Dritter Auffzug.

[408] Geistlicher / Weltlicher / Bürger / kommen alle drei zugleich herauß / sind frölich und gutes Muhtes /gehen auch gar schön bekleidet / Sie treiben den Wühterich an eine grosse eisern Ketten geschmiedet vor sich her / singen ein Lob-Lied wegen ihrer Erlösung. Wühterich brüllet sehr / welches / nach deme es Mars erhöret / wil er ihn wieder ledig machen / aber der Friede komt dazu / und läst den Mars durch Junker Reinhart zu den Wühterich in die Ketten schliessen / darauff tritt der Friede ab /Junker Reinhart folget ihr mit den dreyen Gefangenen / die drey Leute aber / Geistlicher /Weltlicher und Bürger singen abermal GOTT ein Dank-Lied.


GEISTLICHER schlägt mit der Peitschen auff Wühterich und spricht. Fort / fort du ungeheure Bestie / fort oder wir wollen dir Füsse machen.

WÜHTERICH brüllet schreklich und antwortet. Verflucht sey der Tag / daran ich geboren / verfluchet sey die Stunde / in der ich zum ersten mal das Liecht dieser Welt habe angeschauet. Verflucht sey mein Vater und Mutter / sampt allen die mich angehören.

WELTLICHER. Was murrest du Ungeheuer noch viel? was verfluchest du den Tag und die Stunde deiner Geburt? Verfluche und bereue vielmehr deine verübete unmenschliche Boßheit / und lerne / daß gleich wie wir unserer Untugenden halber in den verflossenen Jahren sehr hart sind gesteupet / auch du[408] nun billig must leiden / was deine vermaledeite Thaten haben verdienet / Er schläget frisch auff ihn.

WÜHTERICH. Blitz / Feur / Hagel und Donner soll noch darein schlagen / komme ich nur einmal wieder auß meiner Gefangenschafft / solte ich von euch außgehungerten Buben und Schmachthunden Schläge leiden / von euch nichtswürdigen Leuten sage ich / welche ich so manches Jahr in Ketten und Banden rechtschaffen habe getribuliret und gepantzerfeget.

BÜRGER. Ja Wühterich / du / du bist ein Bluthund / nicht wir / kanst du noch nicht ablassen zu fluchen und zu lästeren? Du soltest dich ja billich vor GOtt schämen / wenn du dich vor Menschen nicht scheuest / sihe da Er schlägt auff ihn loß. habe dieses für deine Lästerung.

GEISTLICHER. Jhr lieben Freunde und Brüder / lasset dieses grausame Wunderthier nur immer hin murren / Er bleibet doch in unserer Gewalt / nach deme er uns von dem allergütigsten GOtt durch den edelsten Frieden / nach so langerlittenen schweren und vielfältigen Trübsalen / in die Hände ist übergeben. Dieweil aber nunmehr unser Hertz frölich und wir in vorige Freyheit sind gesetzet worden / ey so lasset uns ein Dankliedlein / GOtt zu Ehren / diesem Wühterich aber und allen seinen Mithelffern zu Trotz / miteinander anstimmen / und mit Freuden also singen.
[409]

Dank-Lied


Der drey Hauptstände in Teutschland. Als der Wühterich in ihren Gewalt gerathen / und sie mit dem alleredelsten Friede wiederumb sind beseliget worden.
[410]

1.

Daß Wühterich der arge Feind /

Des Friedens Gifft und Mavors Freund /

Die Priester muß in Ruhe lassen /

Daß sein von Rach erfüllter Muth /

Mit Plagen / Morden / Raub und Blut /

Die Diener GOttes nicht kan fassen /

Ja daß wir gehn auff sichrer Bahn /

O Friede / das hast du gethan!
[411]

2.

Daß Wühterich der Fürsten Stand

Durch seine Blutgefülte Hand

Nicht gäntzlich kan zu Boden schlagen /

Daß er nach frevler Mörder Pflicht

Den gantzen teutschen Adel nicht

Erbärmlich kan zum Land' auß jagen /

Und bleiben Meister auff dem Plaan /

O Friede / das hast du gethan!


3.

Daß Wühterich die Bürgerschafft /

Und Akkersleut hinfort in hafft

An schwehren Ketten nicht darff führen /

Daß er den armen Handwerksmann

Nicht auff den Grund verderben kan /

Und Tag für Tag tyrannisiren /

Als ehmals in der Kriegesbahn /

O Friede das hast du gethan!


4.

Drauff peitschen wir an diesem Ort' /

O Wühterich / dich immer fort /

Und achten nichts dein greulichs Brüllen.

