Der ander Auffzug des Zwischen-Spieles.

[131] Mars / Monsieur Sausewind.


MARS annoch sehr entrüstet / spricht mit lauter Stimme. Phy! Wie habe Jch mich über diß schandlose Weib entrüstet! kaum kan Jch wieder zu meinem Odem kommen / Ja / Jch bin fast müde geworden diese lose Bestien zu schlagen und zu plagen. Aber / ist das nicht schreklich / daß Teutschland noch so eigensinnig und überaus halstärrig ist / daß sie Jhr Unrecht nicht einmahl wil erkennen! Sie schläget / stösset und beisset auch mitten in ihrem Elende von sich / als ein rasendes und unsinniges Thier / sie schilt und fluchet mir ins Angesichte und ist bißweilen so trotzig / als wenn sie noch in Jhrem besten Flor sesse / da sie doch kaum ein Hemd mehr über dem Leibe hat / denn die vier Kavallier / welchen Jch diese Schandbestie das leichtfertige Teutschland in Jhre Hände übergeben / haben sie dermahssen zugerichtet / daß sie fast keinen Menschen mehr ähnlich siehet / gleichwol sind sie noch zu schwach Jhre Hartnäkkicheit völlig zu dampfen und sie zu rechter Demuht und Erkäntnisse zu bringen dahero Jch mir habe vorgenommen / mich nach etlichen Klugen und Sinnreichen Köpfen / sonderlich aber nach Jhren eigenen Landesleuten umzusehen / ob Jch etwan derselben / wenn Jch sie / die Waffen anzunehmen erstlich habe überredet / mich nützlich könne gebrauchen / das verstokte Teutschland durch Hinderlist und Praktiken zu zahmen / wenn es mir etwan mit dem Waffen allein nach meinem Wunsche nicht wolte gelingen / Jch zweiffle nicht / der Posse sol gahr wol angehen / in betrachtung Teutschland[132] Jhren eigenen Kinderen und Unterthanen nichtes böses wird zutrauen. Er siehet gleichsahm ungefehr den Sausewind. Aber / wer stehet dort an jenner Ekken? Jch muß Jhm ein weinig näher kommen? Der ist gewißlich ein Franzose / das merke Jch fast an seinem Habit und leichtfertigen Geberden. Er spricht zum Sausewind. Bon jour Monsieur, comment vous va?

MONSIEUR SAUSEWIND. Je me porte bien, Dieu mercy, a vostre commandement:

MARS. D'ou venez vous Monsieur? Estes vous un Francois?

MONSIEUR SAUSEWIND. Nonny pa Monsieur, je suis un Alleman.

MARS. Jst der Herr ein Teutscher / ey so lasset uns doch auch ein weinig Teutsch mit einander reden.

MONSIEUR SAUSEWIND. Was meinem Herren gefält / mir gilt es gleiche viel / was einer vor eine Sprache mit mir zu reden begehret / is dieweil Jch sie alle verstehe.

MARS. Per Dieu das were viel / so ist der Herr vor mich nicht / denn wenn Jch kein Teutsch reden könte / so wäre Jch fast stumm; Aber / der Herr verzeihe mir / Er wird gewißlich ein Kavallier seyn?

MONSIEUR SAUSEWIND. Ja mein Herr / Jch bin so ein armer schlechter Kavallier / heisse sonst meinem rechten Namen nach Monsieur Sausewind.

MARS. Das ist mir in Wahrheit sehr lieb zu vernehmen / daß der Herr ein Kavallier ist / aber / Er sage mir doch / welcher Partei und wie lange hat Er wol gedienet?[133]

MONSIEUR SAUSEWIND. Um Verzeihung mein Herr / Jch bin kein Soldat / bin auch niemahlen einer gewesen / gedenke auch mein Lebenlang keiner zu werden.

MARS. Monsieur, wie kan Er denn ein Kavellier seyn / wenn Er kein Soldat ist / jedoch saget an / was könnet Jhr sonst etwan vor Künste?

MONSIEUR SAUSEWIND. Mein Herr / Jch habe mich von meiner zahrten Kindheit an / biß auff diese gegenwertige Stunde / bloß und allein auff das studiern geleget / und habe dadurch fast alle Sprachen / Künste und Wissenschafften erlernet / also / daß Jch mich zu allerhand Bedienungen / so wol bei Fürstlichen Höfen als anderswo nützlich kan gebrauchen lassen.

MARS. So ist der Herr ein Blakscheisser höre Jch wol? Ja / Ja / die sind eben die rechte Gesellen / die können was schönes außrichten!

MONSIEUR SAUSEWIND. Ey der Herr verachte doch keine Leute / ehe und bevor Er sie recht kennet / die Blakscheisser sind auch allezeit keine Narren.

MARS. Was haben sie aber vor Reputation in der Welt? Wer fürchtet sich vor Jhnen? Wer gehorchet Jhnen? Nur Jch der tapfere Mars und meine untergebene Generalen / Obriste / Rittmeistere und Hauptleute / wir führen heute zu tage das Regiment in der Welt / wir beherrschen eigentlich die Königreiche / Fürstenthümer / Städte und Länder / wir schreiben den grossen Potentaten Gesetze vor / wir samlen die Schätze der Welt / und lassen uns beim Schlapperment von keinem Schulfuchse etwas einreden.

