62. Wo is dal Fü'r?

[359] Wer in Demmin sünst hett verkihrt,

De kihrte dunn bi Böckel an;

Wer in »Stadt London« nu logiert,

Logiert bi Buck, so heit de Mann.

Dat is de Lop so in de Welt,

Un wenn't di just ok nich geföllt,

Dat helpt di nich, du möst mit ran:

Is hüt din Utseihn jung un smuck,

Büst morgen du en ollen Mann;

Wat »Küken« heit, dat ward 'ne Kluck;

Un ut en Böckel ward en Buck.

Un sünd wi nu ok olle Lüd',

So denk wi girn noch an de Tid,

Wo sei uns tellten tau de Jungen

Un wi as Häuken rümmer sprungen.

Un hellsch fidel un häglich was't,

As Böckel Wirt un Piter Gast;

So as de Gast was, was de Wirt.

Dunn würd mit Narenkappen lüdt,

De Esel bi den Start upschirrt;

Sin'n Nar'n hett jeder Zucker gewen[359]

Un Düwels-Jux un -Ulk bedrewen;

Dunn würd in männig lustig Nacht

De Sorg' tau'r Husdör rute lacht.

Doch hett de Sak mal gruglich en'nt,

As Piter rep: »Kreuz Element!

Herr Böckel, rut! Ehr Hus, dat brennt.«


Doch de Geschicht will ick vertellen.

Eins seten lustige Gesellen

Bi Win in de »Stadt London« wedder.

Herr Böckel, de gung up un nedder

Un ded so recht vergnäuglich sin,

Sin Wirtshus was bet baben vull.

Dunn klingelt buten dat verdull,

Un Piter Krohn, de kümmt herin

Un makt denn glik en groten Larm.

»Kellnär, en Zimmer gleich! Un warm!

Was gibt's zu essen? Karte her! –

Kalbsbraten, Beefsteaks, Ribbespeer –

Mir Beefsteak, Eier drauf geschlagen!

Doch erst en Kognak für den Magen!«

»Je«, seggt nu Böckel »'s tut mir leid,

Die Zimmer sind besetzt für heut;

Ich habe leider kein Quartier.«

»Was? Hier kein Zimmer mehr für mir?«

»Herr Krohn, bedaur', ich kann nicht dienen,

Hab kein apartes mehr for Ihnen.

Indessen doch – en Ausweg weiß ich,

Auf Nummero dreihundertdreiunddreißig

Logiert aus Gladbach ein Herr Joseph Timm.«

Un flustert em nu tau mit lise Stimm:

»Taum irstenmal, is noch so'n Gräunen,

Wenn Sie mit dem sich könnten einen,

Dann ließ die Sach sich arrangieren,

Sie könnten dann bei dem logieren.«

Na, Piter Krohn, de söcht sick dissen[360]

Un drinkt tausam mit Josep Timmen

'ne Buddel Spon von Josep Nissen

Un ward em för den Anslag stimmen.

»Je«, seggt hei denn, »mein lieber Timm,

Ein Umstand ist dabei nur schlimm:

Nachtwandeln, könn'n Sie dat verdragen?«

»Je, ich ...« – »Nein, Freundchen, still! Ich weiß,

Was Sie mir alles können sagen –

Nein, nein! So wahr ich Piter heiß,

Ich habe keinen noch geschlagen,

Keinen gewürgt, das G'nick ihm umgedreht

Und mich in der Fatalität

Nur höchst gemütlich stets betragen.

Und sollt es leider heut gescheh'n,

Daß Sie mich schlafend wandeln sehn,

So rufen Sie nur: 'Piter Krohn!',

So wie Sie rufen, wach ich schon.«

Na, Josep Timm seggt: »Schön!« un geiht tau Bedd,

Doch unse leiwe Piter hett

Sick noch 'ne lange Tid mit ein'n gewissen

Herrn von Laros' un von Lafitt',

Mit de hei girn tausamen sitt,

Vel Schön's vertellt von Josep Nissen.

Un as den Stoff hei gründlich hett verhandelt

Nimmt hei sin Licht, steiht up un wandelt

Mit sihr verquere Beinphilosophie

De Trepp herup nah sin Logis.

Still rauht dor Josep Timm, un Piter Krohn

Pöllt sick ut sin Kledasch' herut,

Dunn hürt hei buten so'n Ton,

So'n Larmen ward't un so'n Gelut!

Hei makt dat Finster up un kickt heraf,

Dunn rönnt vörbi in vullen Draf

En oll Nachtwächter un schriggt: »Fü'r!«

Un Piter fröggt, wo't Füer wir?

Ob in de Stadt, ob mang de Schünen?[361]

»Ne«, röppt de Kirl, »das brennt bei Ihnen!«

Na, Piter nu, de prallt taurügg,

Grippt irst nah sinen Prauwenkasten –

»Ne, ne! De hett noch Tid! Den nich!

Ne, irst de Hos'! Ne, nich! De nahsten!

Irst Josep Timm, de künn verbrennen!«

Un ward an't Bedd heranner rönnen

Un kriggt em packt bi Hor un Fell

Un springt in'n Hemden vör em rüm.

