Dem HochEdlen / Gestrengen

und vesten Herrn /

H. Vincent Möller /

Dero Königl. Maj. zu Schweden

wolbesteltem Hofraht und

Residenten /

Auch dero zu Schleßwig / Holstein Regierenden

Hochfürstl. Durchl. Geheimen Raht /

Meinem sonders Großgünstigem / Hochgeehrtem

Herrn / und mächtigem

Gönner.

Hoch Edler / Gestrenger und Vester /

sonders Großgünstiger / Hochgeehrter

Herr Resident /

[210] Wann Jch die Flüchtigkeit dieses elenden / nichtigen Lebens is ernstlich bey mir betrachte / so befinde ich /daß in demselben anders nichts beständig sey / als nur dieses / nemlich unseren Gott hertzlich lieben / und in den allerrühmlichsten Tugenden sich üben. Die Liebe zu GOtt verursachet in unseren Hertzen eine sonderbahre Freude / und erfüllet die Seele mit einer himmlischen Liebligkeit und Klarheit / gegen welcher aller Weltlüste / sie mügen auch heissen wie sie immer wollen / nur wie Koht auf der Gasse sind zu schätzen. Die übung der Tugend / gleich wie sie eine überirrdische Bewegung ist / und von einer Gottliebenden Seele herrühret; Also schaffet und erhält sie auch ein fröliches / ruhiges Gewissen / reitzet den[211] NebenChristen an zu rühmlicher Nachfolge / machet uns willig unnd geschickt zu sterben / und bringet auch nach dem Tode einen so lobwerten / süssen Nachklang zu wegen / daß sie gleichsam die Gebeine im Grabe wiedrüm machet grünen / ja setzet die schiervergessene löbliche Thaten dergestalt wiedrüm an das Liecht / daß dessen auch offt die hinterlassene würcklich zugeniessen haben. Jn diesem Chor der Tugenden / welche uns gleichsam auß dem Schlamme erheben und sehr weit von der Erden und von allen dem jenigen / was jrrdisch gesinnet heisset / abführen /habe ich / meiner Weinigkeit nach / die Danckbarkeit / als eine sehr schöne Tochter deß guten Verstandes und der auffrichtigsten Neigung / von meiner Jugend an höchlich und hertzlich geliebet / die jenige allein für vernünftige Leute haltend / welche die empfangene Wolthaten is mit einer rechtschaffenen Danckbarkeit / die gantze Zeit ihres Lebens zu erkennen wissen.

Und eben diese Tugend ist es / welche mich auch zu diesem male reitzet und treibet / daß meinem hochgeehrten Herrn Residenten / als meinem großgeneigten Gönner und Wolthäter / ich dieses mein Friedejauchtzendes Teutschland unterdienstlich übergebe und für sein eigenes darreiche / keiner anderen Meinung / als allein hiedurch zu erweisen / wie gar gerne mit schuldigem Dancke meinem hochgeehrten Herrn ich wolte begegnen / wenn ich nur etwas in meiner Gewalt hätte / vermittelst welches ich dasselbe werckstellig machen könte.

Mein Großgünstiger Herr Resident lasse ihm doch nicht widerlich seyn / daß ich in dieser kurtzen Zuschrifft der gegenwertigen / vielleicht auch der künfftigen Nachwelt nur mit weinigem das jenige zuverstehen gebe / welches sonst eine grosse und weitläufftige Lobrede / ja wol ein gantzes Buch schwerlich könte fassen. Es geschiehet solches nicht eben zu dem Ende /[212] daß meines Herrn Residenten unvergleichliche Tugenden und fürtreffliche Eigenschafften hiedurch auf den Thron der Unsterblichkeit werden erhaben /angesehen selbige / ohne den jenigen Preiß / welches etwan von meiner stumpfen Feder könte herfliessen /gar wol wird bestehen; Sondern / daß beydes meine Freunde und Feinde mügen erkennen / wie wunderlich offt unser frommer GOtt rechtschaffene tapffere Leute erwekke / die sich meiner und anderen redlichen Gemühter / welche Kunst und Tugend lieben und üben /mit hertzlicher Treue / Aufrichtigkeit und Beständigkeit annehmen / und uns / so viel ihnen nur immer menschlich und müglich / beförderlich erscheinen. Es sind bereits etliche / ja ziemlich viele Jahre verflossen / als ich zum erstenmal die sonderbare Gewogenheit / womit mein hochgeehrter Herr meiner wenigen Person für vielen anderen sich zugethan erwiesen /klärlich habe verspüret / nicht wissend / was etwan denselben zu sothaner Gunstbezeigung gegen mir müge angetrieben haben.

