Zwölfter Auftritt


[400] Habakuk. Voriger.


HABAKUK. Euer Gnaden verzeihen, daß ich meine Zuflucht zu Ihnen nimm, mit meinen gnädigen Herrn zu reden, ist zu halsbrecherisch. Da sind Euer Gnaden viel gütiger. Euer Gnaden haben mir doch nur Arm und Bein entzwei schlagen wollen, und unter zwei Übeln muß man das kleinste wählen, und da bin ich also an Euer Gnaden geraten.

RAPPELKOPF. Das ist gar ein dummer Mensch, ich kann gar nicht begreifen, wie mich etwas beleidigen hat können von ihm. Nu was hat Er denn?

HABAKUK. Ein Anliegen, Euer Gnaden.

RAPPELKOPF. Was denn für eines?

HABAKUK. Sehen Euer Gnaden, ich – Hält inne und seufzt tief. Ich halts nicht aus.

RAPPELKOPF. Was hält Er nicht aus? Beiseite. Das ist ein unerträglicher Kerl, mir steigt schon die Gall auf.

HABAKUK. Euer Gnaden wissen, daß ich das Bewußte nicht mehr sagen darf, und wenn das nicht anders wird, so muß ich zugrunde gehen.

RAPPELKOPF. Aber was hat Er denn davon, wenn Er sagt, daß Er zwei Jahr in Paris war?

HABAKUK. Unendlich viel, es hat alles viel mehr Achtung vor einem. Das hab ich schon viel hundertmal an andern bemerkt. Kurz, wenn ich das verschweigen muß, ich bekomme eine Gemütskrankheit, ich geh drauf.

RAPPELKOPF unwillkürlich lächelnd. Ich weiß nicht, soll ich mich ärgern oder soll ich lachen.

HABAKUK. Ich unterdruck es immer, und das macht mir Beklemmungen. Denn ich war zwei – Setzt ab. Sehn Euer Gnaden, mir wird völlig nicht gut.

RAPPELKOPF. Ja wegen was darf Ers denn nicht sagen?

HABAKUK. Er jagt mich ja fort.

RAPPELKOPF. Wenn er es aber nicht hört?

HABAKUK. Ja was glauben Sie denn, was der für Ohren hat, die gehn ja ins Unendliche.[400]

RAPPELKOPF. Schimpft in einem fort über mich und weiß es nicht. Was ich für Grobheiten einstecken muß! Scharf. Wenn ers befohlen hat, so muß Ers tun, ich kann Ihm nicht helfen.

HABAKUK. Also keine Rettung. Ich empfehl mich Euer Gnaden! aber es wird eine Zeit kommen, wo es zu spät ist. Ich habe meinen Dienst ordentlich versehen, ich hab keinen Kreuzer veruntreut, aber das ist meine Leidenschaft, von der kann ich nicht lassen.

RAPPELKOPF. Nu so sag Ers –

HABAKUK. Ich trau mich nicht.

RAPPELKOPF. Auf meine Verantwortung.

HABAKUK. Lassen sich Euer Gnaden statt mir fortjagen?

RAPPELKOPF. Nun ja –

HABAKUK. Nun so versichre ich Euer Gnaden, ich war zwei Jahr in Paris, aber das werd ich Ihnen nicht vergessen. Atem schöpfend, als fühlte er sich erleichtert. Das ist eine Wohltat, die nicht zu beschreiben ist.

RAPPELKOPF. Also ich erlaub es Ihm, von diesem Augenblick an, es wieder zu sagen, unter der Bedingung, daß Er nicht mehr über seinen Herrn schimpft.

HABAKUK. Oh, das ist ein Mann, wies gar keinen mehr gibt. Und jetzt erlauben Euer Gnaden, daß ich Euer Gnaden umarmen darf. Euer Gnaden sind mein Wohltäter, mein Vater! Heut bringt kein Mensch mehr ein anderes Wort aus mir heraus als: Ich war zwei Jahr in Paris.


Ab.


RAPPELKOPF allein. Es ist unglaublich, der eine möcht gern ewig verliebt sein, und dieser ist wieder zufrieden, wenn man ihm erlaubt, daß er sagen darf, daß er zwei Jahr in Paris gewesen ist. Es ist lächerlich, und doch findet er seinesgleichen. Es hat halt jedermann sein Steckenpferd.


Arie.


Die Welt, ich schreib ihr die Devise,

Ist bloß ein wahnberauschter Riese.

Der eine spräch gern mit den Sternen,

Der andre möcht gern gar nichts lernen,[401]

Der dritte denkt, zum Existieren

Müßt sich die Menschheit parfümieren.

Der läuft im Wahn dem Wasser zu,

Der andre läßt dem Wein kein Ruh.

Der ist so blöd wie ein Stück Holz,

Und jener kennt sich nicht vor Stolz.

Der sitzt und erbt zehntausend Gulden,

Der läuft herum und ist voll Schulden.

Oft möcht der eine avancieren,

Der andre möcht sich retirieren.

Der Blinde möcht gern Augen finden,

Und mancher sieht und möcht erblinden.

So dreht die Welt sich immer fort

Und bleibt doch stets an einem Ort.

Der Egoismus ist die Achse,

Der Hochmut zahlt am End die Taxe.

Die Erd, es kömmt darauf heraus,

Ist nur im Grund ein Irrenhaus.

Und wie ich nach und nach gewahr,

So bin ich selbst ein großer Narr.


Quelle:
Ferdinand Raimund: Sämtliche Werke. München 1960, S. 400-402.
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