Vier und Funfzigstes Kapitel.

[178] Wie Schlottig dem Pantagruel gute Christ-Birnen gab.


Als Epistemon, Bruder Jahn und Panurg diese leidige Katastroph sah'n, fingen sie unter ihren Salveten zu mauzen an, miau, miau, miau! Doch thäten sie derweil als wenn sie sich die Augen wischten, gleich als hätten sie mitgeheult. Die Dirnlein hatten Lebensart und präsentirten volle Humpen Clementinweins rund herum, auch Zuckerwerk vollauf; so ging das Schmausen lustig von frischem an. Zu End der Tafel gab uns Schlottig eine Meng sehr grosser und schöner Birnen, wie ihr andrer Orten nicht finden werdet. Nicht jedes Land trägt jegliches. So wächst in Indien allein das schwarze Ebenholz, in Saba der gute Weihrauch; Lemnos giebt uns die Siegelerd. Dieß Eiland hie zeugt einzig diese schönen Birnen. Legt davon, wenns euch beliebt, in euerm Land Baumschulen an.

Wie, frug Pantagruel, nennt ihr sie? Sie scheinen mir sehr gut und saftig. Wenn man sie viertelt' und im Kastrol mit etwas Wein und Zucker sött, mein ich, es müßt ein heilsam Essen für Kranke wie gesunde seyn? – Nicht anders, antwort Schlottig, wir sind, Gott sey Dank! nur schlichte Leut, wir nennen Feigen Feigen, Pflaumen Pflaumen, und Birnen Birnen. – Wahrlich, sprach Pantagruel, sowie ich wieder in meine Wirtschaft zu Haus komm, (das so Gott will, bald seyn wird) will ich davon in meinem Garten in Tourain' an der Loir', erbaun und okuliren lassen; uns sollen gute Christ-Birnen heissen, denn keine bessern Christen hab ich in meinem Leben noch gesehn als diese guten Papimanen.

Ich wär nit bös, sprach Bruder Jahn, wenn er uns dafür zwei bis drey Kärchel von seinen Mädels mit auf[179] den Weg gäb. – Wozu? frug Schlottig. – Ey nun, antwortet' Bruder Jahn, ihnen Ader zu lassen, dicht zwischen den beyden grossen Zehen, mit einer Art besondrer Schnepper vom besten Schrot. Durch diesen Actus inoculirten wir ihnen gute Christ-Kindlein, und die Raß käm dann bey uns zu Land auch fort, wo sie ohnhin nicht viel werth sind. Potz Taus! rief Schlottig, ey potz Taus! das wollen wir wohl bleiben lassen. Daß ihr sie übern Gänsdreck führet, gelt? O ich sehs euch an der Nas an! und seh euch doch heut zum ersten Mal. He he he he! ihr seyd mir traun ein lieber Sohn! Wollt ihr zur Höll lebendig fahren? Unsre Decretalen verbietens. Ich wollt, ihr hättet die wohl innen! – Geduld! Geduld! sprach Bruder Jahn; aber, Si tu non vis dare, praesta saltem, quaesumus. Da ist Brevier-Materi, darinn nehm ichs mit Jedem auf, der Haar am Kinn hat, und wenns ein dreyschopfiger Dickthaler – nicht doch! ein Decretalien-Doctor wär.

Als abgespeißt war, nahmen wir vom Schlottig und all den lieben Leuten Abschied, bedankten uns unterthänigst bey allen, und versprachen ihnen, zur Vergeltung so vieler Güt, daß wir bey unsrer Ankunft in Rom dem heiligen Vater so zureden wollten, bis er sie fördersamst persönlich besuchen käm. Verfügten uns darauf in unser Schiff zurück. Pantagruel verehrt' dem Schlottig aus Großmuth und Erkenntlichkeit des heiligen Papst-Gesichts neun Stuck broschirten Goldbrokats zum Umhang vor sein Gitterfenster. Auch ihren Bau- und Gotteskasten ließ er mit doppelten Schlarfenthalern bis oben füllen, und jedem Dirnlein, soviel bey Tafel aufgewartet, neunhundert vierzehn güldne Salus zum Brautschatz reichen, seiner Zeit sie auszusteuern, wenn sie freyten.

Quelle:
Rabelais, Franz: Gargantua und Pantagruel. 2 Bände, München, Leipzig 1911, Band 2, S. 178-180.
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