Der fünffter Auffzug.

[73] Teutschland / Friede / Wollust / Diener.


TEUTSCHLAND gehet etwas in Gedanken den Schauplatz auff und nieder mit zornigen Geberden / spricht endlich gantz entrüstet. Gehet immer hin in aller Teuffel Namen Jhr leichtfertige Vögel / Jhr grobe Cujonen, Jhr ungesaltzene Bettelfürsten. Sol Jch mich denn nun von solchen Landläufferen und ungeschliffenen Bauren lassen verachten? Es wahr fürwahr hohe Zeit / daß sie sich hinweg trolleten; Jch wolte sie sonst vor meinen Augen haben niedermachen lassen.

FRIEDE. Gnädigste Königinn und Frau / Eure Majestät erzürne sich doch nicht dergestalt über diese guhte Leute / sie haben ja meines bedünkens so gahr ungebührlich nicht geredet oder etwas gehandelt / daß einer so schärften Bestraffung würdig / Jch zwahr halte es dafür / es wäre E[uer][73] Majestät viel rühmlicher angestanden / hätte auch mehr Lobes davon zu gewahrten / wenn sie dieselbe in guhtem Friede und wol vergnüget hätte von Jhrem Hofe hinweg ziehen lassen.

TEUTSCHLAND. Ha Verrähterinn! was sagst du? Solte Jch diesen ungebehtenen Gästen noch guhte Wohrte geben? Solte Jch mit diesen groben Bauren noch fein höfflich ümmegehn? Solte Jch mit solchen Leuten / die weder weiß noch schwartz verstehn / mich so gemein machen? Vielleicht hätte Jch diese Bährenhäuter / die kaum ein rechtes Kleid am Leibe haben / deiner schönen Meinung nach / an meine Königliche Taffel setzen und sie bester mahssen tractiren sollen? Du hast es wahrlich sehr wol getroffen: Hast du unvernünfftige Bestie nicht gehöret / mit was hefftigen Schmähewohrten der Schandvogel Merkurius mich hat angegriffen?

FRIEDE. Merkurius / Gnädigste Frau / hat es mit E[uer] Majestät nicht übel gemeinet / Er ist ein Priester und Abgesanter Gottes / deßwegen Jhm billig hat gebühren wollen E[uer] Majestät zu ernstlicher Buhsse zu ermahnen / diese sind ja die besten Freunde / welche uns vor dem heran nahendem Unglükke beizeiten warnen / wolte GOtt / wolte Gott E[uer] Majestät hätte des Merkurien treühertzige Ermanung nicht nur gedultig angehöret / sondern auch so zu Hertzen genommen / daß sie dadurch eine ernstliche Entschliessung gefasset / Jhr bißhero sündlich geführtes Leben künfftig zu besseren.

TEUTSCHLAND hefftig ergrimmet. O grosse Falschheit! O unerhörte Verrähterei! Hast du leichtfertige Plaudermetze mit so dem Schmähevogel Merkurio etwan eine Confœderation[74] gemachet / mir nach Ehre und Guht / Lande und Leuten / Leib und Leben zu trachten? Nun Diable m'en porte, daß sol dir übel bekommen.

WOLLUST. Allerdurchläuchtigste Königinn / Gnädigste Frau / habe Jch nicht allezeit gesaget und E[uer] Majestät auff das treülichste gewarnet / sie solte sich beizeiten vorsehen / alldieweil ich schon längst gemerket / daß diese Schandbestie / die sich den Frieden nennet / mit lauter Verrähterei ümmegehe? wie lange wil sich Eure Majestät von dieser Ehrbahren Frauen noch tribuliren lassen?

TEUTSCHLAND. Was? Tribuliren? Solte ein solches Weib / daß meiner Guhtthaten so viele Jahre gantz reichlich genossen / zuletst gahr über mich herschen? Daß sol und muß in Ewigkeit nicht geschehen. Heraus du Verfluchte / heraus du Abtrünnige / Schläget tapffer auff den Frieden. mache is dich schleunigst hinweg von meinem Angesichte / oder Jch lasse dich / hole mich dieser und jenner / zu Pulver und Aschen brennen.

