Anderer Aufzug.

[399] Mars gehet auf mit Staatsmann und dem Fräulein Mißtrau / als sich diese drey etwas unterredet haben / hören sie einen Kriegeslärmen / worauff Sultan Osman / als ein flüchtiger unnd überwundener komt gelauffen / erzehlet seine von den Venetianern erlittene Niderlage / bald darauf /als sich noch ein neuer Kriegeslärmen lässet hören /komt der Tarter Cham gleichfals verwundet / und mit zerbrochenen Waffen / beklaget ebenmässig sein erlittenes Unglük / als sie aber den Nahmen Friede hören ausschreien / lauffen sie alle plötzlich davon.


MARS. Ey was unerwartete böse Zeitunge hast du O Staatsmann / mir auff dieses mahl anhero gebracht! Jst es denn nicht müglich / daß wir mit so vielen wolgefasten Anschlägen meine allerärgste Feindin / den Kriegverderbenden Frieden können zu rukke halten?

STAATSMANN. Jch weiß nicht / allertapfferster Mars / was doch für unglükselige Sterne in diesem Jahre mögen regieren / daß ich so gantz und gar mit meinen sonst wol ja treflich gefasseten Anschlägen fast nirgends kan durchdringen / ich habe ja alles gethan / was einem vernünfftigen und wolversuchten Staatsmann zu thun menschlich und müglich gewesen / noch kan ich die versamlete Teutsche Stände / von deme nunmehr einhellig beliebten Friedenschlusse nicht abwendig machen.

FRAU MISSTRAU. Und wie hoch und sehr ich Unglükselige mich bemühet / durch Eiffer / Argwohn und Mißtrauen mehrgedachte Fürsten / Stände / und Interessenten zu trennen / ja alles dahin zu richten / daß sie einander rechtschaffen[399] wieder in die Haare greiffen / und den Krieg gleichsam auffs neue wiederumb anfangen möchten / davon wird mein getreuester Freund der Herr Staatsmann sattsame Nachricht geben können.

STAATSMANN. Ja / großmächtigster Mars / es hat Fräulein Diffidence weder an ihrem Fleisse / noch an ihrer Treue / das allergeringste nicht lassen erwinden / wir haben beyderseits gethan / was uns zu thun menschlich und müglich gewesen / gestalt solches unsere Schuldigkeit und geleistetes Versprechen auch erfordert / dieweil aber bey diesem grossen Werke der Fuchsbalg gantz und gar nichtes helffen wollen / als wil hoch vonnöhten seyn / daß wir uns hinfüro der Löwenhaut gebrauchen / worzu die unvergleichliche Tapfferkeit des allergewaltigsten Mars wol Mittel wird zu finden wissen.

MARS halb rasend. O ihr höllischen Furien / verlasset nun das finstere Reich eures Abgrundes / und eilet mit grossem Grimm herauff / euerem allergetreuesten Bruder und Diener in seinen höchsten Nöhten Beystand zu leisten / kommet doch / O kommet alle ihr Rachgeister / und helffet mir Himmel und Erde bewegen. O könte ich doch itzt die Sonne vom Firmament / und die Sterne vom Himmel reissen! O könte ich den gantzen Erdboden mit dem brausenden Meer bedecken / O könte ich alle grosse Städte und Schlösser im Feuer und Rauch lassen aufffliegen! O könte ich doch alle Teutsche in ihrem eigenen Blute ersäuffen! O könte ich die Elementen gantz und gar durch einander mischen! O könte ich Hagel / Blitz / Feuer / Donner / Kisel / Sturm und Erdbeben[400] erwekken! Alles / alles / alles / O Teutschland / wolte ich über dich / und deine Kinder lassen kommen / allen meinen Grimm / Zorn / Eifer und Rachgier wolte ich über dich außgiessen / ja ich wolte dergestalt in dir rumoren und toben / daß die Frembdlinge innerhalb Jahres frist mit höchstem Fleisse selten nachfragen: An welchem Orte ist doch neulich das prächtige Teutschland gestanden?

STAATSMANN. Allertapfferster Mars / wir müssen ein Hertz fassen / und unsere Courage auch in den eussersten Nöhten und desperatesten Dingen sehen lassen / wer weiß noch / was der Sultan Osman / imgleichen der Tartar Cham für Glük haben / und ob sie nicht durch ihre ungezweifelte Victorien unsern Krieg in Teutschland erneuern / ja das zu wege bringen können / was wir vielleicht niemalen dörffen hoffen.

FRAU MISSTRAU. Eben das vermeine auch ich / denn ich mich eiferigst habe bemühet / so wol in der Kron Polen / und deroselben incorporirten Ländern / als auch der Venetianischen Republic den Saamen des Mißtrauens klüglichster massen außzustreuen / nicht zweiflend / derselbe bald erwünschete Früchte tragen / und uns zu unserm Vorhaben treflich gute Beförderung an die Hand geben werde. Hie wird geschossen / getrummelt und gelärmet.

