Sieben und Vierzigstes Kapitel.

[362] Wie sie von Bakbuk Abschied nehmen, und das Boutelgenorakel verlassen.


Darum, sprach Bakbuk, seyd unbesorgt: die Zech ist richtig wenn ihr mit uns zufrieden seyd. Hieunten in dieser Erdkern-Näh setzen wir nicht das höchste Gut in Nehmen und Empfangen, sondern in Geben und Spenden, und achten uns glücklich, nicht wenn wir von Andern nur recht viel entgegennehmen und empfangen, wie wohl vielleicht in eurer Welt die Sekten lehren, sondern wenn wir Andern immer viel geben und spenden. Nur um dieß Eine bitt ich euch: Laßt uns in dieses Ritualbuch eure Namen und Herkunft schreiben. Damit schlug sie ein schön groß Buch auf, worein mit einem güldenen Griffel ihrer Mystagogen Eine, der wir dictirten, etliche Züg macht', als wenn sie schrieb: uns aber blieb die Schrift verborgen.

Als dieß vollbracht war, füllte sie uns von dem phantastischen Brunnenwasser drey Schläuch voll, übergab sie uns und sprach: so ziehet hin, ihr Freunde, unterm Schutz jener geistlichen Sphära, deren Centrum aller Orten, der[362] Umkreis aber nirgend ist, die wir GOTT nennen: und wenn ihr in eure Welt zurückkommt, zeuget daß unter der Erd die großen Schätz und Wunderding verborgen sind; und nicht mit Un recht Ceres, die so weit und breit verehrte Göttin weil sie den Sterblichen die Kunst des Ackerbaus gelehret und gewiesen und sie durch Erfindung des Getraides der viehischen Eicheln entwöhnt hat, nicht ohne Grund ob der Entführung ihrer Tochter in unsre Tiefen, so untröstlich gewehklagt hat, weil sie gewiß zum voraus sah daß ihrer Tochter unter der Erden weit edlere Schätz und Güter harrten als sie, die Mutter droben je herfürgebracht. Wo ist die Kunst hin, den Blitz und das ätherische Feuer aus den Wolken herniederzuziehn, wie sie der Prometheus erfunden? Traun, die ist euch abhanden kommen, von euerm Erdenrund entflohn; wohl aber im Gebrauch hie unter der Erd: und oftmals zittert ihr mit Unrecht, wenn ihr Städte seht im Blitz und himmlischen Feuer lodern und aufgehn, und nicht wißt durch wen, von wannen noch wohin dieß fähret, das euch ein so erschrecklich Wetter in euern Augen zu seyn bedünkt, uns aber ganz wohl vertraut und heilsam. Auch eure Weisen, die stets klagen daß alles von den Alten schon beschrieben worden, ihnen nichts mehr zu erfinden übrig sey, sie haben offenbares Unrecht: denn was am Himmel euch erscheint und ihr Phänomena heisset, was die Erd euch zeugt, was Meer und alle Flüss enthalten, es kommt nicht in Vergleich mit dem, was in der Erd verborgen ist.

Derhalb der Fürst der Unterwelt sehr passend fast in allen Sprachen seinen Namen vom Reichthum führet. Sie aber, wenn sie sich redlich treuer Forschung durch Anrufung des höchsten Gottes befleissen, (den die Aegypter vor Zeiten in ihrer Sprach den Tiefverborgnen, den Versteckten, Geheimen nannten und, ihn mit diesem Namen rufend, sich ihnen zu offenbaren baten,) werden von Ihm Erkenntniß Seiner selbst, wie seiner Geschöpf erhalten, nicht minder eine gute Latern zur Führerinn: denn alle Weisen und Philosophen des Alterthums haben zu sicherm und fröhligem Fortgang auf dem Weg der Gotteserkenntniß und Jagd nach Weisheit zweyerley für nöthig erachtet: Gottes Führung, und der Menschen Gesellschaft. So nahm unter den Weisen, Zoroaster den[363] Arimaspes zum Reisgefährten; Aeskulapius den Merkur, Pythagoras Aglaophemen, Orpheus Musäum: unter denen Fürsten und Helden war Theseus der erprobte Freund des Herkules bey allen seinen schwersten Thaten; Diomed Ulyssens, Agates Aeneens: und so habt nun auch ihr gethan, indem ihr euch eure erlauchte Frau Latern zur Führung mitnahmt. Gehet mit Gott, der euer Geleitsmann sey.


Quelle:
Rabelais, Franz: Gargantua und Pantagruel. 2 Bände, München, Leipzig 1911, Band 2, S. 362-364.
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