Fünf und Vierzigstes Kapitel.

[152] Wie Pantagruel auf das Eiland der Papfeiger kam.


Am andern Morgen erreichten wir das Eiland der Papfeiger, welches einst ein reiches und freyes Volk gewesen, denn sie hiessen die Fröhlinger: nun aber elend, arm und denen Papimanen unterwürfig. Wovon die Ursach diese war: An einem der jährlichen Stabs-Fest waren die Bürgermeister, Syndici und Ober-Rabiner von Fröhlingen, Erhohlungshalber und das Fest mit anzusehen, nach dem nahbelegnen Eiland Papimanien hinüber gefahren. Einer von ihnen, als er des Papsten Bildniß sah, (wie er bey jedem doppeltem Stabs-Fest die löbliche Gewohnheit war es öffentlich der Welt zu zeigen) bot ihm die Feig; was in dem[152] Land ein offenbares Zeichen der Verachtung und des Hohnes ist. Zur Rach hiefür erhuben nun sich ein Paar Tag darauf in Waffen sämmtliche Papimanen, riefen nicht lang erst Kopf weg! überfielen, plünderten und verwüsteten das ganze Fröhlinger-Eiland, liessen alles über die Kling was Haar am Kinn hätt, springen; nur den Weibern und jungen Knaben verziehen sie unter ähnlichem Beding, wie weiland Kaiser Friedrich der Rothbart den Mailändern.

Die Mailänder hatten in seinem Abseyn wider ihn sich aufgelehnt, und sein Gemahl die Kaiserinn mit Schimpf und Schand auf einem alten Maulthier namens Thakor, aus der Stadt vertrieben, ärschlings reitend, mit dem Steiß nach des Maulthiers Kopf, mit dem Gesicht nach dem Schwanz gekehrt. Als Friedrich nun, nach seiner Rückkehr, sie von neuem unterworfen und eingeschlossen, ruht' er nicht eher als bis er dieß berühmte Maulthier Thakor in seine Gewalt bekam. Itzt muß der Henker mitten auf dem grossen Broglio auf seinen Befehl eine Feig in die Schaamtheil der Thakor stecken, in Gegenwart und Zusehn der gefangenen Bürger. Dann rief er bey Trommetenschall laut in des Kaisers Namen aus: daß, wer von ihnen dem Tod entgehn wollt, mit seinen Zähnen öffentlich die Feig herausziehn, und darauf ohn Hülf der Händ, auch wiederum an ihren Ort postiren müßte. Wer deß sich weigern würd, den sollt man sofort aufhenken und stranguliren. Etlich unter ihnen nun erschraken sehr, und schämten sich vor einer so abscheulichen Straf, vergassen darüber die Todesfurcht, und wurden erhenkt: bey Andern wieder überwog die Todesfurcht die Schand: die zogen mit scharfem Zahn die Feig heraus, hieltens dann dem Racker dar, und sprachen dazu mit lauter Stimm: Ecco lo fico!

Mit gleicher Schmach ward auch der Rest der armen geschlagnen Fröhlinger vom Tod errettet und leben gelassen;[153] wurden Sklaven und zinsbar, und der Nam Papfeiger ihnen gegeben, weil sie dem Bildniß des Papsts die Feig entboten. Seit der Zeit hatten die armen Leut in nichts mehr Glück; Jahr aus Jahr ein gabs Hagel, Theurung, Pestilenz und Wetterschaden und tausend Kreuz bey ihnen, als die ewige Straf für die Versündigung ihrer Väter und Vorfahren.

Weil wir nun des Volks Elend und Noth sah'n, wollten wir nicht tiefer ins Land, sondern nur, um den Weihbrunn zu nehmen und unsre Andacht zu verrichten, traten wir unweit des Hafens in eine kleine Betkapell, die ganz verfallen, ohn Dach und wüst war, wie zu Rom der Sanct Peterstempel. Als wir da drinn das Wasser nahmen, sahen wir in dem Weihbrunnkessel einen mit Stolen bekleideten Menschen, der völlig unter dem Wasser stak, wie eine Tauch-Ent, bis auf ein Zipflein der Nasenspitz zum Othemhohlen. Um ihn standen drey wohlbeschorene, glatzige Pfaffen, die lasen das Grimorium und beschwuren die Teufel.

Pantagruel fand den Casus seltsam, und auf Erkundigung was für Possen man da trieb, ward ihm zur Antwort, wie diese letzten drey Jahr im Eiland elne so grimmige Pest grassirt hätt, daß das Land zur Hälft und drüber ausgestorben und Grund und Boden fast herrenlos verblieben wäre. Nachdem die Pest vorüber, hätt der Mann da in dem Weihbrunnkessel ein groß Stuck Sommerfeld gehabt, und es mit Dinkelkorn bestellt just zu der Stund und Tageszeit, als eben ein kleines Teuflein, (das noch weder blitzen noch hageln konnt, ausser auf Kraut und Pittenzilg, auch noch nicht lesen und schreiben gelernt) vom Satan Urlaub erhalten hätt, sich ein wenig zu seinem Plaisir und Zeitvertreib auf diesem Papfeiger-Eiland zu tummeln, weil die[154] Teufel mit Männern und Weibern daselbst im besten Vernehmen stehn und öfters zu ihrer Lust hin fahren. Bey seiner Ankunft trat der Teufel den Bauer an, und frug ihn gleich, was er da schafft'? – Der arme Mann antwortet', er bestellt' dieß Feld mit Dinkel, weil er übers Jahr auch leben wollt.

Ey aber, spricht der Teufel, dieß Feld ist nicht Dein; es ist mein, gehöret mir: denn seit der Stund und Frist da ihr dem Papst die Feig wies't, ist all dies Land Uns zuerkannt, anheim gefallen und proscribiret. Nun ist zwar Korn sän nicht meines Amts: drum lass ich dir das Feld, jedoch auf den Beding, daß wir uns in den Nutzen theilen. – Mir schon recht, antwort der Bauer. – So zwar, spricht der Teufel, daß wir den Ertrag zwiefach verloosen. – Auf Ein Loos kommt das was über der Erd wächst, aufs ander das was unter der Erd ist. Die Wahl ist mein, denn ich bin Teufel, aus einem alten adlichen Blut, du nur ein Lump. Ich wähl mir das was unten ist. Das Oberst sollst du han. Wann ist Ernt? – Halweg Heumond, antwort der Bauer, – Wohlan! ich werd nicht fehlen, spricht der Teufel: inzwischen thu dein Schuldigkeit. Rühr dich, Lump, rühr dich! Ich geh itzunder die edeln Nönnlein in Treuchenfist ein wenig auf das Stroh zu locken, auch die Herrn Gleisner und Nollenbrüder, auf deren Treu ich Felsen bau. Auf Wiedersehn wo die Ochsen stehn!

Quelle:
Rabelais, Franz: Gargantua und Pantagruel. 2 Bände, München, Leipzig 1911, Band 2, S. 152-155.
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