FRIEDE. Ach Teutschland / Teutschland warum schlägst du mich? Verjagest du also gewalthätiger weise den Edlen Friede von dir und lassest dich von der verfluchten Wollust zu dieser greulichen Tirannei anreitzen!

TEUTSCHLAND. Was Tirannei du Ertzhuhre / du verfluchte Putain, daß dir der Hagel und Donner den Halß zerbreche: Heraus / heraus in aller Henker Namen.

FRIEDE. O du verblendetes sicheres Teutschland / welche erschreckliche Flüche lassest du aus deinem gottlosen Munde gehen! Jst daß der Dank vor alle die Guhttahten /[75] welche dir der güldener Friede hat erwiesen? O mit was bitteren Tränen wirst du dermahleinst deine Unsinnigkeit beklagen!

TEUTSCHLAND. Was beftzest du noch viel wieder mich du unverschämte Bestie? Wilt du meinen Grimm noch ferner erregen? Wilt du wahrten / biß Jch dich mit vier Pferden auff stücken lasse zerreissen? Hinweg sage Jch nochmahlen vor alle Teuffel Sie schläget tapffer wieder darauff. heraus und verbirge dich vor meinem Angesichte / dafern du dein nichtswürdiges Leben zuerhalten gedenkest.

FRIEDE fliehet davon zuem Beschluß ruffend. Ach / daß es Gott im Himmel erbarme / daß der wehrter Friede von dem unbesonnenem Teutschlande so grausahmlich wird verbannet / O Teutschland / Teutschland / wie wird dich diese Unsinnigkeit gereuen! Gehet ab.

TEUTSCHLAND tritt gantz prächtig / jedoch sehr ergrimmet den Schauplatz auff und nieder mit einer starken und gleichsahm brüllenden Stimme raffend. So sol es hinführo allen den jenigen ergehen / welche mir in meinem Regimente daß allergeringste vorzuschreiben sich im weinigsten dörffen erkühnen / Jch werde hinfort meine Königliche autoritet besser in acht zu nemen wissen.

WOLLUST. So recht gnädigste Königinn / das ist auch meine gäntzliche Meinung / E[uer] Majestätt lasse die leichtfertige Metze / den faulen und unnützen Frieden nur immer hinfahren / denn Teutschland die mächtigste Beherscherinn der Welt / kan gahr wohl ohne Friede leben / ja reich / mächtig und prächtig ohne dieselbe bleiben. Hie wird geblasen[76] mit Trompetten. Aber / was mag doch wol dieses blasen bedeuten?

DIENER kompt eilends auff den Schauplatz / sagend. Allergnädigste Königinn / gleich itz kommen etliche Fremde und dem ansehende nach vornehme Kavallier bei Hofe an / Euer Königl[iche] Majestätt unterthänigst auffzuwahrten.

TEUTSCHLAND. Wol Diener / lasse sie durch die Hoff-Junkeren also bald in unserem Namen annehmen / und in den grossen Sahl führen / Jch werde bald hinein kommen / selbige Kavallier persöhnlich zu empfahen.

DIENER. Durchläuchtigste Königinn / Gnädigste Frau / E[uer] Majestätt gnädigstem Befehle sol aller unterthänigstes fleisses nachgelebet werden.

