Sechster Auftritt.

[145] Die Baronin. Feldkirch tritt ein.


FELDKIRCH der Baronin die Hand küssend. Guten Morgen Frau Nachbarin.

BARONIN. Wilkomnen in der Stadt, lieber Feldkirch.[145] Aber ehe wir von Geschäften reden, wie sagen Sie: »Der Sturm brauset über ihr Grab, oder über ihrem Grabe?«

FELDKIRCH. Was? über meinem Grabe?

BARONIN. Behüte! Sie mißverstehen mich. Ich frage, ob Sie sagen: »Der Sturm brauset über das Grab,« oder »über dem Grabe?«

FELDKIRCH. Keines von beiden.

BARONIN. Wie so? Eines von beiden müssen Sie doch sagen.

FELDKIRCH. Das sehe ich nicht ein. Wenn mir der Sturm im Forste, in den Gärten und an den Gebäuden keinen Schaden thut, so rede ich gar nicht davon. Was er mit den Gräbern macht, ist mir einerlei.

BARONIN. Wenn Sie aber diesen Gedanken auszudrücken hätten, wie würden Sie sagen?

FELDKIRCH. Ja so. Das weiß ich wirklich nicht. Hätte ich es zu sagen, so würde es von selbst kommen. Ueber's Grab? Freilich: der Tod läuft einem über's[146] Grab. Ueber'm Grabe? Freilich: wir sehen uns Bieder über'm Grabe. Ueber's Grab, über'm Grabe; über'm Grabe, über's Grab – Ach! das sind ja leere Schwindeleien. – Ich bringe Ihnen Geld.

BARONIN ihren Aerger unterdrückend. Herzlichen Dank für Ihre freundschaftliche Sorgfalt. Wie steht es auf meinen Gütern?

FELDKIRCH. Eben nicht schlecht; aber es könnte viel besser stehen. Ich thue, was ich kann, das wissen Sie.

BARONIN. Wie sollte ich nicht? Kenne ich doch auf der Welt keinen ehrlicheren Mann und tüchtigeren Landwirth.

FELDKIRCH. Ehrlichern Mann? Mag sein und ist mir lieb. Tüchtigern Landwirth? Das können Sie nicht wissen; denn nehmen Sie mir es nicht übel, Frau Nachbarin, davon verstehen Sie nichts. Wie gesagt, ich thue was ich kann; aber des Herrn Auge ist der Geist, der große Dinge thut. Sie müssen wieder heirathen.

BARONIN. Nein, lieber Feldkirch, das werde ich nie; diese Veränderung würde mich der Sphäre entreißen, in[147] der ich mich glücklich fühle, würde mich der Kunst entfremden. Wäre mein Gatte ein Uneingeweihter, so würde er meine Beschäftigungen als unnütz und ungehörig tadeln; wäre er eingeweiht, so würde er mir feine Ansichten aufdringen und meine künstlerische Freiheit dadurch beschränken wollen.

FELDKIRCH. Nun, meine Gnädige, Sie müssen nicht alle über einen Kamm scheeren. Ich z.B. wenn ich Ihr Mann wäre, meinetwegen möchten Sie schreiben so viel Sie wollten. Was sollten Sie auch anders thun? Die Wirtschaft verstehen Sie einmal nicht, und was Häuschen nicht lernt – – Sich etwa zwingen? Bewahre, dabei kommt nichts Gescheidtes heraus. Ich habe schon oft, so wie jetzt, darauf angespielt.

BARONIN. Und ich habe Ihnen zu verstehen gegeben, daß es nicht möglich ist.

FELDKIRCH. Warum denn nicht? Ich wurde an demselben Sonntage Vormittags confirmirt, wo Sie Nachmittags getauft wurden. Seit der Zeit habe ich Sie geliebt, und immer nicht heirathen wollen, bis Sie erwachsen wären. Als Sie es endlich[148] waren, kamen die schlechten Jahre, wo es so viel Kummer und Kreuz in der Landwirtschaft gab, daß kein vernünftiger Wirth an's Freien denken konnte. Unterdessen kam der selige Fliedershausen, war Präsident, steinreich, trug einen Orden, und Punktum: Gott habe ihn selig! Sie sind nun schon drei Jahre Wittwe; unsere Güter grenzen; unsere Jahre passen; wir kennen einander von der guten wie von der schwachen Seite: also dächte ich –

BARONIN ihm die Hand reichend. Nein, lieber Feldkirch! es ist unmöglich: ich bin einmal herausgetreten aus dem Kreise des Alltagslebens und will nicht das Schicksal der unglücklichen Sappho haben.

FELDKIRCH. Nun, die habe ich nicht gekannt.


Quelle:
Ernst Raupach: Dramatische Werke komischer Gattung. Hamburg 1829, S. 145-149.
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