Dreyssigstes Kapitel.

[116] Wie Fastnacht vom Xenomane anatomirt und beschrieben wird.


Die inneren Theil anlangend, sprach Xenomanes, so ist, oder war zum mindesten bey meiner Zeit, des Fastnachts Hirn an Größ, Farb, Kraft, Zeug und Substanz dem linken Hoden eines Milbenmännleins ähnlich.

Die Hirnkammern, wie ein Scheibenbohrer.

Der wurmförmliche Auswuchs, wie ein Malgenschlägel.

Die Hirnhäut, wie eine Mönchsgugel.

Der Trichter, wie eines Maurers Kalkfaß.

Die Höhl, wie ein Krengel.

Die Zirbeldrüs, wie ein Bofist.

Das Wundernetz, wie eine Roßstirn.

Die mammillarischen Anwüchs, wie alt Sohlenleder.

Die Trommelhäutlein, wie eine Drehmühl.

Die Steinbein, wie ein Flederwisch.

Der Nacken, wie ein Laternenstock.

Die Nerven, wie ein Brunnen-Hahn.

Das Zäpflein, wie ein Blaserohr.

Der Gaumen, wie ein Muff.[116]

Der Speichel, wie ein Rübsenschot.

Die Mandeln, wie Brillen zu Einem Aug.

Der Isthmus, wie eine Tragbutt.

Der Schlund, wie ein Winzerkorb.

Der Magen, wie eine Geldkatz.

Der Pförtner, wie eine Mistgabel.

Die Luftröhr, wie ein Schusterkneif.

Der Adamskröbs, wie ein Pfropfen Werg.

Die Lung, wie ein Prälatenmantel.

Das Herz, wie eine Casel.

Das Mittelfell, wie ein Schoppenkäntlein.

Die Rippenhaut, wie ein Rabenschnabel.

Die Arterien, wie eine Biarter Kapp.

Das Zwergfell, wie eine Hahnbartsmütz.

Die Leber, wie eine Hellebard.

Die Venen, wie ein Fensterrahmen.

Die Milz, wie eine Wachtelpfeif.

Die Därm, wie ein Wurfgarn.

Die Gall, wie ein Schnitzmesser.

Das Geschling, wie ein Händschel.

Das Gekrös, wie eine Abts-Miter.

Der Leerdarm, wie ein Dieterich.

Der Blinddarm, wie ein Brustblech.

Der Grimmdarm, wie ein Stauff.

Der Mastdarm, wie ein Kloster-Humpen.

Die Nieren, wie eine Kell.

Das Kreuz, wie ein Anwurfschloß.

Die Harngäng, wie ein Kesselhaken.

Die emulgirenden Venen, wie ein Paar Klatschbüchsen.

Die Saamengefäß, wie ein Blättergebackens.

Die Ueberhoden, wie ein Federtopf.

Die Blas, wie ein Flitschbogen.

Der Blasenhals, wie ein Glockenklöppel.

Das Mirach, wie ein Albanischer Hut.

Das Siphach, wie ein Armzeug.[117]

Die Mäuslein, wie ein Blasebalg.

Die Sennen, wie ein Sperberhandschuh.

Die Ligament, wie eine Sparbüchs.

Die Knochen, wie Stirnnippel.

Das Mark, wie ein Quersack.

Die Knorpel, wie eine Horst-Schildkröt.

Die Drüsen wie eine Hipp.

Die thierischen Geister, wie schwere Faustpüff.

Die Lebensgeister, wie lange Tachteln.

Das siedende Blut, wie dicht geschneyte Nasenstüber.

Der Harn, wie eine Feigenschnepf.

Der Saam, wie ein hundert Stück Bretnägel. Und erzählt' mir seine Amm, daß er in seinem Ehestand mit der Mittfasten, nichts als eine Parti Local-Adverbien, und etliche doppelte Fasttäg erzielt hätt.

Das Gedächtniß war wie ein Sieb.

Der gemeine Sensus, wie ein Hummel.

Die Einbildung, wie ein Schellengeläut.

Die Gedanken, wie ein Staaren-Flug.

Das Gewissen, wie eine junge Brut von ausgenommenen Reigerlein.

Die Entschlüß, wie ein Habersack.

Die Reu, wie der Protzwagen einer Doppelkanon.

Die Werk, wie der Lad-Sand einer Galeer.

Der Verstand, wie ein zerledert Brevier.

Die Begriff, wie Schnecken wann sie aus den Erdbeeren kriechen.

Der Will, wie drey Nüß in einer Schaal.

Das Begehren, wie sechs Bund Heiligen-Heu.

Das Urtheil, wie ein Stiefelzieher.

Die Ueberlegung, wie ein Muff.

Die Vernunft, wie ein Fußbänklein.

Quelle:
Rabelais, Franz: Gargantua und Pantagruel. 2 Bände, München, Leipzig 1911, Band 2, S. 116-118.
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