»Heraus! Heraus! Herr Joseph Timm!

Es brennt bei uns, hier im Hotel!«

De springt ut Pitern sine Hän'n

Nu pil tau Höcht un hell tau En'n

Un denkt, uns' Piter wandelt Nacht,

Un röppt: »Herr Krohn, Herr Piter! Aufgewacht!

Sie sagten doch, Sie hätten keinen

Gewürgt und keinen umgebracht,

Warum denn mir? Herr Piter, mir?

Herr Jes! Nu rennt er aus der Tür!«

Un Josep Timm

Nu achter drin!

»Ei Gott, Herr Jes im Himmelsthron,

Herr Piter, Piter, Piter Krohn!«

Je, hett sick wat tau Pitern un tau Krohnen!

Uns' Piter rönnt in'n Hemden blank

Mit »Fü'r! Fü'r!« den Gang entlang

Un ward nich Bein un Lungen schonen.

Un ut de Timmern links un rechts

Im tweiten un im drüdden Stock

Stört't all'ns in Hos' un Unnerrock,

Wat männlichen un weiblichen Geschlechts.

Un't ward dor in den halben Düstern

So'n Rönnen, Lopen un Verbistern.

Herr Kreihenbom up Holtenhagen

Ward nah sin Döchter schri'n un fragen.

En Kopmann söcht sin leiwes Wiw.[362]

De hett in Angst den Arm üm't Liw

Von einen jungen Leutnant slagen,

Halw dod bi dese Schreckenspost,

Un rauht an sine Heldenbost.

De beiden lütten Kreihenböhmings,

De heww'n sick richtig so'n por Strömings

Ut ehr Bekanntschaft rute gabelt

Un liggen bleik ehr in den Arm.

Madam Perdöhl hett in den Larm

En Judenjungen rute kabelt

Un liggt mit ehr twölw Stein Gewicht

Den armen Mauses fast taunicht,

Un bi ehr steiht ehr Nahwer Smidt

Un strakt un deiht un tröst't un gütt

Ehr sin Waschbecken in't Gesicht

Un döpt den Judenjungen mit,

Un Piter steiht in den Krawall

Un schriggt, as wenn hei hängen sall,

Noch ümmer: »Fü'r! Dat brennt! Dat brennt!«

Un Josep Timm hett bi dat End

Von't Hemd em packt un treckt un lacht:

»'s ist all' nicht wahr! 's ist all' nicht wahr!

Herr Piter träumt nur von Gefahr,

Herr Piter Krohn, der wandelt Nacht.«

Un de Verwirrung würd so grot

As bi den Babylonschen Torm,

Doch wir s' wohrschinlich gröter word'n,

Wir Krinolin dunn all in Mod'.

Na, endlich kümmt denn von't Parterr'

Von dat Hotel herup de Herr,

Herr Böckel, hellisch in Verdruß,

In puris naturalibus,

Dörch Hemd un Nachtmütz swack versteken.

»Wer?« ward hei sihr in Arger spreken,

»Wer hett sick dat hir unnerstahn,

Hir baben Füerlarm tau slahn?«[363]

»Ich«, seggt uns' Piter, »Sie zu dienen!

Mir hat's der Wächter selbst gesagt.

Herr Böckel, Herr! Es brennt bei Ihnen!«

De Larm ward gröter nu dor buten,

Dor ward mit Sprütten rümmer jagt,

De Klocken gahn, de Wächters tuten.

»Ja, Füer is hir tau Demmin!

Herr Je, wo mag dat Füer sin?«

»Bei Ihnen!« röppt uns' Piter wedder.

Nu geiht dat denn Trepp up, Trepp nedder,

Nu ward in'n Hus' herümmer tüffelt,

Nah Brand un Damp un Rok rüm snüffelt

Von unn'n bet baben, vörn un hinnen,

Je, Fü'r is nahrends nich tau finnen!

Dunn föllt dat Herren Böckel in,

Den Wächter sülwst mal tau befragen.

Hei geiht herut, kümmt wedder rin.

»Herr Krohn, Sie mag der Deuwel plagen,

Uns solchen Schreck hier einzujagen!

Was kümmern Ihnen ungelegte Eier?

Beim Kaufmann Ihnen ist das Feuer.«

»Je, das«, seggt Piter nu, »das wußte

Ich nicht, er sagte ja 'bei Ihnen',

Womit er Ihnen meinen mußte;

Wie konnte ich das anders wissen?«

»Ach, still! Mein Herr, ich sah's, Sie schienen

Mir gestern allzusehr mit Joseph Nissen

Zu sein in süßer Harmonie.

Gehn Sie zu rechter Zeit zu Bette!

Studier'n Sie hübsch Orthographie!

Denn wenn der Wächter mich gemeinet hätte,

Denn hätt' er nicht gesagt: 'Es brennt bei Ihnen',

Er hätt' gesagt: 'Es brennt bei Sie.'«

Quelle:
Fritz Reuter: Gesammelte Werke und Briefe, Band 2, Rostock 1967, S. 359-364.
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