Zwar / meinen Eigenschafften / dieweil sie so gar schlecht und von keiner sonderlichen Annehmligkeit oder Beliebung / darf ich es durch aus nicht zuschreiben / nur halte ichs gäntzlich dafür / daß / demnach mein großgeneigter Herr Resident / der grossen Liebe und Lust / welche ich jederzeit gegen allerhand gute Künste und Wissenschafften getragen / auch selbige zu erlernen mich unnachlässig bemühet / etwan wahr genommen / habe er / als ein hochgelehrter / wolversuchter / und der allerfürtreflichsten Sachen sehr erfahrner Herr und grosser Liebhaber / mir so vielfältige Freundschafft wollen erweisen / auf daß er mich üm viel besser müchte anfrischen / solchen lobwürdigen Verrichtungen mit grösserem Eifer und Ernst nachzuhengen / und solche Dinge zuerlernen / durch welcher Außübung zufoderst GOTT und seiner Kirchen /nachgehends auch manchem redlichen Menschen könte gedienet werden. Zu dem Ende hat er auch als ein solcher /[213] der viele fremde Länder / Königreiche und Völker in seinen kostbaren Reisen gesehen / deroselben Religion / Ordnung / Policinen / Regiment und Sitten mit höhestem Fleisse beachtet / und unterschiedliche fremde Sprachen zu seiner grossen Ehre und Nutzbarkeit erlernet und gefasset / mich vielmals mit sonderbarer Freundligkeit gleichsam gelehret und unterwiesen / von hohen und weitaußsehenden Staatsachen / seiner und vieler grossen Leute vernünfftige Meynung mir entdecket / ja zu besserer Erlernung derselben mit unterschiedlichen neuen / und von mir niegesehenen Bücheren in mehrerley Sprachen beschencket / und mich also niemalen ohne Vermehrung meiner / sonst schlechten Geschickligkeit und Erfahrung / auch Schärffung meines wenigen Verstandes /sehr wol vergnüget von sich gelassen / welche Gutthaten schon für sich so hoch unnd theur zu schätzen /daß sie mich billig reitzen und treiben selten / alle mügliche Mittel herfür zu suchen / Krafft welcher ich meine schuldige Danckbarkeit nur ein wenig gegen meinem Herrn könte blicken lassen.