TEUTSCHLAND. Jch wil ja hoffen / daß diese Geste etwas discreter als die vorige sich werden erzeigen / denn Jch gäntzlich davor halte / daß sie bekandte / vielleicht auch wol außländische Kavallier seyn mügen / welche sich aber zweiffelsohn ein weinig besser als die vorige Fastnachtsbutzen werden zu schikken wissen. Aber / was säumen wir? Lasset uns hinein gehen / diese Kavallier gebührender massen zu empfangen / und / du Frau Wollust folge mir / und verschaffe / daß wir diesen Tag in rechtschaffener Fröligkeit vertreiben mügen.[77]

WOLLUST. Großmächtigste Königinn / Jch bin E[uer] Majestätt unterthänigste und getreuste Dienerinn / sie lasse nur mich sorgen / wir wollen heute rechtschaffen turniren und das Hauß zuem Fenster außwerffen / denn es heisset doch: Friß / sauff / lebe stets im sauß / nach dem Tode wird doch nichtes drauß / Hei lustig! Sie gehen alle ab.


Ende der Ersten Handelung.

So bald die Erste Handlung sich geendet / muß einer auff die Uhralte Celtische Ahrt gekleidet / alß ein Witdod welche bey den Alten Teutschen vor Kunst und Weißheitliebende / als Dichter / Singer /Sittenlehrer / Naturforscher und derogleichen Leute würden gehalten) auff dem Platz kommen und nach gesetztes Lied fein deutlich und beweglich daher singen / kan Er eine Laute oder Pandor selber dazu schlagen / stehet solches nicht übel / wie es den auch gahr fein klinget / wen etliche andere

verborgene Jnstrumentisten die Melodei dazu spielen: Es muß aber solches gahr sanft geschehen /damit man ein jedes wohrt deß Gesanges gantz eigentlich könne hören und deutlich vernemen /dieweil fast der gantzer Jnhalt der verlauffener Handlung in gedachtem Liede wird enthalten / wie den der Leser eben ein solches auch bei den Anderen nachfolgenden Liederen wird befinden.
[78]

Klag-Lied

Uber Teütschlandes unbesonnene

Blindheit und Sicherheit.


1.

Bjst du den blind O Teütsches Reich /

Daß du so spöttlich fragest

Die Helden und gantz frech zugleich

Den Frieden von dir jagest?

O Wollust / dein verfluchter Raht

Der Teütschland so verführet hat

Wird dieses Reich verschlingen /

Ja bald zu Grabe bringen.


2.

Jhr Teütsche Helden / stehet still

Und sehet die Geberden

Der Königinn / welche will

Jhr' eigne Schlavin werden

Ach helffet! Es ist hohe Zeit /

Tritt auff du Teütsche Redligkeit

Die Falscheit zu verjagen /

Womit dich fremde plagen.


3.

Wird den der Alten tapfer Muht.

So spöttlich itz vernichtet /

Da doch Jhr unerschrokner Muht

Viel' händel außgerichtet

Welch' ewiglich zu preisen sind /

Die hält man schlechter itz als Wind

Ja darff Sie noch wol schelten /

Waß neü ist / daß muß gelten.
[81]

4.

Die Sprache / welcher gleichen kaum

Jn aller Welt zufinden /

Hat bei den Teutschen keinen Raum?

Sie muß Sich lassen binden

Von Jhren Kindern dergestalt /

Daß Sie fast weder warm noch kalt

Jn Jhren eignen Landen

Von Teütschen wird verstanden.


5.

Der Edler Fried ist außgejagt

Daß höchste Guht auff Erden /

Wie greülich wirst du nun geplagt

O Sichers Teütschland werden l

Ja Friede / du recht güldner Schatz /

Daß man Dir günnet keinen platz /

Daß wird nach weing Tagen

Selbst Teütschland sehr beklagen.


6.

Nun Teutschland du hast dieser Zeit

Die Sinnen gantz verlohren /

Du hast vor Teutsche Redligkeit

Daß Heüchlen Dir erkohren /

Dein' Eigne Sprach dir nicht behagt /

Den Frieden hast du wech gejagt /

Waß will auß Dir doch werden?

Ein Fluch und Spott auff Erden.

Quelle:
Johann Rist: Sämtliche Werke. Berlin und New York 1972, S. 73-79,81-82.
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