Fünfter Aufzug.

[355] Hie wird der innere Schauplatz gantz eröffnet / da stehen erstlich sieben sehr schöne außgeputzete Weibesbilder / bedeuten die 7. vereinigte[355] Länder oder Provinzen / in den Niederlanden / sie haben alle Musicalische Jnstrumenten und spielen gar lieblich / hinter ihnen stehet der Friede gantz weiß und schön bekleidet / hat zur Rechten den König Jberum / zur Linken die Prinzessin Batavien an den Händen gefasset / sie stehen gantz still zwischen vielen Lichtern / und wird diß folgende Lied in die sanfftspielende Jnstrumenta gesungen / wobey zu mercken / daß der eine Verß mit lauter Jnstrumenten / der ander mit Stimmen eines üm das ander kan gesungen und gespielet werden: Jedoch stehet dieses alles zu deß Schauspielers guten belieben.


Friedens- und Freuden-Lied /


Welches von den sieben Nymphen oder Töchteren der Princessin Batavia wird gespielet und gesungen.
[356]

1.

Batavia / du Heldenkind /

Komm deine Mutter zu begrüssen /

Prinzessin / eile doch geschwind' /

Jhr grosses Hertzleid zuversüssen /

Du lebest itz in Fried' und Ruh /

GOTT helffe Teutschland auch dazu!
[357]

2.

Jberus / deine grosse Macht

Jst zwar durch alle Welt erschollen /

Und gleich wol hast du dich bedacht

So / daß du Friede machen wollen /

Batavia lebt itzt in Ruh /

GOtt helffe Teutschland auch dazu!


3.

Die Mutter hat zwar lange Zeit

Jn ihren Grentzen Krieg geführet /

Noch länger hat der schwehre Streit

Die Tochter und ihr Volk berühret /

Nun aber hat sie Fried und Ruh /

GOtt helffe Teutschland auch dazu!


4.

Batavia die kleine Welt

Läst sich in ihrem Glantz itzt schauen /

Ein Siegespracht ist ihr bestelt /

An welchem Kunst und Waffen bauen /

So recht! Nun hat sie Fried und Ruh /

GOtt helffe Teutschland auch dazu!


5.

Frisch auff / erhebet Hertz und Mund /

Frisch auff und last die Seiten klingen /

O Teutsches Reich itzt kömmt die Stund' /

Jn welcher wir dir Frieden bringen /

Batavia lebt gantz in Ruh /

GOtt helffe Teutschland auch dazu!


So bald die Musik auffhöhret / theilen sich die sieben Provinzen oder Weibesbilder / in der mitte von einander / und nahet sich der Friede[358] mit dem Könige Jbero und der Prinzessin Batavia /Teutschland tritt mit ihren Leuten auch näher / und fahet mit freudiger Stimme folgender massen an zu reden.


TEUTSCHLAND. Prinzessin Batavia / hertzallerliebste Tochter / es müsse dieser Tag / an welchem ich euch sehe in so grosser Herrligkeit / voller Ehre und Freude / durch den allersüssesten Frieden mit dem großmächtigsten Könige Jbero / in eine vollenkommene Freundschafft und Vertrauligkeit endlich gebracht / ewig seyn gesegnet / Ja / gesegnet sey die Stunde / in welcher diese liebwehrte Gesellschafft bey mir ist angelanget / und mich / das ehmahlen allerglükseligste / nunmehr aber hochbedrängte Teutschland so herrlich und hertzlich erquikket.

BATAVIA. Durchleuchtigste Frau Mutter / gnädigste Königin / vergönnet euer nunmehr glükseligen Tochter / daß sie in Demuth mag küssen die Hände ihrer unglükseligen Frau Mutter / welcher ich von Hertzen wünsche / daß sie von gegenwertiger meiner Begleiterin dem edlen Friede dergestalt möge heimgesuchet und mit einer solchen beständigen Gegenwart erfreuet werden / als mir / fast über aller Menschen Hoffen und Gedanken / ist widerfahren.

