53. Wat einen Spitzbauwen hollen kann

[333] »Na, Dins', du hest den Hamel namen,

Gestah, min Sähn, süs giwwt dat wat,

Süs lat'ck di up den Puckel kamen«,

Seggt de Stadtrichter Roggenbladd.

»Je, Herr«, seggt Dins', »dat's all recht gaud;

Mi ward man gor tau swack tau Maut,

Mi schüdd't as Fewer dörch de Knaken,

Sall'ck nich dat Finster apen maken?

En beten frische Luft, Herr Stadtgericht!«

Un as hei de Verlöwnis kriggt,

Makt hei dat Finster up un seggt:

»Nu noch ne Pris', denn kem'ck t'recht,

Denn wull'ck ok allens ingestahn,

Wo't mit dat Hamelstehlen gahn;

Ick fäul mi ganz gefährlich matt.«

»De sallst du heww'n«, seggt Roggenbladd[333]

Un halt ut sine Tasch de Dos',

»Hir nimm di ein un denn legg los!«

Dins' nimmt sick denn 'ne gaude Pris'

Un geiht verlur'n, so ganz quanswis',

En beten an dat Finster ran,

Un Roggenbladd, de fängt nu an:

»Stadt Punschendorf und actum den ...

Wat willst du mit den Haut, min Sähn?

Lat mi doch minen Haut dor stahn!«

»De Haut«, seggt Dins', un set't den Haut sick up,

»De Haut, de paßt mi wunderschön.

Adjüs ok, mine Herrn!« Un wupp!

Is hei behen'n ut't Finster rut,

Un de Akzessers un de Richter,

De sitten binn'n mit lang Gesichter

Un seihn as drei Ölgötzen ut.


Na, dit is gaud, uns' Dins' was fläuten;

Doch würd dat gor so lang nich wohren,

Dunn grepen em sick de Schandoren,

Dunn würd dat wedder »kuschen« heiten.

Doch hett dat gor so lang' nich durt,

Dunn was uns' Dins' mal wedder furt,

Bet s' em taufällig wedder kregen.

Dunn sett hei wedder in den Drögen.

Doch würd dei Tid tau lang em mal,

Denn brummt hei ut, denn kamm hei wedder

Un kreg en Dutzend up dat Ledder.

So gung dat ümmer up un dal,

So gung dat ümmer Dag för Dag,

As wir dat Lock en Duwenslag.

Mal was hei wedder rute flagen,

Dunn seggt de Richter tau den Slüter:

»Dor sall en Dunner rinne slagen!

Lat ji den Kirl mi wedder lopen

Un löppt de Lus mi äw're Lewer,[334]

Ick jag jug furt, jug alltauhopen;

De Lüd', de red'n jo dor all äwer.«

Oll Slüter Meier treckt de Schuller

Un seggt tau sick, vel leiwer wull'e

Flöh häuden gahn as Dinsen möten;

De würd em noch in't Unglück stöten.


Dins' is nu weg 'ne lange Tid.

Doch as de Winter ranne tüht,

Will't buten em nich mihr behagen.

Un as oll Slüter Meier liggt,

So nah Martini in de irsten Dagen,

Des Nachts un drömt von't Stadtgericht,

Wo s' wull'n em von den Posten jagen,

Dunn kloppt dor wen an't Finster an.

»Wer is dor?« fohrt de Slüter up.

»Ick bün't.« – »Wat is dat för en Ick?«

»Ick, Dins'. – Mak mi man wedder up!«

»Meinst du, ick heww nich minen Schick?

Wo, ick süll di herinne laten?

För so'n Ort ward kein Dör upslaten;

Du, Hundsvott, löppst doch wedder furt.«

»Ne, Meier, ne! Ick holl nu ut.«

»Ick weit Bescheid; so lang', as't durt.«

»Wohrhaftig nich! Kumm her un slut

De Dör mi up un lat mi rinner!«

»So, dat mi nahst mit Fru un Kinner

De Herr Stadtrichter jagen deiht.«

»Ne, Meier, ne! Bi Seel un Seligkeit

Swör ick di einen heil'gen Eid,

Ick holl di, wat ick eben seggt.«

Na, uns' oll Slüter Meier steiht

Nu ut dat Bedd up: »Na kumm her!

Nu holl drei Finger mal tau Höcht,

Entfamte Spitzbauw, un denn swör!«

Un Dins', de swört, un Meier lett em[335]

Nu wedder in sin Lock herin

Un ward em Nummer Säker setten.


Des Morgens ward Gerichtsdag sin,

Un Meier kümmt tau den Stadtrichter:

»Herr, Dins', de is nu wedder fast.«

»Ja«, seggt de, »es ist die ewige Geschichte:

Heut haben wir den saubern Gast,

Und morgen ist er aus den Toren!«

»Ne, Herr, ditmal hett hei mi't sworen

Mit einen körperlichen Eid,

Dat hei bi uns uthollen will.«

»Holl Hei sin Mul, un swig Hei still!

Hei is en Schapskopp, dat Hei't glöwen deiht.

De swört teihn Swür in einen Aten.

Ick hadd nich glöwt, dat Hei so dämlich wir.«

»Je, Herr, ick trug ok nich sin Swür,

Up de dauh'ck mi ok nich verlaten,

De holl'n em nich, wenn hei utkratzen will;

Ne, Herr, ick trug blot up de Küll.«

Quelle:
Fritz Reuter: Gesammelte Werke und Briefe, Band 2, Rostock 1967, S. 333-336.
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