Nun Himmel / dir sey Preiß und Dank /

Daß du vertrieben Krieg und Zank /

Ja daß wir uns mit Ruh' erfüllen /

Und wandlen itzt auff sichrer Bahn /

O Friede / das hast du gethan!


WÜHTERICH brüllet heftig. O ihr meine abgesagte Feinde und Verfolger / ob mir zwar mein muhtiges Hertz[412] schier in tausend Stükke wil bärsten / daß ich von euch muß geschlagen und gepeitschet werden / so finde ich mich doch hiedurch viel höher beleidiget / daß ich eure spitzige Schimpffworte und Stachelreden muß anhören / Ach! für rasendem Eifer speie ich bald meine unglükselige Seele mit meinem erhitzeten Blute auß dem Leibe herauß. O Mars / Mars / du mein großmächtigster Patron / wie magst du mich doch zu diesem mal so jämmerlich in der äussersten Noht stekken / und von meinen eigenen Schlaven tribuliren lassen?

WELTLICHER. Schreie du nur immer hin / dein Mars / der verteuffelte Bluthund wird vielleicht schlaffen / oder auch schon selber / wie du / an Ketten fest liegen.

WÜHTERICH. Das verhüte Lucifer / mein Abgott / O Mars / kan ich denn deiner Hülffe und getreuen Beystandes so gar nicht theilhafft werden? Er brüllet greulich.

MARS kommt mit grossem Grimm herauß gelauffen und schreiet. Jst das nicht deine Stimme mein getreuster Wühterich? Wie? soll ich dich in Ketten und Banden finden? Bist du nun der jenigen elenden Hümpler Gefangener und Leibeigener geworden / die meine und deine Schlaven so viele Jahre hero sind gewesen? das ist mir ein unvermuhtlicher toller Handel!

WÜHTERICH. O großmächtigster Mars / mein höchstgeehrter Herr / mein Patron, und Gebieter / nun ist die rechte Zeit mir zu helffen / diese ist die Stunde mich auß gegenwertigen Ketten und Banden zu erlösen / wie übel werde ich von diesen Teutschen geplagt / ich möchte darüber gar von Sinnen kommen![413]

MARS sehr zornig. Geschwinde ihr Hunde / löset mir diese Ketten auff / womit ihr meinen getreuesten Diener habet gefäßlet / seyd versichert / es soll euch diese Gewaltthätigkeit übel bekommen.

GEISTLICHER. Was trotzest du noch viel / du ohnmächtiger Mars? Meinest du uns mit deinem dräuen zu erschrekken? Es ist fürwar dein Pochen nunmehr gantz und gar umbsonst / deine Tribulierzeit ist schon vorbey / der jenige / welcher uns diesen verfluchten Wühterich in unsere Gewalt übergeben / wird uns auch für deiner Tyranney gar wol können schützen.

WELTLICHER. Sihe da / das ist für dich / du Bluthund / Schlägt ein Kniplein.

BÜRGER. Und das ist für dich / du tyrannischer Mörder / Schlägt ein Kniplein.


Mars und Wühterich brüllen wie die Löwen und ruffet endlich laut.


MARS. Wer hindert mich / daß ich diese drey Verächter mit meinen Zähnen nicht zerreisse / und meine Fäuste in ihrem Blute wasche?

GEISTLICHER. Das soll ob GOtt wil der Friede thun / ja der edle Friede soll dich daran verhindern / O Friede / Friede / Friede! Friede komt herauß mit ihrem Oelzweige in der Hand / Junker Reinhart folget ihr.

FRIEDE spricht. Glük zu meine allerliebste Freunde / wer hat gleich itzt so sehnlich nach mir geruffen / wer wünschet so hertzlich nach meiner Gegenwart?[414]

GEISTLICHER. O du süsser / O du lieber / O du himmlischer Friede / wir / wir / begehren nichtes so hoch als dich den edlen Friede im Lande / schaue aber deinen abgesagten Feind / den blutgierigen Mars / wie sich derselbe noch unterstehen darff / sein grimmiges Tigerthier den Wühterich wiederumb loß zu machen / und auf freien Fuß zu stellen.

FRIEDE zum Mars. Was unterwindest du dich / du abgesagter Feind des gantzen Menschlichen Geschlechtes / du rechtes Kind der Höllen / hast du nebenst deinem vermaledeiten Wühterich mit dem Blute meiner armen Teutschen dich noch nicht genug gesätiget? Bald wil ich dir was anders zeigen.

MARS erschrikt hefftig / lässet sein Schwerdt / wie auch den Helm vom Haupte fallen / und spricht mit zitternder Stimme. O Friede du Pest meines Lebens / muß ich denn durch dich vor aller Welt zu Schanden werden? müssen mir denn durch deine Anherokunfft alle meine Kräffte entgehen? muß ich denn mein scharffschneidendes Schwerd zu deinen Füssen legen.