Es hat aber mein hochgeehrter Herr Resident Gutthaten mit Gutthaten gehauffet / in deme er / unangesehen die Vielheit und Wichtigkeit seiner Geschaffte /mit welchen er in unterthänigster allergetreuster Bedienung einer so grossen Königinn / und deroselben hohen Staatsachen fast stündlich wird bemühet / nicht unterlassen wollen / meine weinige Person an meinem geringen Orthe vielmals zubesuchen / und solches fast kein eintziges mal ohne Erneuerung Seiner Wolthätigkeit / welche leutselige Freundschafft üm so viel höher von mir zu schätzen / daß er dieselbe nicht nur bey guten Tagen und wenn mirs glücklich und wol ergangen / sonder auch in meinem Unfalle und betrübten Zustande hat fortgesetzet / wie ich mich denn annoch sehr wol erinnere / daß / wie mir der liebe GOTT im nechst verflossenem Jahre ein nicht schlechtes Unglück und[214] Haußkreutz hat zugeschicket / in deme ich mit einem hohen Wagen von einem gähen Hügel herunter stürtzend / mein Schulterblatt dergestalt zerschmettert / daß ich ungläubliche Schmertzen deßwegen habe außstehen müssen; Mein großgeneigter Herr und Günner damals alle seine schwere Verrichtungen beyseit gesetzet / ungesäumet zu mir herauß kommen / mit gutem Raht und Trost mir beygesprungen / auf das freundlichste zugesprochen / nachgehends zu Erkaufung eines anderen und bequemeren Wagens mit milter Hand gar behülflich sich erzeiget / ja sich meiner nicht anders / als wäre ich etwan sein leiblicher Bruder oder nähester Blutsverwanter / getreulichst hat angenommen / massen ich auch noch ferner nicht vorbey kan / seiner Freygebigkeit hochrühmlich allhier zugedencken / welche er mir in eben demselben Jahre / da mir alle meine / so saur erworbene Baarschafft dieblicher Weise entwendet /und ich dadurch aller Lebensmittel gäntzlich ward beraubet / so vielgünstig hat erwiesen / in dem er der allererste gewesen / der nach solchem erlittenen grossen Schaden mich mildiglich wiedrüm beschencket / ja auch hertzlich gerne andere fürnehme Herren und Freunde zu gleichmässiger freygebigkeit überredet /auch wol ein ansehnliches erhalten hätte / wenn theils deroselben Gemühter so wenig als meines Herrn Residenten getreues Hertz an dem Mammon hatten geklebet / wiewol ich nicht läugne / daß gleichwol etliche / jedoch gar wenige / unter welchen zwene fürnehme / und bey Königen und Fürsten / in hohen Aemteren sitzende tapffere Edelleute und Rähte gewesen /sich auch hochgünstig gegen mir erzeiget und klärlich dargethan / daß ihnen mein Unfall nicht weiniger / als hätte er sie selbst getroffen / zu Hertzen gienge / massen sie solches nicht nur mit Worten / sondern vielmehr thätlich und im Wercke erwiesen / welches der Geber[215] alles Guten diesen und anderen meinen Wolthäteren mit reichem Segen ungezweifelt wird vergelten.

Damit ich aber die Ursachen / welche mich angetrieben / dieses mein Friedejauchtzendes Teutschland meinem hochgeehrten Herrn Residenten für vielen anderen zuzueigenen / noch ferner müge entdecken; So bleibet mir ja billich in frischer Gedächtnisse / das günstige Versprechen / welches über alle / oberzehlte / viele / mir erwiesene Gutthaten / auch meinem Sohne für etlicher Zeit von ihme geschehen / wo durch mein Herr sich freywilligst hat erbotten / daß er demselben / so lange er in dem wolbestelten / löblichen Gymnasio zu Hamburg / unter der getreuen Auffsicht und fleissiger Unterweisung dessen hochgelehrten Professorn und weitberühmten Männer sich würde auffhalten / zu Erkauffung nützlicher und nöhtigster Bücher ein gewisses Geld jährlich wolte darreichen lassen / und wenn er künfftig auff hohen Schulen würde leben sollen / ihme sothane Freygebigkeit gedoppelt / und ferner alle mügliche Beföderung erwiesen werden / daß ich also nebenst meinem Sohne ja die grösseste Ursache habe / nicht allein solcher unverdienten Gewogenheit uns höchlich zuerfreuen /sondern auch Tag und Nacht auf Mittel bedacht zu seyn / wie wir samt allen den lieben Unserigen sothane Liebe unnd Gutthaten gegen meinen hochwehrtesten Herrn Residenten und allen den jenigen / welche ihm lieb und angenehm sind / nur in etwas mügen erwideren / denn / solche seine Wolthaten mit vollenkommener Danckbarkeit zuverschulden / ist uns so weinig thunlich / als es meinem Herrn müglich ist /aufzuhören / mir und den meinigen alles Liebes und Gutes zu erweisen.

