Achtzehnter Auftritt


[85] Eduard.


EDUARD allein. Nun bin ich allein, ganz allein im wahren Sinne des Wortes, denn meines Vaters Tod hat mein ganzes Glück zernichtet. Welche Wunder umgeben mich seit meiner Kindheit! Sein Körper ist durch übernatürliche Mächte plötzlich vor unsern Augen verschwunden. Er hat mir oft versprochen, nach seinem Tode große Reichtümer zu hinterlassen, doch im ganzen Hause findet sich keine Spur eines Vermächtnisses. Was soll ich beginnen? Ich finde auch keine Hilfe bei Freunden, als den Sohn eines berüchtigten Zauberers flieht mich jedermann, was soll aus mir werden? Entsetzliche Lage! Verzweiflungsvolles Los! Wirft sich in einen Stuhl. Es wird von unten, wie an eine Tür, geklopft. Wer pocht? Herein!


[85] Die Hoffnung, auf einen goldenen Anker gestützt, kommt aus der Versenkung.


HOFFNUNG ist ideal gekleidet, spricht sehr lebhaft und munter. Sie pardonieren, mein Herr, daß ich die rechte Tür verfehlte, doch ein Frauenzimmer, die so viele Geschäfte hat wie ich, nimmt das nicht so genau. Nun, so heißen Sie mich doch willkommen! Sie sind ja ganz verblüfft.

EDUARD. Welch eine angenehme Erscheinung! Mir wird so wohl in ihrer Nähe!

HOFFNUNG. Wie? Kennen Sie mich nicht, junger Herr?

EDUARD. Ich habe wirklich nicht die Ehre –

HOFFNUNG. O pfui! Sagen Sie das nicht! Eine Person nicht kennen, die in allen Kalendern und Taschenbüchern schon bis zum Überdrusse abgebildet ist. Kennen Sie mich wirklich nicht? Ich habe Sie als Kind auf meinen Armen getragen, als Knabe Ihre Schmerzen versüßt, wenn Sie die Rute bekommen sollten, als Jüngling Ihnen die Leiter gehalten, wie Sie zu Ihrem Liebchen auf die Terrasse gestiegen –

EDUARD. Ach, Sie sind –

HOFFNUNG. Die Hoffnung, untertänigst aufzuwarten, nicht nur die Ihrige, sondern die der ganzen Welt.

EDUARD. Oh, so laß mich zu deinen Füßen stürzen, Tochter des Himmels –

HOFFNUNG. Langsam, mein Herr, nicht so rasch! Sieh, sieh, wie exaltiert. Hat Sie meine Feindin, die Furcht, schon verlassen, weil Sie so schnell wieder zu meiner Fahne schwören? Wissen Sie vielmehr, daß das sehr unartig ist, eine Dame vor sich stehen zu lassen, ohne ihr einen Sitz anzubieten? Oder glauben Sie, weil sich so viele Leute auf mich stützen, daß ich keiner Stütze bedürfe? Nein, mein Herr, einen Sitz. Eduard reicht ihr einen Sessel. So! Nun stellen Sie sich in der ersten Position vor mich und hören Sie, was ich Ihnen zu sagen habe.

EDUARD. Ich bin ganz Ohr.

HOFFNUNG hustet. Monsieur! Ich habe Ihnen ein sehr artiges Kompliment von meiner Schwester auszurichten.[86] Was glauben Sie wohl, wer das sei? Eduard zuckt die Achsel. Das Glück.

EDUARD. Das Glück? welch einen schönen Namen bringen Sie vor mein Ohr!

HOFFNUNG. Das könnte mich eifersüchtig machen. Mit einem Seufzer. Doch ich bin es gewohnt, von ihr verdrängt zu werden. Sie hat versprochen, Sie in Protektion zu nehmen, ich könnte Ihnen zwar sagen, daß sie eine leichtfertige Person ist, die sich sehr stark schminkt und nur von ferne schön ist, doch Sie werden mir nicht zumuten, daß ich imstande wäre, meine Schwester auszurichten. Jetzt zu meinem Auftrag. Meine Schwester läßt Ihnen sagen: Sie möchten sans façon in jener Ecke des Zimmers den Boden öffnen, einen goldenen Schlüssel herausnehmen und damit diese Wand aufsperren, das übrige wird Ihnen wie gebratene Hühner von selbst in den Mund fliegen. Ich aber habe die Ehre, mich als Ihre ergebene Dienerin zu empfehlen.

EDUARD. Wie? Sie könnten mich verlassen –

HOFFNUNG. Ihr Glück beginnt – meine Rolle ist ausgespielt. Hüten Sie sich, daß Sie mich nicht bald wieder rufen. Oder glauben Sie, ich habe nichts zu tun, als mit Ihnen die Zeit zu verschwätzen? In diesem Augenblicke bin ich zu Millionen bestellt, die nach mir schmachten. Advokaten, die ihre Prozesse gewinnen wollen, arme Gefangene, die auf Erlösung hoffen, Ehrgeizige, die mich jede Minute zu sprechen wünschen, des Heeres der Verliebten gar nicht zu gedenken, welches mich durch namenlose Aufforderungen fast zu Tode martert: Darum adieu – nun küssen Sie mir die Hand, Sie hoffnungsvoller junger Mann, adieu! Sie Loser, vergessen Sie nicht wieder auf ein Frauenzimmer, welches die Plage auf sich hat, Sie durch Ihr ganzes Leben begleiten zu müssen. Macht ihm einen Knix und geht durch die Tür ab.


Quelle:
Ferdinand Raimund: Sämtliche Werke. München 1960, S. 85-87.
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