Neuntes Kapitel.

[249] Wie wir aufs Werkzeug-Eiland kamen.


Nach wohl verballastirten Mägen stieß uns ein steifer Wind in Gransen. Also zogen wir unsern grossen Besansmast auf, und waren in noch nicht zwey Tagen am Werkzeug-Eiland, das ganz wüst, und von allen Menschen verlassen war. Da sahn wir Bäum in großer Meng, die trugen Hacken, Spaten, Zwergäxt, Sensen, Sicheln, Schaufeln, Kellen, Beil, Hippen, Sägen, Hobel, Scheeren, Zangen, Glüten, Feuerstaken, Drell-und Windelbohrer.

Andre trugen Dolch, Stilettlin, Spiesser, Zinkedäer, Kneiflein, Schwerter, Hirschfänger, Fochtel, Säbel, Flitschen, Stoßdegen und Messer.

Wer davon was braucht', der durft den Baum nur schütteln, flugs fielen sie euch wie Zwetschgen ab: ja was noch mehr, sowie sie auf den Boden kamen, trafen sie auch gleich auf eine Art von Kraut, man hieß es Scheidekraut, und verfugten sich da hinein. Beym Schütteln mußt man sich nur vorsehn daß sie einem nicht auf Kopf, Bein, oder sonst ein ander Glied des Leibes fielen; denn sie fielen all auf die Spitz, gradunter nach der Scheid, und hätten den Mann erkiekt. Auch sah ich da noch unter einer andern Art von fremden Bäumen allerley besondre Kräuter, die wie Piken, Halbarden, Lanzen, Reißspieß, Zinken, Schweinsfedern, Partisanen, Speer und Gabeln hoch in die Höh aufschossen und, wie sie an die Bäum nur rührten, traf jedes in sein Kling und Eisen das ihm nach seiner Art gerecht war, welches über ihnen schon die Bäum vorsorglich auf ihr Wachsthum und Zukunft hergerichtet hatten, wie ihr den Kindern die Jüplein macht, wenn ihr sie wollt der Windeln entwöhnen. Und also ehret mir künftighin die Meinung Platon's, Demokritens und Anaxagorä! Meint ihr, das wären kleine Leut gewesen?[250]

Uns schienen's eine Art von Erd-Thier, diese Bäum; nicht darinn zwar von anderm Vieh verschieden, daß sie kein Fell, Fett, Fleisch, Arterien, Venen, Sehnen, Nerven, Knorpel, Drüsen, Gebein, Mark, Säft, Bärmütter, Hirn und sonst bekannte Glieder hätten, denn sie haben deren wohl, wie Theophrastus klar erwiesen; sondern darinn, daß sie den Kopf, das ist den Stamm, zu unterst haben, die Haar, oder Wurzeln, in der Erd, und die Bein, (das sind die Aest,) gen Himmel kehren, wie wenn ein Mensch einen Burzelbaum schlägt. Und wie ihr Herren Venus-Ritter schon von weitem Wind, Thauluft, Regen, kurz jede Verändrung des Wetters in euern knotigen Beinen und Schultern spürt, so fühlen sie auch in ihren Wurzeln, Schaften, Harzen und Marken schon was unter ihnen für Stecken wachsen und richten die dazu paßlichen Klingen und Eisen ihnen vor.

Wie nun in allen Dingen zwar (allein Gott ausgenommen) jezuweilen ein Irrthum fürfällt, dessen sich selbst die Natur, sofern sie Monstra und misgeschaffne Thier erzeugt, nicht wehren kann: so sah ich auch die Bäum zuweilen darneben schiessen. Denn eine Halb-Pick zum Exempel, die unter diesen Werkzeugbäumen hoch aufschoß, traf statt ihrer Kling, sowie sie an die Aest anstreift', in einen Besen. Auch gut, dacht ich, so fegt man die Kamin damit. Eine Partisan traf eine Scheer. Bravo! das wird die Gärten raupen. Ein Hellebardenstock gerieth hermaphrodytisch in eine Sens. All eins, die kann ein Schnitter brauchen. Es ist doch ein gut Ding wenn man nur Gott vertraut! Als wir itzt wieder schiffwärts stiegen, sah ich hinter ich weiß nicht welchem Gebüsch ich weiß nicht was für Leut, die ich weiß selbst nicht was da trieben und weiß nicht wie ich weiß nicht was für Werkzeug spitzten, die sie hatten ich weiß nicht wo, und weiß auch nicht in welcher Art.

Quelle:
Rabelais, Franz: Gargantua und Pantagruel. 2 Bände, München, Leipzig 1911, Band 2, S. 249-251.
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