Dreizehnter Auftritt

[533] Vorige. Flottwell.


FLOTTWELL froh. Heitern Tag, mein teures Mädchen, sei nicht böse, daß ich selbst so spät erscheine, denn meine Sehnsucht ist schon lang bei dir. Doch – sag! was ist dir? Du bist traurig! Wer hat dir was zu Leid getan? Quält dich die Eifersucht? Bist du erkrankt? Betrübt? Sprich! Oder willst du mich betrüben?

CHERISTANE steht bewegt auf. Dich? mein Julius, nein, das will ich nicht!


Schlingt ihre Arme um seinen Hals und legt ihr Haupt an seine Brust.


FLOTTWELL. So bist du halb nur die, die mich sonst ganz beglückt. Die frohere Hälfte fehlt, und nur die trübe ruht an meiner Brust. Komm, laß uns Frieden schließen, trautes Kind. Du ahnest nicht, was mich so freudig stimmt. Du sollst nicht länger hier in deiner Hütte weilen. Du mußt mir morgen schon nach meinem Schlosse folgen. Zu lange schmückt der Brautkranz deine seidnen Locken, er könnte sonst auf deiner Stirne welken. Die Welt muß als mein treues Weib dich grüßen, du darfst durchaus nicht länger widerstreben.

CHERISTANE. O, mehr' mein Leid nicht! Zieh mich nicht auf diese Höhe, sie zeigt ein Paradies mir, das ich nie betreten darf. Ich habe dich getäuscht! ich bin nicht das Geschöpf, das du in diesem Augenblick noch in mir suchst.

FLOTTWELL. Sei, was du willst. Hör nur nicht auf, die Liebenswürdigkeit zu sein. Drei Jahre sind es, als ich auf der Jagd mich bis hieher verirrt und dich zum erstenmal erblickte. Befremdend glänzte deine Schönheit in der niedern Hütte wie ein Edelstein in eines Bettlers Hand.[533] Du weihtest mir dein Herz. Doch durft ich niemals forschen, woher du kamst und wer du seist. Und sieh! ich war so folgsam wie ein Kind, nie hast du eine andre Frag gehört, als ob du mich auch immer lieben wirst. Du hast die Gegend in ein Eden hier verwandelt und pflanztest Blumen, wie sie nur des Indiers Träume schmücken. Ich hab dich nie befragt, woher dir solche Macht geworden ist, mir wars genug, daß dus für mich getan.

CHERISTANE. Dir waren sie geweiht, doch blühten sie umsonst. Sie sollten dein Gemüt in ihre duftgen Kreise ziehn und dich den wahren Wert des Glückes lehren. Ich hab es nicht erreicht. Zu wild ist deine Phantasie, zu hochbegehrend. Du willst, dein Leben soll ein schimmernd Gastmahl sein, und ziehst die Welt an deine goldne Tafel. Ach, möchte sie dirs einst mit Liebe lohnen!

FLOTTWELL. Sie wird es tun, zeig nicht so düstern Sinn. Komm, folg mir gleich, du bist durch Einsamkeit erkrankt.

CHERISTANE. Umsonst. Zu spät! Du kannst mich länger nicht besitzen, umarmst mich heut zum letztenmal.

FLOTTWELL wild und heftig. Es darf nicht sein. Wer wagt den Raub an meinem liebsten Gut? –

CHERISTANE. Das Schicksal!

FLOTTWELL. Glaub es nicht! Mein Glück hat Mut, so schnell läßt es sich nicht besiegen. Umschlingt sie. Ich laß dich nicht aus meinem Arm, selbst wenn du treulos bist, ich will dich lieben, bis du zu mir wiederkehrst.


Musik.

In diesem Augenblick fliegt ein roter Adler mit einer goldnen Krone auf dem Haupte über den See.


CHERISTANE. Hinweg von mir, Für sich. schon fühl ich meiner Macht Vergehen. Siehst du den purpurroten Aar, der sein befiedert Haupt mit einer Kron geschmückt?

FLOTTWELL. Was sprichst du da? Kein Vogel regt sich hier!


Musik.

Eine Gruppe von Nebelgestalten, deren Auge

drohend auf Cheristane gerichtet ist, fliegt über den See.[534]


CHERISTANE. Auch nicht die drohenden Gestalten, die mich an meine Heimkehr mahnen? Zieht nur voraus, ich folge bald.


Blickt starr nach.


FLOTTWELL. Mein teures Kind, wie bist du schwer erkrankt! Sag an, was sind das für Gestalten? und wer ist der gekrönte Aar?

CHERISTANE feierlich. Illmaha, die Feenkönigin. Sie sinkt nieder und beugt ihr Haupt. Dann fährt sie fort. Wisse denn, kein menschlich Wesen hast du an dein Herz gedrückt. Cheristane ist mein Name, ich bin aus dem Feiengeschlechte, meine Heimat sind die fernen Wolken, die in ewgen Zauberkreisen über Persien und Arabien ziehen.

FLOTTWELL. Ist in den Wolken Lieb Verbrechen, straft sie dort des Schicksals Fluch? dann wär ja die Erd ein Himmel und die Ewigkeit Exil?

