Sechzehntes Kapitel.

[58] Wie Gargantua gen Paris geschickt ward, und von der ungeheuern Mären so er ritt, und wie sie den Kühfliegen im Beaucerlande den Garaus macht'.


Um diese Zeit schickt' auch Fayoles, der vierte König in Numidien, dem Grandgoschier aus Afrika eine ungeheure[58] Mär, das größte Monstrum und Wunderthier so je ersehen war; (wie ihr wißt, daß Afrika immer was neues bringt): denn sie war so groß als sechs Oriflanten, und ihre Füß in Finger gespalten, wie bei dem Pferd des Julius Cäsar, auch lange Schlapp-Ohren hätt sie, wie die Geissen in Languedoc und ein klein Hörnlein am Hintersten. Im übrigen von Farb ein Brandfuchs mit grauen Apfelsprossen getigert. Vor allem aber hätt sie einen erschrecklichen Schwanz! denn etwas wenigs ab und an, war er so dick als die Sankt Marx-Saul unweit Langès, auch so geviereckt, und die Strehnen dran so in einander gehäkelt wie mans an einer Kornähr sieht.

So ihr hierüber euch verwundert, ey so wundert euch doch vielmehr über die Schwänz der Scythischen Hammel die über dreyssig Pfund schwer wogen, oder über die Syrischen Schaafböck, denen man (wenn Steffen nit lügt) ein Kärchel zur Nachführung der Schwänz an ihre Aerß mußt fürschuhn lassen, so lang und mastig waren sie. Ihr wenigstens habt keine solchen, ihr andern Spatzen vom platten Land. – Und ward zur See auf drey Caracken und einer Brigantin geführet in den Hafen zu Olone in Thalmondien. Als Grandgoschier die sahe, sprach er: sieh da, ein gut Geschirr, darauf mein Sohn gen Paris mag reiten! Wohlan, Gott walt's, es wird alls wohl von Statten gehen, er wird ein mächtiger Doctor werden zu seiner Zeit. Wenn die Herrn Schwein nicht wären, so lebten[59] wir all wie die Doctoren und Clerici. Am folgenden Tage nach dem Früh-Wein (wie ihr von selbst einseht) brachen sie auf, Gargantua, sein Präceptor Ponokrates, nebst seinen Leuten, und mit ihnen Eudämon der junge Pag; und weil das Wetter klar und gelind war, ließ ihm sein Vater fahle Kniestiefel machen. Babin nennet sie Brodequin. So zogen sie lustig ihre Straß, und aller Orten groß Traktament bis über Orleans. In der Gegend war ein geraumer Wald, in die Läng auf dreyssig fünf Meilen, und in die Breit an siebzehn oder ongefähr. Derselbige war so grausam fruchtbar und voll von Brämen und Kühfliegen, daß es eine wahre Schinderey für die armen Lasttier, Esel und Pferd war. Aber unseres Gargantuä Mär rächt allen Unbill in selbigem den Thieren ihres Geschlechts erwiesen, sehr wacker durch einen solchen Tuck, dessen sie sich mit nichten versahen. Denn alsbald sie in den Wald kamen und die Brämen Sturm auf sie liefen, da zog sie ihren Schwanz vom Leder und fochtelt' und muckt' sie so preislich ab, daß sie das ganze Holz kreuz quer, links rechts, ricks racks, kopf über kopf unter, in die Läng in die Breit umhieb, und Holz schlug wie ein Mäther Heu. Dergestalt daß es forthin da weder Holz noch Brämen mehr hätt und das ganze Land zur Ebenen ward. Welches als Gargantua sahe, hätt er sein herzlich Freud daran und sprach, ohn weiter sichs zu rühmen, zu seinen Leuten: Ein guter Spôß! darnach dieß Land genannt ward's Beauce. Ihr ganzer Imbiß aber auf dießmal bestund in Maulaffen, als woran noch zum Gedächtniß bis itzunder die Junker in Beauce zum Morgen-Imbiß Maulaffen feil han und verspeissen; stehen sich auch ganz wohl dabey, und kotzen nur dest besser darnach. Letzlich kamen sie zu Paris an, da er sich zwey, drey Tag erquickt' und mit seinen Leuten ihm wohl seyn ließ, auch[60] unter der Hand erkundigt' was es dermalen für Gelehrte am Ort hätt und was für Wein man allda tränk.

Quelle:
Rabelais, Franz: Gargantua und Pantagruel. 2 Bände, München, Leipzig 1911, Band 1, S. 58-61.
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