MARS. Jch wil hoffen / das Glük werde uns und ihnen beystehen / aber was solte das wol für ein neuer Lärm seyn? Mein Hertz springet mir ja für Freuden / wenn ich solches schiessen / fechten / lärmenblasen / und paukenschlagen[401] auch nur von ferne mag hören / dieses mal aber weiß ich nicht / wie mir zu muhte ist.


Hie komt der Sultan Osman oder der Türk in grosser Eil gelauffen / der Rok ist ihme vom Leibe gerissen / das Hemd mit Blut besprützet / der Säbel zerbrochen / er rennet auff dem Schauplatze als ein Vnsinniger herumb / ruffet und schreiet mit erschreklicher Stimme.


OSMAN. O wehe mir / wehe mir! O Machomet / du grosser Prophet / wie magst du doch deinen getreuesten Diener und Unterthanen so gar lassen zu schanden werden! O Mars du gewaltigster Ritter / hast du mir denn zu diesem mahle gar nichts können helffen? muß ich denn zu Wasser und zu Lande unten liegen / müssen denn meine tapffere Türken so jämmerlich ummekommen / und ersauffen! O wehe mir / wehe mir / wehe mir!

MARS erschrikt hefftig / schläget die Hände über dem Kopffe zusammen / und schreiet über laut. Ach Sultan Osman / mein allergetreuester Freund / und Bruder / was für ein grosses Unglük ist denn dir wiederfahren / bist du geschlagen? hast du müssen unten liegen? hast du etwan das Feld oder die See raumen! Ach sag es mir / ein Bruder Osman / sag es mir!

OSMAN. Großmächtigster Mars / ob wol deine Anwesenheit mir ein wenig Erleichterung mittheilet / so befinde ich mich dennoch in einer solchen Confusion und Bestürtzung / daß ich nicht weiß / was ich reden oder dir antworten soll / ja Mars / ich bin zu Wasser und zu Lande geschlagen[402] / eine eintzige Republic in der Christenheit / das eintzige Venedig hemmet den Lauff aller meiner Victorien, und machet zu nichte alle meine trefliche Anschläge.

MARS. Das wil ich nimmermehr hoffen / mein Bruder Osman! Jst denn die Macht der Venetianer so groß / daß du auch das kleine Königreich Candiam nicht völlig überwältigen / und deiner grossen Monarchi kanst unterthänig machen.

OSMAN. Ja freilich ist diese Republic sehr mächtig / vielmehr aber tapffer und glükseelig / am allermeisten klug und verständig / denn in Ansehung meiner unvergleichlichen Monarchi, ist die Venetianische Macht gleichsam nur eine Hand voll Staubes / ihre Krieg aber führen sie mit grosser Vernunfft / und haben sie auß allerhand Völkern und Nationen dermassen kühne und behertzete Kriegesleute unter sich / sonderlich aber erweisen die Teutsche Soldaten / so wol die Gemeinen / als ihre Häupter und Officirer eine solche unglaubliche Mannhaftigkeit / daß meine Janitscharen und Spachi für ihnen nicht können bestehen / in Summa / ich bin jämmerlich von ihnen zu Wasser und zu Lande geschlagen / und in die Flucht getrieben!

MARS. Was sagst du Osman / halten sich die Teutsche auch in Venetianischen Diensten so mannhafft und tapffer? Jch vermeinete daß sie nur in ihrem Vaterlande ihre großmütige Kühnheit sehen liessen?

OSMAN. Was die Teutsche Helden vermögen / habe ich in Belagerung der Festung Candia mit meinem höchsten Schaden allzuwol erfahren! Nun wird aber mal geschossen / geruffen[403] / Pauken geschlagen / und Lärm geblasen / worüber sie sich auffs neue entsetzen und ruffet.

MARS. Was meinest du Bruder Osman / solte uns wol dieser neue Tumult bedeuten? es ist vermuhtlig ein Lärm von grosser Importantz.

OSMAN. Bey dem Machomet / ich dörffte schier wetten / daß die hochmütige Venetianer abermal einen Sieg wider meine Leute erhalten.


Hier komt der Tartar Cham jämmerlich verwundet und zerschlagen / sein Bogen und Pfeile sind zerbrochen / er schreiet mit greßlicher Stimme.


CHAM. O du verfluchtes / O du ungerechtes / O du grundböses / O du vermaledeites Glük / warumb hast du doch den großmütigsten Tartar Cham auff den höchsten Thron der Glükseligkeit steigen / ja warumb hast du ihn zu der Regierung eines so mächtigen Käiserthums erheben lassen / da du bedacht warest / ihn biß in die unterste Hölle aller Trübsalen und Unglükseligkeit zu stürtzen. Er wirfft seinen zerbrochenen Bogen und Pfeile mit grossem Grimme zu Boden / und tritt sie mit Füssen. Hinweg ihr meine nichtswürdige Waffen / demnach ihr durch die Hertzhafftigkeit meiner Feinde zu meinem unaußleschlichem Schimpffe habet müssen zerbrochen werden.