MONSIEUR SAUSEWIND. Ja leider Gottes / es ist wol hoch zu beklagen und hertzlich zu betauren / daß Kunst / Geschikligkeit /[134] Verstand und Tugend so gahr weinig wird geachtet. Aber Gestrenger Herr / Jch bitte unterthänig / Eure Excellentz halte mir es zuem besten / demnach Jch vernehme daß Er der gewaltiger und unüberwindlicher Mars ist / so wolle Er mich berichten / warum Er doch die Gelahrten so gahr weinig achte und seine Kriegesleute über alle andere erhebe?

MARS. Eben darum Monsieur Sausewind / dieweil die Gelahrte ins gemein armselige Tropfen sind / welche mit aller Jhrer Kunst bei diesen Martialischen Zeiten kaum das liebe Brodt können erwerben / da Jch und meine getreue Vasallen / aller Dinge / so zu belustigung Menschlichen Lebens dienen / einen Überfluß haben / angesehen man uns alles contribuiren muß / was wir nur wünschen und begehren.

MONSIEUR SAUSEWIND. Es ist in wahrheit nicht anders beschaffen / als wie es Eure Excellentz erwähnet / daß nemlich die Herren is Soldaten gleichsahm ohne mühe und vielmahls in den Quartieren gantz müssig liegend / reich werden / im gegentheil die allergelahrteste Leute / welche Gott und der Welt so nützlich dienen könten / müssen vielmahls bei Jhrer schweren und stetswehrenden Arbeit mangel leiden und darben. Fürwahr Jch liesse mich schier selber überreden / daß Jch den Schulsak hinweg würffe und auch ein Soldat würde.

MARS. Ja mein Kerl / daß wäre wol der rechte Weg zuer wahren Glükseligkeit / da köntest du zu einem rechtschaffenem Mann und Kavallier werden / da du sonst mit allen deinen brodlosen Künsten dein Lebenlang ein Hümpler und Stümpler must bleiben.[135]

MONSIEUR SAUSEWIND. Ja mein allertapferster Mars / es wäre wol eine feine Sache ein vornehmer Soldat zu werden / wenn man nicht / ehe und bevor ein guhter armer Gesell zu denen hohen Chargen gelanget / so gahr vielem Ungemache / Krankheiten / Überfällen / Hunger / Elend / ja Leibes und Lebens Gefahr unterworffen wäre: Denn / Jch halte es gäntzlich davor / daß das Kriegeswesen bei weitem nicht so glükselig sey / als viele unerfahrne liederliche Leute davon urtheilen. Mir zwahr ist noch unentfallen / was die Gelahrten pflegen zu sagen: Dulce Bellum inexpertis: Wer es nie versuchet hat / der vermeinet / der Krieg sey lauter Wolleben / aber die Erfahrung bezeuget viel ein anders.

MARS. Was sagest du verzagter Mensch von Gefahr und Ungemach? Es ist kein erwünscheter / glükseliger / wollustiger is und frölicher Leben unter der Sonnen / als eben das Soldatenleben / mahssen Jch dir dessen in dieser Stunde eine augenscheinliche Probe kan vorstellen.

MONSIEUR. SAUSEWIND. Das hätte Jch führwahr wol Lust zusehen / in betrachtung Jch bißanhero einer sehr schlechten Meinung gewesen von der itzlebenden Kriegesleute Beschaffenheit / Zustande / Thaten / Wandel und endlichem Abscheide aus diesem in ein anderes Leben.


Der Schauplatz öffnet sich / da sitzen Jhrer vier an der Tafel / zwei spielen Piquet / die beide andere spielen mit Würffelen oder verkehren im Brett / es stehen etliche Beutel vor Jhnen an ff der Taffel /samt vielen stapelen Thaler und anderem Gel de /mit welchem sie lustig klapperen. Einer sagt: Er habe 500. Dukaten gewonnen / der ander sagt / Er habe 1000. Reichsthaler davon gezogen / u.s.w. Nachdeme Sausewind nebenst dem Mars dieses ein weinig angesehen und betrachtet / schliesset sich der Schauplatz.
[136]

MARS. Ja Monsieur Sausewind / wie gefält dem Herren diese Übung? Jst das nicht eine rechte brave Lust / wenn man bißweilen des Abends mit ein paar tausend Dukaten zu Bette geht / welche zu erwerben nicht mehr mühe haben gekostet / als nur das blosse gewinnen und hernach die Gelder fein zu sich stekken?

MONSIEUR SAUSEWIND. Fürwahr / Großmächtigster Mars / dieses muß Einen trefflich sanfft ankommen / wann man also ohne Arbeit kan reich werden / und zwahr so plötzlich; Aber / wenn man auch bißweilen eine guhte Summa Geldesverlieret / ja wol gahr nakkend zu hause geht / so muß denn auch Herr Kornelius redlich turnieren.

