Siebenter Auftritt


[246] Vorige. Nachtigall mit der goldenen Harfe.


NACHTIGALL.

Arie

Serviteur, Serviteur!

Ist ihnen allerseits ein Ehr.

Ich bin ein großer Dichtersmann,

Das sieht mir jeder Narr gleich an,

Und schwimme übers Rote Meer

Als goldner Fisch aus England her.

Apollo selbst ist mein Herr Vetter,

Im Himmel lauf ich ab und zu,

Und erst mit alle andern Götter

Da bin ich gar auf du und du.

Kurzum, ich bin hieher gekommen,

Weil, wer ein Preisgedicht ersinnt,

So hab die Kunde ich vernommen,

Am ersten Ruf die Braut gewinnt.

Drum lach ich mir voll an den Bugel,

Der Sieg, ich wette drauf, ist mein,

Ich stiehl Fortunen ihre Kugel

Und scheib als Dichter alle Neun.


Hab ich die Ehre, die Prinzessin Hermione zu be trachten?

HERMIONE. So ist es, Freund, du hast dich nicht geirrt.

NACHTIGALL. Bin ungemein erfreut. Beiseite. Ah, das ist eine liebe Person, wenn die meine Frau ist, schau ich vierzehn Tag keine andre an. Zum Narren. Und wie heißt dieser Herr?[246]

NARR. Ich heiße Muh!

NACHTIGALL. Ein schöner Nam, so leicht, so flüssig, eine jede Kuh kann ihn aussprechen.

NARR. Ich hab ihn auch schon aus eines Esels Mund gehört.

NACHTIGALL. Vielleicht ein Anverwandter der Prinzessin?

NARR. Der Hofnarr bin ich hier.

NACHTIGALL. Hofnarr? fi donc! Da gehört Er in den Hof hinunter, Freund, und nicht im Saal herauf.

NARR. Heut ist schon so ein Tag, wo alle Narren eingelassen werden. Sonst wärst du auch nicht da.

NACHTIGALL. Also wie stehts mit uns, Verehrteste?

HERMIONE. Mit uns? Du sprichst sehr kühn, mein Freund.

NACHTIGALL. Ja, wer wird denn da viel Umständ machen, wir werden heut abend Mann und Weib.

HERMIONE lächelnd. Weißt du das so gewiß?

NACHTIGALL. Gar kein Zweifel. Sie sind der Preis, der ausgesungen wird, und ich der entsetzlichste der Dichter in der Welt. Das merkt man gleich an der – wie sagt man nur – nun, an Verschiedenen.

NARR. An der Ideenfülle hauptsächlich.

NACHTIGALL. Das will ich hoffen, die gefüllten Ideen sind immer besser als die ungefüllten, das ist so wie mit den Krapfen. Übrigens hab ich als Dichter eine außerordentliche Leichtfertigkeit. Ich hab schon über fünfhundert Trauerspiels geschrieben, und je mehr als ich schreibe, desto trauriger wird das Publikum.

HERMIONE. Kennst du den Homer?

NACHTIGALL. Nein, aber den Humor kenn ich, und der soll mir auch Ihr Herz erobern. Auch darf man gar nicht glauben, daß ich ein armer Teufel bin, ich hab in England schöne Revenüen.

NARR. Also nicht der arme Poet vom Kotzebue?

NACHTIGALL. Nein, der Reiche, aber es sind nicht alle so reich. Es gibt geschickte Dichter, wenn sie den Mund auftun, machen sie sehr witzige Ausfälle, aber wenn sie den Sack auftun, fällt ihnen nie was heraus. Doch zur Sache jetzt. Mein Herr Vetter, ein gewisser Apollo, ist mir die[247] vorige Nacht im Traum erschienen und hat mir Ihre Hand versprochen und den heutgen Abend zur Vermählung bestimmt. Machen Sie also keine Umstände und fügen Sie sich in seinen Willen. Meine Aufwartung hab ich gmacht. Ich werde jetzt noch ein kleines Jausenschlaferl machen, und dann fang ich zum Dichten an, daß der Rauchen aufgeht. Mit dichterischer Begeisterung. Und eh die Sonne in das Meer noch plumpst, bin ich so glücklich, Ihr Gemahl zu sein. Will ab.

HERMIONE. So lebe wohl, beweise bald, ob du ein Meister in dem Versbau bist.

NACHTIGALL. Was Bau? Verzeihen Sie, da muß ich nochmal umkehren. Ein Baumeister bin ich nicht. Das sag ich gleich.

HERMIONE. Ist nicht die Dichtkunst mit der Baukunst formverwandt? Denn wie der Bauherr Stein an Stein aus edlem Marmor füget, so reihet der Poet Gedanken an Gedanken und bindet sie durch seines Witzes Mörtel.

NACHTIGALL. Sie irren sich. Wissen Sie, was für ein Unterschied ist zwischen ein Dichter und einem Baumeister? Wenn einen Dichter etwas einfallt, ists ihm eine Ehr, wenn aber einem Baumeister etwas einfallt, das ist eine schöne Schand. Das glauben Sie mir, der ich die Ehre habe, mich zu empfehlen. Ab.

HERMIONE. Ein sonderbarer Mensch, ein Abenteurer ists, der hier sein Glück versucht, doch er erheitert mich.

NARR neidisch. Wenn der den Preis gewinnt, dann gibst du unterm Preis dich weg.

HERMIONE. Schweig, Narr, ein Dichter ist er nicht, doch besser scheinet sein Gemüt als deins zu sein. Und seine Laune könnte deiner leicht gefährlich werden. Verlaß mich jetzt.

NARR für sich. So muß sogar ein Narr auf seiner Höhe zittern? O undankbare Welt, da glaubt so mancher oft, er wär allein der Narr im Haus, da kommt ein andrer her und sticht ihn wieder 'naus, und dieser andre wird von einem andern andern dann verdrängt, und so zerstreiten sich die armen[248] Narren ums traurge Narrentum. Ein jeder möcht der größere sein, und jeder narrt sich selbst. O eitle Narretei, o närrische Eitelkeit, ich wollt, ich hätt brav Geld, dann mach ein Narrn, wer will. Ab.

HERMIONE allein. Gemeiner Neid, der selbst den Weisen schändet oft. O Amphio, wie wird man dich beneiden, wenn dich die Myrte und der Lorbeer schmückt.


Quelle:
Ferdinand Raimund: Sämtliche Werke. München 1960, S. 246-249.
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