinkt allzeit, so sterbt ihr nimmer. Wenn ich nicht trink, so bin ich im Treuchen: so bin ich todt; mein Seel wird in einen Froschpfuhl fahren; im Treuchen wohnet nimmer kein Seel. Küper! o ihr Schöpfer neuer Formen, macht mich aus einem der nicht trinkt, zum Trinkenden! Unvergängliche Sprengwedlung über diese Nerven und dürren Därm! Der trinkt um nix der nix von spürt. Dieser schlägt einem in die Adern, das Brunzerl kriegt da nix von ab. Ich möcht hie diesem Kalb das ich heut fruh geputzt hab, die Kutteln spühlen. Ich hab meinen Magen wohl ballastirt. Wenn das Papier meiner Schuldregister so wacker trinken könnt als ich, meine Gläubiger kriegten ihr Weinl wohl, wenns an ein Liquidiren ging. Diese Hand verstellt dir nur die Nas. O wie viel andre[23] werden da noch eingehn ehe dieser ausfährt! So im Seichten zu trinken: hui, da muß einem schier der Gurtriem platzen. Dieß heiß ich mal ein Vogelstellen mit Flaschen getrieben. Was Unterscheids ist zwischen Boutelgen und Flaschen? Grosser: den Boutelgen stopft mans Loch mit Pfropfen zu, den Flaschen mit Schrauben. Ehrbar! Unsre Alten tranken derbe, liessen nichts im Topf. Scheiß auf dein Singen, getrunken! getrunken! Habt ihr was an den Fluß zu b'stellen? der geht itzt hin die Kutteln zu spühlen. Ich trink nicht tiefer denn ein Schwamm. Ich trink wie ein Templer. Ich tamquam sponsus. Und ich sicut terra sine aqua. Ein Schunken-Synonymum! wer weiß! Ist ein Zech-Compulsorium, ist ein Schrotleiter: durch die Leiter bringt man den Wein in Keller, durch den Schunken in Bauch. Hei da, zu trinken! zu trinken he! Es hat kein Ladung. Respice personam! Pone pro duos-bos ziehts noch nicht. Wenn ich so tapfer aufsteig als ich zu Thal laß, ich wär längst hoch in Lüften. So kam Jack Coeur zu guten Tagen, so gedeihet das Holz in der Brachen. So unterwarf ihm Bacchus Indien, so philosophiren sie in Melindien. Ein kleiner Regen mag grossen Wind legen. Lang Trinken bricht Donner. Wenn aber mein Schwanitz solchen Harn pißt', möchtet ihr in auch saugen? Ich halts noch an, ein Weil. Schenk her, Bub! sieh, ich stell dir mein Vollmacht auf meinen Kopf. Stichs aus mein Seppel, hie ist noch ein Scheppel. Ich verwahr mich widern Durst apellando als[24] vor Chikan: Bub, relevir du mein Beschwer solenniter, dieß Jücken! Sonst pflegt ich zwar stets rein auszutrinken, itzunder lass' ich auch nichts drinn. Wir wollen uns nicht übereilen, auf daß nichts umkomm. Eingesackt!

Seh eins die Sonntagskutteln, seht die Bratenbaunzen von dem Falben mit dem schwarzen Strich!

Ey laßt uns ihn doch striegeln, um Gott! als gute Hauswirth, blank und rein! Trinkt, oder ich will euch ... Nicht doch! trinkt, ich bitt euch schön. Die Spatzen fressen nicht, man streicht ihnen denn die Schwäntz! ich trink nicht, man schmeichel mirs den ein.

Lagona edatera! Es ist in meinem ganzen Leib kein Ratz-Loch da mir dieser Wein nicht den Durst erfrettelt. Der pürscht mir ihn gut. Der wird mir ihn ganz und gar Landes verweisen. Blast's bei Boutelgen- und Flaschenschall aus, daß wer seinen Durst verloren hat, ihn nicht allhie zu suchen hab: lange Sauf-Klystir haben ihn aus unsern Häuslein längst verjagt. Gott macht' den Himmel und Sonnen drein, wir Lümmel machen die Tonnen rein. Ich führ das Wort Gottes im Mund: Mich dürstet. Der Stein Asbestos ist nicht unauslöschlicher als der Durst meiner Würden. Der Hunger, sagt Angeston kommt wenn man ißet, aber der Durst vergeht wenn man trinkt. Ein Mitel wider den Durst? Es ist das Widerspiel der Arzeney wider den Hundsbiß: lauf allezeit dem Hunde nach, so beißt er dich nimmer: und trink allzeit dem Durste vor, so erwischt er dich nimmer. Itzt hab ich euch gefangen, itzt bring ich euch diesen Wecker zu. Küper, o du ewiger Wecker, schütz und behüth uns du vorm Schlaf! Hundert Augen hätt Argus zum sehen, hundert Händ muß ein Küper haben, zum unermüdlichen Weinauszapfen wie Briareus. Heisa! frisch genetzt, es ist gut Trocknen. Weissen! schenks gar aus, schenk ins Teufels Namen, schenk hier, bis 'rauf! mir schwält die[25] Zung. Trinke Si' lans! Prost Kamrad! Munter! la la la, das heiß ich schlampampt, das. O Lacryma Christi! Dieser ist von der Devinie's, ist Zirbelwein. O des edeln Weissen! Auf meine Seel, ein tafftens Weinl! he he he, es ist einöhriges Gewächs, echtes Gespinst und tüchelt wohl. Courag mein G'sell, auf diesen Gang gehn wir noch mit, denn ich hab ein Zwickmühl ex hoc in hoc gemacht; es ist kein Hexerey dabey, es habens all mit angesehen. Darinn such ich meins Gleichen hie auf dem Platz. Ey lyrum larum, ich bin Pfaff Matz. O o der Schlucker! der Durstigen! Bursch, Bursch, mein Freund! fülls hie und krön den Wein, ich bitt dich. Auf Cardinalisch: Nam natura abhorret vacuum: meint ihr ein Muck hätt hie getrunken? Holla! auf gut Bretanisch, rein aus mit der Neigen! niedergeschluckt! ist Kraut, es sticht nicht.

Quelle:
Rabelais, Franz: Gargantua und Pantagruel. 2 Bände, München, Leipzig 1911, Band 1, S. 22-26.
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