Sechs und Vierzigstes Kapitel.

[142] Wie Grandgoschier den gefangenen Staarenstör glimpflich behandelt.


Auch Staarenstör ward Grandgoschieren fürgestellt und über Pikrochols Thun und Treiben von ihm vernommen, was er mit seinem stürmischen Einfall bezweckt'. Da antwort er, es wär sein Fürsatz und Entschluß, das ganze Land zu erobern, wenn er könnt, wegen der seinen Wecken-Bäckern erwiesenen Schmach. – Dieß heiss ich zu viel unternommen, sprach Grandgoschier, wer zu viel faßt, hält wenig fest. Die Zeit ist nicht mehr, da man also die Land zum Schaden seines nächsten Christen-Bruders erobern konnte. Diese Nachahmung der alten Herkules, Alexander, Hannibal, Scipio, Cäsar und Solcher lauft dem evangelischen Bekenntniß zuwider, welches befiehlt, daß jeder sein eigen Land und Herrschaft bewahr, regier, erhalt und schütz, und nicht feindselig nach andern stehn soll. Und was die Sarazenen weiland, und die Barbaren Tapferkeit hiessen, das heissen wir heutzutag Raub und Gewalt. Besser hätt er daran getan, er wär in seinem Haus geblieben und hätt es königlich bestellt, statt daß er hie meines überfällt und feindlich plündert. Denn durch gute Bestellung hätt ers gemehrt; durch Plünderung meiner wird Er zerstört. Ziehet hin in Gottes Namen; dient guter Sach, stellt euerm König die Fehler für die ihr nun einseht, und rathet ihm nimmer zu euerm eignen Nutzen; denn mit dem gemeinen gehet auch das eigne zu Grund. Was eure Ranzion betrifft, schenk ichs euch gar, und will auch, daß man euch Pferd und Waffen wiedergeb. Also muß man mit alten Freunden und Nachbarn handeln, in Erwägung daß dieser unser Span im Grund kein wahrer Krieg ist.

Wie dann Plato Lib. V. der Republik, es auch nicht Krieg genannt wollt wissen, sondern Aufruhr, wenn die Griechen wider einander die Waffen kehrten: und wo durch Unfall solches dennoch geschehen wär, befiehlt er daß sie fein säuberlich verfahren sollten. Wollt ihrs ja Krieg nennen, ist ers doch nur oberflächlich, obenhin, er dringt nicht in den[143] innersten Schrein unsrer Herzen; denn unter uns ist keiner an seiner Ehr gekränket und wird in Summa nichts weiter begehrt als ein Versehen unsrer Leut, ich mein der euern wie der unsern, beyzulegen. Welches ihr, wenn ihrs auch wußtet, hättet sollen hingehen lassen, in Betracht die streitenden Parteyen mehr verächtlich den erheblich waren, zumal wenn man sich anerbot, ihren Beschwerden genugzuthun, wie ich gethan hab. Gott wird unsers Zwistes gerechter Schiedsmann seyn, zu dem ich fleh er woll mich eher durch Tod aus diesem Leben fordern und all mein Gut vor meinen Augen verderben, als daß ich oder mein Volk ihm sollt in ichtes zuwider seyn. – Nachdem er diese Wort gesprochen, rief er den Mönch und frug ihn vor Allen: Bruder Jahn, mein guter Freund, habt ihr den hie anwesenden Hauptmann Staarenstör gefangen genommen? – Herr, spricht der Mönch, er steht hie selbst, auch ist er alt und verständig genug: es ist mir lieber, ihr hörts von ihm, denn aus meinem Mund. – Darauf antwortet Staarenstör: Ja, Gnädigster, er ists in Wahrheit, der mich gefangen hat, und ich geb mich ihm frey zu seinem Gefangenen. – Habt ihr, frug Grandgoschier den Mönch, ihn ranzionirt? – Nein, spricht der Mönch, mich kümmert dieß nicht. – Wie viel, sprach Grandgoschier, wollt ihr für ihn zum Lösegeld? – Nix, nix, antwort der Mönch, ich thus nit darum. – Alsobald ließ Grandgoschier dem Mönch im Beyseyn des Staarenstör zweyundsechzigtausend Salus-Gülden für diesen Fang auszahlen: welches während dem geschah daß man dem Staarenstör den Imbiß auftrug. Grandgoschier fragt ihn daneben ob er bey Ihm bleiben wollt, oder lieber zu seinem König wieder heimziehn. Staarenstör antwortet, er wollt thun was er ihm riethe. – Nun, sprach Grandgoschier, so ziehet heim zu euerm König, und Gott sey mit euch. – Schenkt' ihm darauf einen schönen Vienner Degen mit güldener Scheid von schönem getriebenen Laubwerk, und eine güldene Halskett siebenhundert zweytausend Mark schwer, mit edeln[144] Steinen eingelegt, auf hundertsechzigtausend Dukaten an Werth geschätzt, und zehntausend Thaler zum Ehrenpräsent. Nach diesen Gesprächen stieg Staarenstör zu Pferd. Ihm gab Gargantua zu seiner Bedeckung dreyssig Schwergewappnete mit, und zwey Schock Schützen unter Gymnastens Befehl, auf daß sie ihn bis an das Thor der Clermaldsburg geleiteten wenns Noth hätt. Kaum war der hinweg, so gab der Mönch dem Grandgoschier die zweyundsechzigtausend Salus die er empfangen zurück, und sprach: Herr, itzo ists nicht Zeit dergleichen Gaben zu spenden. Wartet bis zu dem End des Kriegs, denn man weiß nicht was fürfallen möcht, und ein Krieg ohn gute Baarschaft hat kurzen Athem und ein schwach Zugloch. Der Feldzüg Nerven, das sind die Batzen. – Nun, so will ichs, spricht Grandgoschier, dir ehrlich auf die Letzt vergelten, und allen denen die mir treu gedienet haben.

Quelle:
Rabelais, Franz: Gargantua und Pantagruel. 2 Bände, München, Leipzig 1911, Band 1, S. 142-145.
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