CHERISTANE. Oh, höre mich, bevor du lästerst! Schon dreimal sind es sieben Jahre, daß ich euren Stern betrat. Um Wohltat auf der Erd zu üben, sandte mich die Königin. Sie drückte eine Perlenkrone auf mein ewig junges Haupt und sprach: In jeder dieser Perlen ist ein Zauber eingeschlossen, welchen du benützen kannst in jeglicher Gestalt. Verwende sie mit Weisheit zu der Menschen Heil. Wenn du die letzte Perle hast geopfert, ist auch dein Reich zu Ende, und du kehrst zurück, um Strafe oder Lohn vor meinem Throne zu empfangen. Weh dir, wenn du Unwürdige beglückst und so den edlen Schatz dem Dürftigen entziehst. – Pause, in der sie Julius wehmütig und bedeutungsvoll anblickt. Ob ichs getan, wird mir die Zukunft zeigen! – Ich hatte viele Perlen noch, als ich vor deines Vaters Schloß den siebzehnjährgen Julius erblickte. Du warst so hold wie Frühlingszeit, und ich vermochte nicht, mein liebgereiztes Aug von dir zu wenden. Von diesem Augenblick hatt ich dein Glück in mir beschlossen, und viele Perlen löste ich von meiner Krone ab und streute sie auf dein und deines Vaters Haupt. Daher der unermeßne Reichtum, den er sich in kurzer Zeit erwarb. Oh, hätt ichs nie getan! Er starb. Vom Undank nicht beweint,[535] von dir allein. Du wardst der Güter Herr, und nun erkannt ich erst, daß alles, was ich für dein Wohl zu tun gedachte, durch deine Leidenschaft dir einst zum Unglück werden kann. Ich konnte meinem Herzen länger nicht gebieten, ich führte dich hieher und hab seit dieser Zeit mein höchstes Glück in deiner Lieb gefunden. Nun ist der Traum vorüber. Meine Perlen sind verschwendet, und die letzte mußt ich heut noch deinem Wohle opfern. Einst hab ich nicht bedacht, daß sie das Sinnbild bittrer Tränen werden könnte.

FLOTTWELL. O Cheristane! was hast du getan? Ich laß dich nicht und werfe alles hin, wenn du mir bleibst. Und ziehst du fort, nimm auch mein Leben mit.

CHERISTANE. Oh, du bist freigebig gleich einem König, du könntest eine Welt verschenken, um einer Mücke Dasein zu erhalten. Doch ich will deine Großmut nicht mißbrauchen. Schenk mir ein Jahr aus deinem Leben nur. Ein Jahr, das ich mir wählen darf, auf das du nie mehr Anspruch machst.

FLOTTWELL. Oh, nimm es hin! Nimm alles hin! Nimm dir das glücklichste, das einzige, das die nichtswürdge Seligkeit umfängt, die ich noch ohne dich genießen kann.

CHERISTANE. Ich danke dir, ich werde dich nicht hart berauben. Und nun bin ich gefaßt, fall ab, du irdscher Tand! Nur dieser Fels mag ein geheimnisvoller Zeuge sein, daß Cheristane einst auf Erden hat geliebt. Wehmütige Musik. Sie verwandelt sich in die Gestalt einer reizenden Nymphe. Zugleich verwandelt sich die Hütte in einen Fels, der mit Blumen umwunden ist, von Palmen gleich Trauerweiden überschattet wird und in welchem der Name Cheristane eingegraben ist. Die praktikablen Blumen neigen sich und aus den Gesträuchen heben sich zarte Genien und sinken trauernd zu Cheristanens Füßen. Die Sonne sinkt, die Blumen neigen ihre Häupter, und meine Genien weinen still, weil sie mit mir die schöne Erde meiden müssen. Die Zeit ist da! Verbannung winkt!


Musik.


FLOTTWELL stürzt bewegt zu ihren Füßen. O Cheristane! Töte mich![536]

CHERISTANE. Hab Dank für deine süße Treu, mein teurer Erdenfreund! Was mich betrübt, ich darf es dir nicht sagen, darf dir nicht unser künftig Los enthüllen, doch könntest du des Donners Sprache und des Sturms Geheul verstehen, du würdest Cheristane um dich klagen hören. Oh, könnt ich meine Lieb zu dir in aller Menschen Herzen gießen, ich würde reich getröstet von dir ziehn!


Sie geht in die Kulisse. Die Genien folgen ihr. Musik beginnt.


CHERISTANE fliegt auf Rosenschleiern, die ein geschwelltes Segel formen, von Genien, welche zart gemalt sind, umgeben, so daß das Ganze eine schöne Gruppe bietet, langsam aus der Kulisse über den See, in welchem sich plötzlich die ganze Gruppe abspiegelt. In diesem Augenblick blickt sie noch einmal wehmutsvoll auf Flottwell und ruft. Julius, gedenke mein!


Dann verhüllt sie sich schnell in den dunklen Schleier ihres Hauptes, das sie trauernd beugt, und plötzlich verwandeln sich die rosigen Segelschleier in Trauerflöre, sowie die Gruppe der Genien nun in abendlicher Beleuchtung gemalt wie durch einen Zauberschlag erscheint. Der rosige Himmel umwölkt sich düster, und nur aus einem unbewölkten Feld schimmern ihr noch bleiche Sterne nach. Indem Cheristane in die entgegengesetzte Kulisse schwebt und


FLOTTWELL auf den Fels sinkt und ausruft. O Gott, laß mich in meinem Schmerz vergehn! Fällt der Vorhang langsam.


Ende des ersten Aufzugs.[537]


Quelle:
Ferdinand Raimund: Sämtliche Werke. München 1960, S. 533-538.
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