Sechs und Funfzigstes Kapitel.

[183] Wie Pantagruel unter den gefrorenen Worten auch etliche Zötlein fand.


Der Steuermann gab zur Antwort: Herr, laßt euch nicht bang seyn; es ist hie die Grenz des Eismeers, wo zu Anfang vorigen Winters ein grosses blutiges Treffen zwischen den Arimaspern und Nephelibaten geliefert ward. Da sind die Wort und das Geschrey der Männer und Weiber, die Kolbenstöß, der Panzer, des Roßgeschmeides Klirren, das Pferdegewiehr und aller andre Kriegslärm in Lüften zu Eis gefroren. Jetzt, da der strenge Winter nun zur Neig geht und die Witterung wieder lau und schön wird, zerschmelzen sie und werden gehört. – Bey Gott! ich glaubs ihm, sprach Panurg; könnt man denn aber nicht ein Paar[183] zu sehen kriegen? Ich weiß daß ich gelesen hab wie an dem Fuß des Bergs wo Moses die jüdischen Gesetz empfing, das Volk die Stimmen auch ganz deutlich mit Augen sah.

Da! da! halt auf! sprach Pantagruel, da habt ihr welche, die sind noch fest. – Und damit warf er uns ganze Händ voll gefrorener Wort auf das Verdeck: die sahen aus wie Zuckerplätzel und Brustküglein von verschiedenen Farben. Da sahen wir gehle geile Wort, vulgo Zötlein, Grünspan-Wort, azurne, schwarze, güldne Wort die, wenn wir sie ein wenig in den Händen wärmten, wie Schnee zergingen. Wir hörten sie auch wirklich, aber verstandens nicht, (denn es war eine barbarische Sprach,) ein ziemlich grobes ausgenommen, das, wie's Bruder Jahn in der Hand erwärmt', einen Kracher thät wie ungestippte Kästen auf Kohlen, wann sie platzen; daß wir vor Schrecken zitterten. – Dieß war, sprach Jahn, zu seiner Zeit ein Karthaunen-Schlag. – Panurg ersucht' Pantagruelen ihm mehr zu geben, aber er antwort ihm, Wortgeben wär der Verliebten Sach. – So verkauft mir welche, sprach Panurg. – Das ist der Advocaten Sach, antwort Pantagruel, Wortverkaufen. Lieber möcht ich euch Schweigen verkaufen, und noch viel theurer; wie's schon Demosthenes einst verkauft hat, mittelst seiner silbernen Halsklamm. Gleichwohl aber warf er uns doch noch drey bis vier Händvoll aufs Verdeck.

Da sah ich auch sehr spitzige Wort, sehr blutige Wort die, wie der Steuermann uns versichert', zuweilen an den Ort umkehren von wo sie ausgehn: es war nichts als Kehlabschneiden, schauderhafte und andre wüste, wilde Wort, unhold zu sehn: wenn die zerschmolzen, klangs heng, heng, heng, heng, hiß, tick, piffpaff, pardauz, brededeng, brededack, frr, frrr, frrr, bu, bu, bu, bu, bu, bu, bu, bu, bu, bu, track, track, trr, trr, trr, trrr, trrrrrr, hong, hong, hong, hong, hong, huhuhuhuhong, gog, magog, und ich weiß nicht was noch für Rothwelsch alles, und sagt' der Mann, das wären die Sturm- und Stoß-Vocabeln, das Pferdewiehern am Tag der Schlacht, wann die Heer auf einander träfen. Hörten dann auch noch andre grobe, die klangen im Aufthau'n theils wie Trommeln und Pfeifen, theils wie Zinken und Trommeten. Kurzweil gabs da genug für uns, traut[184] meinem Wort. Auch wollt ich mir ein Paar Zötlein in Oel einlegen, wie Gefrorenes, sauber in Futterstroh; Pantagruel wollts aber nicht haben, denn er meint', es wär Thorheit aufzuheben was einem nimmer ausgehn könnt und stets zur Hand wär, wie Zötlein allen guten, muntern Pantagruelisten.

Dort ärgert' auch Panurg ein wenig Bruder Jahnen, daß er sichs schier zu Gemüthe zog; denn er nahm ihn euch plötzlich beym Wort, als er sich dessen mit nichten versah: und Jahn droht' ihm, er sollts noch bereuen in gleicher Weis wie Wilhelm Jousseaulme dem edeln Patelin das Tuch auf sein Wort verkauft zu haben bereut hätt, und daß er ihn, wo er ein Ehemann würd, beym Horn wollt nehmen wie ein Kalb, weil er ihn hier als einen Menschen beym Wort genommen hätt. Panurg dreht' ihm zum Spott den Affen, schrie dann laut und sprach: Wollt Gott daß ich hie gleich ohn weitern Thätig das Wort der göttlichen Boutelg fänd!

Quelle:
Rabelais, Franz: Gargantua und Pantagruel. 2 Bände, München, Leipzig 1911, Band 2, S. 183-185.
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