Eilftes Kapitel.

[64] Warum die Mönch gern in der Küch sind.


Das heiss' ich mir doch, sprach Epistemon, recht wie ein echter Mönch geredt: ich sag, wie ein Mönchs-Ober, nicht Unter. Wahrlich, ihr gemahnt mich wieder an das was ich[64] vor etwa zwölf Jahren in Florenz gesehn und gehört hab? Wir waren unser ein stattlich Häuflein lernbegieriger Leut, Liebhaber der Fremd, und lüstern die welschen Gelahrten, Raritäten und Alterthümer zu sehn. Beschauten uns eben aufmerksam die schöne Lag und Pracht von Florenz, den Bau des Dom's, die herrlichen Tempel und stolzen Paläst, und kamen dabey in einen Wettstreit untereinander, wer sie durch würdige Lobsprüch am besten erheben möcht: als uns ein Mönch aus Amiens, namens Bernard Lardon schier ganz verdrießlich und muckisch zur Red setzt': Ich weiß doch, sprach er, für'n Teuker nit was ihr da groß zu rühmen findet. Hab mir's so gut wie ihr beschaut, und bin nicht blinder den ihr geboren, und was ist's mehr? schöne Häuser sinds; das ist es alles. Aber Gott und unser werther Herr Schutzpatron Sanct Bernard helf uns! wenn ich in dieser ganzen Stadt auch nur eine einige Garküch gesehn hätt! Und hab mich doch fleissig umgeschaut, wohlaufgepaßt, ich sag euch, recht wie ein Spion bald links bald rechts herumgelugt, und zählen wollen wie viele Brätelbratereyn, und auf welcher Seit die meisten wir wohl finden würden. In Amiens, auf einem vier, ja dreymal kürzern Weg als wir itzund beschaulicherweis durchlaufen, hätt ich euch über vierzehn der ältesten, würzigsten Küchen zeigen wollen. Ich weiß nit was für Spaß euch's macht, die Leu'n und Afrikanen (so denk ich, hießt ihr was man sonst Tiger nennt) dort bey dem Wartthurn anzuschaun, deßgleichen die Strausen und Stachelschwein in dem Palast Herrn Philipp Strozzi's. Mein Treu, ihr Zixen, lieber säh Ich einen guten, feisten Gansert am Spieß. Die Porphyr und die Marmel da sind schön; ich schelt sie nicht: allein nach meinem Schmack weit besser sind doch die Butter-Striezel von Amiens. Diese antikischen Statuen sind wohlgemacht; will's glauben; aber, bey dem Heiligen Ferreol von Abbeville, die jungen Dirnlein bey uns zu Haus sind tausendmal zuthulicher.

Was es nur heißt und sagen will, frug Bruder Jahn, daß ihr die Mönch allzeit in der Küch trefft, und niemals[65] Könige, Päpst oder Kaiser? – Ist's etwann, antwort Rhizotomus, eine heimliche Tugend und verborgne specifische Kraft in denen Häfen und Bratenwendern, die, wie der Magnet das Eisen, wohl Mönch, nicht aber Könige, Kaiser noch Päpst herbeyzieht? Oder wohnt den Kutten und Gugeln eine natürliche Neigung und Antrieb bey, so von sich selbst die guten Fratres zur Küchen führt und fortstößt, wenn sie schon dergleichen weder gewillt noch gemeinet wären? – Er meint, fiel Epistemon ein, die Formen, die der Materi folgen, wie's Averroes nennt. – Schon recht, schon recht, sprach Bruder Jahn. –

Ich will euch, versetzt' Pantagruel, etwas erzählen, ohn mich weiter auf dieß Problema einzulassen, maasen es etwas kitzlich ist und ihr es kaum berühren möchtet, ohn euch die Finger daran zu ritzen. Ich entsinn mich gelesen zu haben, wie eines Tages Antigonus der König von Macedonien, als er in seine Feldküch kam, dort den Poeten Antagoras fand, der einen Meeraal schmort', und selbst die Schmorpfann dazu hielt. Er also frug ihn mit aller Freundlichkeit, ob auch Homer wohl, als er die Thaten Agamemnons beschrieben hätt, Meeraal geschmort hätt? Aber du, antwortet' Antagoras dem König, meinst du denn auch daß Agamemnon, als er die Thaten thät, neugierig zu wissen gewesen wär, ob einer in seinem Lager Aal schmort'? – Dem König bedünkt' es nicht wohlanständig daß der Poet in seiner Küch dieß Schmoren trieb, und der Poet verwies es ihm als noch weit ungebührlicher, wenn man den König in der Küch fänd.

Ich dam' euch, sprach Panurg, dieß auf, mit Meldung dessen was einst Breton Villandry dem Herren Herzog von Guis' antwortet'. Sie sprachen eben von einer Feldschlacht König Franzens mit Kaiser Karl dem Fünften, da sich Breton sehr statios geharnischt, ja gar mit stählernem Fußgeschmeid und Schienen auf einem Streitroß erzeigt hätt, gleichwohl im Treffen selber nicht erschienen wär. Bey[66] meiner Treu! ich war wohl drinn, antwortet Breton, und kann es leicht beweisen; ja an einem Ort, da ihr euch selber nimmer hin getrauet hättet. – Dieß Wort misfiel dem Herren Herzog als zu vermessen und prahlerisch, und stimmt' den Ton etwas höher. Doch Breton, mit einem lauten Gelächter, versöhnt' ihn leicht, und sprach: ich war bey der Bagagi, Herr; woselbst sich Eure Hoheit schwerlich hätten verstecken mögen, wie Ich thät. – Unter diesen kleinen Gesprächlein gelangten sie auf ihre Schiff, und war auf selbigem Eiland Cheli für itzt nicht länger ihres Bleibens.

Quelle:
Rabelais, Franz: Gargantua und Pantagruel. 2 Bände, München, Leipzig 1911, Band 2, S. 64-67.
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