Neunter Auftritt.

[207] Der Baron. Die Baronin kommt zurück.


BARONIN. Willkommen, Herr Baron. Welch eine Ueberraschung, Sie hier zu sehen! Wollen Sie nicht gefälligst Platz nehmen? Wie haben Sie denn den Sommer zugebracht?

BARON. Ich kann nicht sagen heiter, auch erwarten Sie wohl diese Antwort nicht, meine Gnädige?

BARONIN. Ich meinte, wo?

BARON. Auf meinen Gütern, gnädige Frau. Jetzt führt eine notwendige Reise mich hier durch. Ich fand Ihren verehrungswerthen Oheim, und von ihm erfuhr ich, daß auch Sie hier wären. Auf ihn also fällt ein Theil der Schuld, daß ich Ihre den Musen geweihte, so schöne Früchte bringende Einsamkeit störe.

BARONIN. Wie, Herr Baron, auch hier Schmeicheleien? –

BARON. Schmeichelei? Es wäre betrübend für mich, wenn Sie das wirklich glaubten, gnädige Frau:[208] Sie hätten es dann nie der Mühe werth geachtet, in der längern Zeit, wo ich das Glück Ihres Umgangs genoß, auch nur einen prüfenden Blick auf ich zu werfen.

BARONIN. Thue ich Ihnen Unrecht, so ist es Ihre Schuld, denn Sie verläumden sich selbst durch Ihre galanten Wendungen.

BARON. So mögen die Wendungen erscheinen, wenn der Verstand die Worte des Herzens auslegt.

BARONIN. Das müssen Sie meiner Beschäftigung zuschreiben, wo auch im Augenblicke der Begeisterung doch der Verstand die Zügel halten muß.

BARON. Darf die Welt hoffen, bald wieder ein schönes Geschenk von Ihnen, gnädige Frau, zu empfangen?

BARONIN. Ein Geschenk, – es mag sein; aber ob ein schönes – –

BARON. Wie anders? Die Musen sind Ihnen die höchste Gunst schuldig, als Entschädigung für den Genuß, den Sie ihnen aufopfern.[209]

BARONIN. Einen Genuß?

BARON. Sollte es für ein Herz, wie das Ihre, kein Genuß sein, Andere zu beglücken?

BARONIN. Beschränktheit ist einmal des Menschen Loos. Wir sind zu klein, um mehr als einen Wirkungskreis auszufüllen, und, zur Wahl gezwungen, wählen wir natürlich den, zu dem wir uns am meisten berufen fühlen.

BARON. Es heißt zwar, daß man auch im Gebiete der Kunst auf Dornenpfade stoße.

BARONIN. Vielleicht; und wenn auch. Wir Frauen kommen gewiß leichter darüber weg, weil wir leiser auftreten.

BARON. Sie sind aber auch zarter und daher leichter zu verwunden.

BARONIN verlegen. Allerdings.

BARON. Und um wie viel schmerzlicher muß jedes Leiden in einem Lebenskreise sein, wo der Mensch durchaus[210] allein steht, nur allein stehen kann. O! gnädige Frau, ich wünschte, Sie wären in irgend einer Verlegenheit, ja, in einer Gefahr, daß ich Ihnen beweisen könnte, für Sie zu handeln, Sie zu vertheidigen, zu beschützen, sei das höchste Glück meines Lebens.

BARONIN. Ich glaube es Ihnen, lieber Baron, und erkenne gewiß dankbar Ihre freundschaftliche Gesinnung, die auch genügend Ihren sonderbaren Wunsch erklärt. Doch dem Himmel sei Dank, ich bin weder in Verlegenheit noch in Gefahr.

BARON. Nicht? – In der That – ich glaubte. Ihr Oheim ließ einige Worte fallen – nannte einen gewissen Löwenklau –

BARONIN sehr verlegen. Wie? mein Oheim? Ist es möglich?

BARON. Leider schien er von der Sache selbst nur wenig unterrichtet.

BARONIN sich mit Gewalt sagend und zum Lachen zwingend. Natürlich! wie könnte er es auch mehr sein. Das Ganze ist weiter nichts, als eine unschuldige. Mystification, die ich mir mit dem streitsüchtigen[211] Oheim erlaubt habe. Ich schreibe nämlich ein kleines Lustspiel, worin dieser Löwenklau die Hauptperson ist.

BARON. Ein Lustspiel?

BARONIN. Allerdings, und da es mein erster Versuch in dieser Art ist, so bin ich freilich in einiger Verlegenheit, ja in Gefahr gänzlich zu scheitern.

BARON. Ein Lustspiel?

BARONIN. Nun ja! Befremdet es Sie, Herr Baron? Trauen Sie mir es nicht zu?

BARON. O gewiß – ganz zuverlässig. – Also ein Lustspiel? Es wird doch heiter endigen?

BARONIN. Natürlich, es ist ja ein Lustspiel.

BARON. Ein Lustspiel! Bei Seite. Alles vergebens! Laut. Gnädige Frau, ich will nicht länger stören, um so mehr, da ich noch diesen Abend weiter zu reisen gedenke. Es gewährt mir hohe Freude, Sie in so heiterer Stimmung gefunden zu haben, daß Sie[212] ein Lustspiel dichten können. Beehren Sie diesen Winter die Residenz wieder mit Ihrer Gegenwart, so werde ich dort das Glück haben, Ihnen mit allen Gebildeten zu huldigen.

BARONIN. Sehr gütig, Herr Baron. Reisen Sie glücklich!


Der Baron empfiehlt sich und geht ab.


Quelle:
Ernst Raupach: Dramatische Werke komischer Gattung. Hamburg 1829, S. 207-213.
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