MARS. O grausamer Himmel! O neidige Sterne! O unbarmhertzige Elemente! Habet ihr euch denn miteinander verbunden[404] und verschworen / mich und meine allertapfferste Vasallen und Kriegsleute zu besiegen / ja gantz und gar unter die Füsse zu treten? Ey du vormahls braver und unüberwindlicher Tartar Cham / wer hat dich doch dermassen jämmerlich zugerichtet? wer hat dich so gefährlich verwundet?

CHAM. Was magst du noch viel fragen / O kühner Mars / wer mich dermassen übel habe zugerichtet und schier biß auff den Todt verletzet? Meine Feinde die übermühtige Polen mit ihrem gewaltigen Kriegsheere haben mich und meine Tartaren trotziglich auß dem Felde gejagt / und über allen menschlichen Glauben treflich besieget.

OSMAN. O Mein Bruder Cham / hat denn das Unglük dich ja so hart als mich trübseligen getroffen / ich verhoffte nebenst dir / unserm höchstgeehrten Oberhaupte dem allerunüberwindlichsten Mars zu unterthänigsten Ehren und Gefallen / auch zu unserem selbst eigenen Vortheil und Gewinn bald in Teutschland zu rükken / und selbiges biß auff den Grund zu verheeren und zu verderben / so müssen wir ehe und bevor wir noch einmal den Anfang hierzu gemachet haben / so schändlich geschlagen und überwunden werden / O der unglükseligen Zeiten!

CHAM. Ja wol in Teutschland zu rükken! Ja wol / dasselbe zu verheeren und zu verzehren! Eben die Teutsche haben mir zu diesem mahle den allergrössesten Schaden zugefüget. Eben die Teutsche haben mich und die meinige in unserer eigenen Wagenburg belagert / eben die Teutsche haben uns besieget und überwunden / O gedenke doch ja bey leibe[405] keiner Teutschen / denn wenn ich nur die Teutsche höre nennen / weiß ich für Angst und Verzweiffelung schier nicht zu bleiben.

MARS. Das ist mir wol eine erbärmliche Sache anzuhören / müssen denn die Teutschen aller Orten den Meister spielen? Was wird nun endlich darauß werden? Jch verhoffte durch unterschiedliche Mittel das halsstarrige Teutschland zu bezwingen / und sihe / der Friede nähert sich schon / mich und meine getreueste Diener gäntzlich darauß zu vertreiben / ja die Teutsche lassen ihre Tapfferkeit auch noch in der Frembde spühren!

OSMAN. Was sagst du / großmächtigster Mars? wird es in Teutschland Friede werden? das wil ich nimmer mehr hoffen?

CHAM erschrikt. Solte es wol müglich seyn / Osman / daß der Friede in Teutschland ankähme? wil Mars dieses selber glauben?

MARS. Ja meine liebe Getreue / mit äusserstem mei nem Hertzeleid habe ich gleich itzt dasselbe von gegenwertigem Staatsmanne / wie auch Madame Diffidence müssen vernehmen / ich bin schier rasend über dieser Zeitung worden / diewiel ich so gar keine Mittel sehe / wie ich den verfluchten Frieden auffhalten oder hintertreiben könne.


Hier wird in der Scena vielmalen von unterschiedenen Personen Friede / Friede / Friede /Friede / Friede / gar laut / gleichsam mit Jauchzen und in die Hände klopffen geschrien / darüber erschrekken sie alle gar hefftig und spricht Osman.
[406]

OSMAN. Was bedeutet das ungewöhnliche Geschrey / großmächtigster Mars?

MARS. Ach / Ach der Friede wird gar nahe seyn / Er wird schon offentlich außgeruffen / wohin sollen wir uns doch nun verkriechen? Jch fürchte mich ärger für dem Friede als für dem leibhafften Teufel. Ach höret / sie verkündigen abermal Friede.

CHAM. Wie denn Mars / wil uns der Friede so plötzlich verjagen?

MARS. Ja freilich wird er uns zwingen / daß wir das reißauß müssen nehmen. O Staatsmann / O Diffidence, wie wil es nun werden?

STAATSMANN. Die Noht hat kein Gesetze / wir müssen von hinnen fliehen.

FRAU MISSTRAU. Jch traue keinem Frieden / wer lauffen kan der lauff!

MARS. O ihr meine allerliebste Freunde! so lasset uns doch mit einander fliehen / daß wir entweder zusammen erhalten werden oder auch zugleich sterben und verderben.


Mars läufft vor / die andere folgen ihm / und fliehen also geschwinde vom Platze.
[407]


Quelle:
Johann Rist: Sämtliche Werke. Berlin und New York 1972, S. 399-408.
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