TEUTSCHLAND. Der allerhohester GOTT wolle diesen theuren Wunsch erfüllen / Prinzessin Batavia / und mir auß lauter Gnaden das geben / was er euch gegönnet; was er aber euch gegeben / das wolle er unverrükt biß an der Welt Ende bey euch erhalten / doch fürchte ich gar sehr / daß ich dieses letzte vergeblich wünsche. Eure Liebe aber / großmächtigster[359] König Jberus / wil ich zum allerfreundlichsten ersuchet haben / sie wolle mir Brüderlich zu gute halten / daß ich / in deme ich die Prinzessin Batavien auß Mütterlicher Zuneigung zum allerersten empfangen / und willkommen geheissen / das Ziel der Höfligkeit gegen euer Liebe zu diesem mahle habe überschritten.

JBERUS. Durchleuchtigste Königin / hochgeliebte Frau Schwester / wie hoch und sehr eine vernünfftige Mutter sich über das wolergehen ihrer Kinder erfreuet / solches ist mir unverborgen. Jch bin nicht zu dem Ende auff dieses mahl anhero kommen / daß ich mit sonderem Prachte von Teutschland wolte empfangen werden / vielmehr habe ich einer solchen großmächtigen Königin / welcher der unersättlicher Mars mit nicht weniger Grausamkeit / als mir und ihrer Tochter Batavien schon viele Jahre hat zugesetzet / zur sonderbaren Lust und Ergötzlichkeit wollen zeigen / welcher gestalt ich mit mehrgedachter Prinzessin Batavien nunmehr in gar guter und Nachbarlicher Vertrauligkeit lebe.

TEUTSCHLAND. Jst es denn wol müglich / Batavia / daß der blutiger Krieg / der zwischen euch und dem Könige Jbero viel länger hat gedauret / als Menschen können gedenken / nunmehr gäntzlich ist auffgehoben / und ihr auß solchen abesagten Feinden vertraute Freunde worden?

BATAVIA. Ja / aller gnädigste Frau Mutter / eben dieses edelste Weibesbild Sie zeiget auff den Friede. der allersüsseste Friede ist es / welches alle unsere Streitigkeiten vermittelt und uns beyderseits in gegenwertigen ruhigen Stand hat versetzet.[360]

TEUTSCHLAND. Der Himmel kröne dich mit ewiger Ehre und Herrlichkeit / O du höhestes von allen irrdischen Gütern / welche den Menschen Kindern sind gegeben / du von mir hochverlangter Friede / Ach / ach / wenn werde auch ich deine beständige Gegenwart sehen / und derselben würklich geniessen?

FRIEDE. Wolte GOtt / unüberwindliches Teutschland / daß ich gleich diese Stunde bey deiner Majestät und allen derselben Unterthanen mich vollenkömlich einstellen und Befehl ertheilen möchte / daß der grimmige Mars gefangen / gebunden / und endlich auff ewig auß deinen schönen Ländern bannisiret und verwiesen würde / mir wil aber nicht gebühren / solches / ehe es mir die Göttliche Weißheit und Barmhertzigkeit zulasset / in das Werk zu stellen.

TEUTSCHLAND. Du wirst gleichwol / hocherwünscheter Friede / nicht gar lange mehr von mir bleiben / denn mein Verlangen nach dir so groß ist / daß es mit Menschlicher Zunge nicht außzusprechen.

FRIEDE. Gedulte dich / großmächtigste Königin / nur noch eine gar kleine und geringe Zeit / bald / bald werde ich mit einer vollkommenen Macht erscheinen / und das Wüten des grausamen Mars dergestalt bey dir zähmen / daß sich die gantze Welt darüber soll verwundern.


Hie wird der letzte Satz auß dem vorhergehenden Liede: Frisch auff erhebet Hertz und Mund u.s.w.

von den sieben Nymfen noch einmal freudig gesungen und gespielet.


TEUTSCHLAND. Diese Nymfen sind eure Töchter / Prinzessin Batavia?[361]

BATAVIA. Ja / gnädigste Frau Mutter / es sind meine sieben Töchter / welche zwar anfänglich gar zart und unansehnlich waren / nunmehr aber sind sie mit der Zeit dermassen groß und fürtrefflich worden / daß auch die allermächtigste Käisere und Könige der Welt umb ihre Freundschafft sich bewerben.

TEUTSCHLAND. Das höre ich gar gerne / sie gefallen mir selber über alle massen wol / und ob ich zwar vor diesem ihrer aller Namen sehr wol gewust / so hat doch meine außgestandene grosse Trübseligkeit das Gedächtnisse mir der gestalt geschwächet / daß ich sie schier gantz wiederumb habe vergessen.

