Fünfter Auftritt

[545] Voriger. Ein altes zahnloses Mütterchen, zerrissen gekleidet, auf dem Rücken einen großen Bündel Reisig.


DUMONT. Bon jour, Madame! Wo tragen du hin das Holzen?

WEIB. Nach Haus. Gleich ins Gebirg, nach Blunzendorf.

DUMONT. Blonsendorf? O schöner Nam! Du wohnen wohl sehr gern im Gebirge?

WEIB. Ah ja, 's Gebirge wär schon schön. Wenn nur die Berg nicht wären! Man steigt s' so hart.

DUMONT. Das sind der Figuren, die der Landschaft beleben. Oh, mir gefallen das Weib sehr.[545]

WEIB beiseite. Ich gfall ihm, sagt er. Ja, einmal hätt ich ihm schon besser gfallen.

DUMONT. Sie sein so malerisch verlumpt. Ich kann sie nicht genug betrachten.


Er sieht durch die einfache Lorgnette und drückt das linke Auge zu.


WEIB. Er hat im Ernst ein Aug auf mich; aber 's andre druckt er zu.

DUMONT. Du seien wohl verheiratet?

WEIB. Schon über dreißig Jahr.

DUMONT. Und bekümmern sich dein Mann doch noch um dich?

WEIB. Ah ja. Er schlagt mich fleißig noch.

DUMONT. Er slagen dich? Oh! Das sein nick schön von ihm.

WEIB. Ah, es is schon schön von ihm. Das ist halt im Gebirg bei uns der Brauch. Ein schlechter Haushalt, wo s' nicht raufen tun.

DUMONT. Unschuldige Freuden der Natur. Von dieser Seit muß sich das Bild noch schöner machen. Stell dich dort hin. Ich will dich gans von ferne sehen.

WEIB. Hören S' auf! Was sehen S' denn jetzt an mir? Hätten S' mich vor vierzig Jahren angschaut. Jetzt bin ich schon ein altes Weib.

DUMONT. Das machen deiner Schönheit eben aus. Du sein vortrefflich alt. Au contraire, du sollen noch mehr Falten haben.

WEIB. Warum nicht gar. Mein Mann sein die schon zu viel.

DUMONT. Du sein wahrhaft aus der niederländischen Schule.

WEIB. Ah beleib. Ich bin ja gar nie in die Schul gegangen.

DUMONT. Ick hab einer ganzer Sammlung solcher alter Weiber zu Haus.

WEIB. Jetzt ists recht. Der sammelt sich die alten Weiber, und die andern wären froh, wenn sie s' losbringeten.

DUMONT nimmt einen runden kleinen schwarzen Spiegel aus der Tasche, dreht sich um und läßt die Gegend abspiegeln. O quel contrast! Das Schloß! Der Wald! Der Weib! Der Ochsen auf der Flur! O Natur, Natur! Du sein groß ohne Ende.[546]

WEIB. Der Mensch muß narrisch sein. Jetzt schaut er sich in Spiegel und sieht Ochsen drin.

DUMONT. Hier hast du einen Dukaten. Jetzt hab ich dich genug gesehen.


Gibt ihr ein Goldstück.


WEIB rasend erfreut. Ah Spektakel! Ah Spektakel! Jetzt schenkt er mir gar ein Dukaten. Euer Gnaden, das ist ja z'viel, ich trau mir ihn gar nicht zu nehmen. Für was denn? sagen S' mirs nur.

DUMONT. Dein Anblick hat mit sehr viel Vergnügen verschafft.

WEIB. Nein, das hätt ich meinen Leben nicht geglaubt, daß ich mich in meinen alten Tagen sollt noch ums Geld sehn lassen. Ich dank vieltausendmal. Küßt ihm die Hand. Euer Gnaden verzeihen S' – Ich bitt Ihnen – hab ich Ihnen denn wirklich gfallen?

DUMONT muß lachen. Oh, du gefallen mir außerordentlich.

WEIB verschämt. Hören S' auf, Sie konnten ein altes Weib völlig verruckt machen. Nein, wenn das mein Mann erfahrt, der erschlagt mich heut aus lauter Freud. Ich sags halt. Wenn man einmal recht schön war und man wird noch so alt, es bleibt doch allweil noch a bissel was übrig.


Trippelt ab.


DUMONT sieht ihr nach. Ha! wie sie schwankt. Wie ein alter Schwan! Ich sein so aufgeregt, daß mir jeder Gegenstand gefallen.


Quelle:
Ferdinand Raimund: Sämtliche Werke. München 1960, S. 545-547.
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