FRIEDE. Ja freilich solst und must du Bluthund bey dieser meiner frölichen Ankunfft in Teutschland weichen / und wenn ich aufftrete / dich augenbliklich von hinnen pakken; das wirst du grober Menschenwürger ja noch wol wissen / wenn du gleich sonst nicht gar viel verstehest / daß Krieg[415] und Friede nicht zugleich an einem Orte können regieren oder wohnen.

MARS. Ey Friede / es ist mir gleichwol ernstlich anbefohlen / daß ich in Teutschland residiren und darin rechtschaffen soll wüthen und toben.

FRIEDE. Und mir ist es von dem allerhöhesten GOtt anbefohlen / daß ich dich und deinen Wühterich in die Eisen schlagen / und auß allen Gräntzen des längstgeplagten Teutschlandes soll verjagen / deßwegen befehle ich euch Herr Reinhart / daß ihr den Mars unverzagt angreiffet und zu dem Wühterich in die Ketten schliesset / nur immer frich daran!

MARS. Das wil ich ja nimmer hoffen / daß man mich / den allergrössesten Kavallier der Welt / der massen schimpflich / ja grausamlich werde tractieren.

FRIEDE. Kavallier hin / Kavallier her / da wil nunmehr nichts zu helffen / geschwinde gib dich gefangen / oder ich lasse dich wie einen Hund danieder stossen. Wie / Mars / verstehest du deine eigene Rede nicht mehr?

MARS. O wehe mir! wehe mir / wehe mir!

WÜHTERICH. O wehe uns beyden in alle ewige Ewigkeit!

JUNKER REINHART. Was schreiet ihr Bluthunde noch viel / ich wil euch bald so wehen / daß euch die Ribben im Leibe sollen krachen / Er wirfft dem Mars den andern Theil der[416] Ketten üm den Leib und schliesset ihn fest / der Friede nimt des Mars Schwerdt zu sich / Mars und Wühterich heulen und brüllen grausamlich / und stellen sich sehr ungebärdig.

FRIEDE. Nun ihr meine liebe Teutsche / da sehet ihr nun eure beyde abgesagte Feinde und Verfolgere den Mars und Wühterich vor euch in Ketten und Banden / ergreiffet nun eure Peitschen und schläget tapffer auff sie zu / gleich wie sie euch schon gantzer dreissig Jahre hero gethan haben / du aber mein Reinhart / führe mir diese Gefangene hinein / auff daß ich sie dem Friedejauchzendem Teutschland darstellen / und diese grosse Königin höchlich da durch möge erfreuen. Jhr immittels meine liebe Teutsche / lobet und preiset den grossen GOtt vom Himmel / der eure Feinde gedämpffet / und euch mit meiner Gegenwart so herrlich hat beseliget. Der Friede gehet ab.


Die 3. Teutsche / wie auch J. Reinhart / peitschen tapffer auff den Mars und Wühterich / biß sie zu letzt von Junker Reinhart werden hinein gestossen /und die 3. stände singen / auff ihren Knien liegende / folgendes Loblied.


Loblied der

drey Teutschen Hauptstände


Jn welchem sie GOtt ihren Erlöser von gantzem Hertzen preisen / als der Blutdürstige Mars in die Eisen ist gethan.
[417]

1.

Nun lasset uns alle

Mit frölichem Schalle /

Mit lieblichen Weisen

Den mächtigen Gott /

Nach seinem Gebot /

Jn dem' Er uns Frieden ertheilet hat / preisen.
[419]

2.

Frolokket mit Händen

An Orten und Enden /

Wo Teutsche zu finden /

Der Fried' unser Schatz

Beherschet den Platz /

Ja Friede kan Mars und den Wühterich binden.


3.

Wir sehen mit Freuden

Die Krieger abscheiden /

Wir haben erlebet /

Das fröliche Jahr /

Das alle Gefahr

Vertreibet und unsere Teutschen erhebet.


4.

Wir wollen dich loben

O Vater dort oben /

Daß du hast bescheret

Nun wiederumb Ruh'

Und gibest dazu

Fast alles was unsere Seele begehret.


5.

Jn friedlichen Schranken /

Mit rühmen und danken /

Mit himmlischen Weisen /

Dich mächtigen GOtt

Nach deinem Gebot

Erscheinen wir alle / dich ewig zu preisen.


Hiemit gehen sie ab / und wird ein wenig musicirt.
[420]


Quelle:
Johann Rist: Sämtliche Werke. Berlin und New York 1972, S. 408-421.
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