BATAVIA. Es ist glaublich / allergnädigste Frau Mutter / daß meiner vielgeliebten Kinder Namen euer Majestät auß dem Gedächtnisse entfallen / ich wil sie aber gerne mit wenigen wiederumb andeuten: Die erste und älteste heisset Holland / die folgende / Seeland / die dritte Frießland / die 4. Uhtrecht / die 5. Gelderland / die 6. Overissel / die 7. Gröningerland.

TEUTSCHLAND. Gar recht / meine liebste Batavia / nun erinnere ich mich wieder ihrer / mir hiebevor wolbewuster Namen / dieser jungen Prinzessinnen Halbschwestern aber befinden sich zum Theil unter eurer Liebe Gehorsam und Auffsicht / König Jberus / worunter auch gegenwertige sieben vor Alters gewesen?

JBERUS. Ja / großmächtigste Königin / eure Liebe haben dieses alles gar recht und wol behalten / und zwar / ich habe grosse[362] Ursache mich hertzlich zu erfreuen / daß der langwiriger Streit / und allem Menschlichen Ansehende nach gantz unversöhnlicher Haß und Zwietracht / welcher zwischen den zehen Prinzessinen meines Theils / und den sieben gegenwertigen der Fürstinnen Batavien Töchtern / durch unser beyder Zuthun so viele Jahre hero hat gedauret / und in welcher Zeit so unglaublich viel Blut vergossen worden / endlich so glüklich ist beygelegt / und ich mit der Batavien durch sonderbaren Fleiß und Wirkung des alleredelsten Friedens nunmehr gäntzlich bin verglichen worden.

TEUTSCHLAND zu dem Friede. O du allerseligste Tochter des gütigen Himmels / du außerwehlter Schatz auff Erden / du werther und süssester Friede / was richtest du doch für herrliche und unvergleichliche Dinge auß unter den Menschenkindern! Ach Friede / Friede / komme bald auch zu mir / und lasse mich / wie diese meine Tochter / die Prinzessin Batavia / nunmehr durch Göttliche Verleihung thut / deiner unschätzbaren Früchte geniessen.


Hie wird abermal der letzte Satz auß dem vorhergehenden Liede / Frisch auff erhebet Hertz und Mund / von den sieben Nympfen gespielet und gesungen


JBERUS. Eure Liebe sey getrost / Durchleuchtigste Schwester Teutschland / eben dieser Friede / welcher meine zehen Töchter / guten theiles / wie auch die Prinzessin Batavien mit ihren gegenwertigen sieben Kindern so höchlich hat erfreuet[363] und beseliget / wird auch das großmächtigste Teutschland wiederumb in Ruhe setzen / und den blutdürstigen Mars / der leider zwischen mir und König Gallen annoch viele grausame Händel machet / und meine Kinder hin und wieder beunruhiget / mit allen seinen Helffers Helffern zum Land außjagen / dessen wolle sie sich nur versichern.

BATAVIA. Durchleuchtigste Frau Mutter / gnädigste Königin / eure Majestät sehe doch nur auff mich / eben der GOTT / der mir geholffen / und mir so wunderbar lieh meine Freyheit hat bestätiget / wird auch eure Majestät auß allem Elende erretten und zu gewünscheter Herrligkeit wiederumb kommen lassen.

FRIEDE. Ja Teutschland / gläube nur mir und ihnen sicherlich / es heisset Amen / Ja / Ja / und das soll geschehen.

TEUTSCHLAND. Wollan denn / so wil ich hierauff alles trauren lassen schwinden / meinem GOtt vertrauen und der Zeit erwarten / da du / meine allerliebste Freundinne / mein angefochtenes Reich wiederumb heimsuchest und den grimmigen Mars bezwingest. Eure Liebe aber / großmächtigster König Jberus / und meine Hertzen Tochter Batavia wil ich zum allerfreundlichsten gebeten haben / sie wollen sich belieben lassen / mit mir hinein zu gehen / damit wir dem grossen GOtt des Friedens ein gefälliges Opffer darstellen / und seinen heiligen Namen für alle unzehliche erwiesene Gutthaten von gantzem Hertzen loben / rühmen und preisen.


[364] Sie gehen alle ab / und wird der Schauplatz geschlossen / worauff folget eine sehr freudige und lustige Music.

Ende der andern Handlung.


Quelle:
Johann Rist: Sämtliche Werke. Berlin und New York 1972, S. 355-365.
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