Wer siehet nun hierauß nicht / wie hoch und theur die rühmliche Tugenden zu schätzen / welche auß einem recht Edlen Gemüte und hohem Verstande / mit Kunst und Geschickligkeit begleitet herfliessende / so herrliche Wirckunge haben / gestalt denn ein jedweder offenhertzig wird bekennen müssen /[216] daß solche hochlöbliche Gemüthsneigunge bey einem nichtswissendem unerfahrnem Menschen / wenn er gleich in seinen Schätzen und Reichthümeren biß an die Ohren lege vergraben / sich nimmermehr werden finden lassen. Erscheinet derowegen heller als die liebe Sonne / daß meines hochgeehrten Herrn Residenten Hertz / Sinn und Gemühte / welches durchauß nicht an dem irrdischen und Vergänglichen klebet / sondern mit und durch die Tugend sich gleichsam über die Sterne erhöhet und Himmelan schwinget / für allen Dingen die Beföderung der Ehre Gottes / Fortsetzung und Außübung mancherley Künste / Wissenschafften und Sprachen / Unterhaltung treubeständiger Liebe und Freundschafft / Aufmunterung und Erziehung der studierenden Jugend / schließlich aber die rühmliche Verewigung eines wolgeführten Lebens und Wandels / welche auf das vorhergehende nohtwendig muß folgen / sich hertzlich angelegen seyn lässet.

Jn Erwegung dieses alles / wird mir es kein Verständiger Mensch verargen / daß ich in dieser Zueigenungs-Schrifft nur das jenige der Gelehrten Welt /ohne einige Schmeicheley oder Liebkosen / habe zuvernehmen geben wollen / was an sich selber der Warheit durchauß gemeß / unnd vielen grossen Leuten / ja auch mächtigen Fürsten dermassen wolbekant ist / daß ich mich eines solchen Zuschreibens im geringsten darf schämen / und demnach kein eintziger Neider noch Mißgönner / er sey auch wer er wolle /das Hertz wird haben / auch nur mit dem geringsten Wörtlein dawider zu mucken / oder diese meine unterdienstlichste Ubereignungs-Schrifft zu tadelen.

So wil denn meinem hochgeehrten Herrn Residenten ich hiemit demühtigst ersuchet haben / er dieses mein Friedejauchtzendes Teutschland mit günstigen Augen und Händen / von seinem getreuen Diener annehmen / selbiges wolgemeintes Schauspiel durch sein hohes Ansehen / wider die neidige Tadeler[217] bester massen schützen / seinem grossen Verstande nach /alles / was darin enthalten / zum Guten deuten / und ferner mein mächtiger Patron und hochgeneigter Gönner jederzeit wolle verbleiben. Jch verpflichte mich hinwieder / daß / so lange mir GOtt mein Leben wird gönnen / ich nicht auffhören wolle / denselben getreuen Gott von gantzem Hertzen anzuflehen und mit inniger Begierde zuersuchen / daß Er meinen Großgeneigten / sehr wehrten Herrn bey langem Leben / guter Gesundheit / glücklicher Verrichtung vieler hochangelegenen Staatsgeschäffte / und aller Leibes unnd der Seelen Gedeiligkeit in Gnaden wolle erhalten / mir auch dermaleinist Mittel an die Hand geben / die vielfältige von ihme / mir und den Meinigen erwiesene Gutthaten mit geziemender Danckbarkeit zuerwiederen / damit ich der gantzen Welt klärlich müge bezeugen / wie gar hoch ich sey verbunden / zu leben und zu sterben


Meines hochgeehrten Herrn

Residenten gehorsamst ergebener

aller getreuester Diener


Geschrieben zu Wedel / am

Tage deß Apostels Bartholomæus /

war der 24. deß Augustmonats im

1653. Jahre.

Rist.

Quelle:
Johann Rist: Sämtliche Werke. Berlin und New York 1972, S. 210-218.
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