Fünfter Auftritt


[244] Vorige. Hermione schnell.


HERMIONE. Wer ists, der mich begehrt, was will die bunte Menge mir?

NARR. Die Verzweiflung hält ihren Triumpheinzug hier.

HERMIONE. Hier ist nicht euer Platz, im Tempel sehn wir uns. Zu rasch war euer Geist.

DISTICHON. O Königin, laß mich zu deinen Füßen sterben.

HERMIONE. Stirb im Gedicht, nicht in der Wirklichkeit. Ein Distichon darf nur in Versen enden.

DISTICHON. An Knittelversen werd ich noch ersticken. Unmöglich ists uns heut, dich, Hohe, zu besingen. Es ist, als hätten wir alle nur einen einzgen hohlen Schädel, aus dem die Dummheit selbst mit einem ungeheuren Besen die Vernunft hinausgefegt. Ein Zauberkrampf zieht unser Hirn in einen dichten Knaul zusammen.

HERMIONE. Bist du mein Hofpoet, was sprichst du so gemein?

DISTICHON. Das ist das Schönste noch, was ich den ganzen[244] Tag gesagt, ich kann nichts Edles denken mehr, und wo ich hinseh, seh ich eine Fratze. Sieht auf den Narren.

NARR. Ich auch.

DISTICHON. Darum, o Herrscherin, verschieb den heutgen Preis, wir können dich heut nicht erringen, laß uns bis morgen Zeit, wenn du nicht unbesungen aus dem Tempel eilen willst.

HERMIONE. Die Furcht ist es, die euren Geist bestrickt. Wie? Wagt ihrs zu behaupten, daß hier außer euch kein Dichter lebt? Bestraft sei euer Stolz, ich halte meinen Schwur, und ich erneu ihn hier, und wenns ein Bettler ist. Verse will ich klingen hören. Hermione heißt der Stoff. Sieben ist der Stunde Zahl. Jetzt eilet hin und erjammert ein Gedicht, weil ihr zu feig es zu ersinnen seid.

DISTICHON. So leb denn wohl, du stolze Dichterbraut! Kommt, ihr enterbten Söhne lyrscher Muse, erleichtern wir durch Schimpfen unser edles Herz. Wir sind doch Genies der Welt zum Trotz, und wenn wir gar nichts wüßten, wissen wir doch das. Wir finden uns im Tempel ein, vielleicht, daß sich die Zaubernacht in unsern Köpfen lichtet, dann brüllen wir die Verse gegen seine Kuppel, daß sie erdröhnet und ihr dreifach Echo uns den Preis entgegenruft. Stürzt ab.

ALLE. Ja, das wollen wir.


Alle ihm nach.


NARR. Jetzt haben s' ihms geben. O ihr verseverarmten, prosaischen Bettelhunde.

HERMIONE. Das ist Apollos Werk. Amphio, nun hast du leichteres Spiel.


Quelle:
Ferdinand Raimund: Sämtliche Werke. München 1960, S. 244-245.
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