MARS. Was verlieren? Wer achtet so viel Geldes? Eines einzigen Monats Contribution kan solches alles wieder einbringen / müssen uns doch die Bauren das Geld mit hauffen zuschleppen.


Der Schauplatz eröffnet sich zuem anderen mahl /da sitzen eben diese vier Kavallier und sauffen einander rechtschaffen auff die Haut / ein paar sitzet auff den Knien trinket Gesundheit / der dritte stehet auff dem Tische und säufft in floribus, der vierte singet immittelst daß Runda dinella und andere Saufflieder / haben einen Kerl mit der Leier oder sonst einen Bierfiedeler bey sich / sind sehr lustig und machen allerhand Possen / der Schauplatz schliesset sich.


MARS. Was hältest du denn wol von diesem frölichen Leben Monsieur Sausewind? Gehets da nicht lustig daher? So machen wir es alle Tage von dem früen Morgen an biß in die spähte Nacht / der Hals muß stets geschmieret seyn.

MONSIEUR SAUSEWIND. Jch kan nicht leugnen mein tapferer Mars / daß Soldaten Leben ein rechtes sorgloses freies Leben sey. Denn /[137] wenn Gelahrte und andere Leute sitzen und wollen sich entweder zu tode studiren / oder auch wol wegen des kümmerlichen Zustandes des allgemeinen Vaterlandes zu tode sorgen / so sind die Soldaten rechtschaffen lustig und frölich / sie doppelen und spielen / fressen und sauffen / daß es rauschet. Wer wolte sich nun wol länger mit den Büchern schleppen? Jch wil ein Kavallier werden und solte Jch mich auch drüber zu tode sauffen.

MARS. So recht / Herr Sausewind / nun beginnest du endlich zu guhten Gedanken zu kommen / aber / Jch wil dir noch mehr Lust und Freude des edlen Soldatenlebens bei dieser Gelegenheit zeigen. Der Schauplatz gehet auff zuem drittenmahl / da tantzet der eine Kavallier mit der Jungfrauen / der Ander sitzet / hat ein Weibesbild im Arm / die übrige beide spielen mit anderen Damen um einen Kuß / thun heissen / heimliche Frage und dergleichen / gehet auch sonst über die masse freundlich und zimlich leichtfertig daher / der Schauplatz wird geschlossen.

MONSIEUR SAUSEWIND. So recht! das gehöret mit dazu / wenn keine brave Damen bei lustiger Gesellschafft: sind / so achte Jch kein Hahr darauff: Nur Mund an Mund / nur Brust an Brust / das schaffet rechte Freud' und Lust.

MARS. Ja freilich / mein redlicher Sausewind müssen Damen dabei seyn / was wäre es sonst mit dem Kriegeswesen? An solcher Gesellschafft fehlet es den ehrlichen Soldaten nimmer: So manches neues Quartier / so manche frische Huhre / wie könte ein unverehlichter Kavallier sonst in der Welt zu rechte kommen?

MONSIEUR SAUSEWIND. Das meine Jch auch wol; Fürwahr es solte Einer allein um der Damen willen ein Soldat werden / denn[138] Jch ein so grosser Liebhaber des Frauenzimmers bin / daß Jch auch nicht einmahl im Himmel zu seyn begehre / wenn Jch wüste daß keine Damen darin wären.


Der Schauplatz öffnet sich zum vierdtenmahl und stehet einer als ein General gantz prächtig bekleidet / vor welchem sich die andere drei fast biß zur Erde neigen / und Jhme die allerhöheste Ehre erweisen / hinter Jhm stehet ein Baur / hat sein Hühtlein in der Hand / der Schauplatz wird geschlossen?


MONSIEUR SAUSEWIND. Aber / Großmächtigster Mars / wer mochte doch wol der vornemer Herr seyn / welchem die Andere solche treffliche Ehre anthäten?

MARS. Dieser Kavellier / Monsieur Sausewind / den du gleich itz hast gesehen / zeiget dir abermahl gleichsam in einem Spiegel die übergrosse Glükseligkeit der Soldaten / denn / ob Er zwahr aus gahr schlechtem Stande ist entsprossen /(wie denn der jeniger Baur / der mit abgezogenem Hühtlein neben Jhm stund / sein leiblicher Vater gewesen /) so hat Er doch durch seine Tapferkeit es so hochgebracht / daß Er endlich ein grosser General worden / welcher bei dieser Zeit vornehmen Fürsten und Herren hat zu gebieten /gestalt Er denn auch von denen trefflichsten Leuten der Welt als ein halber Gott wird respectiret, weßwegen du abermahl mit mir wirst bekennen müssen / daß / wer zu hohen Digniteten und Ehren zu kommen gedenke / der müsse nothwendig ein Soldat werden.

MONSIEUR SAUSEWIND. Dem ist in der Warheit nicht anders / O allertapferster Mars / Jch sehe es ja vor Augen / daß die Vollenkommenheit[139] aller weltlichen Glükseligkeit bloß und allein beim Kriege bestehe: Jm Kriege kan Jch ohne mühe und Arbeit reich werden: Jm Kriege kan man immer lustig seyn / fressen und sauffen / huhren und buben / singen und springen. Jm Kriege kan man zu hohen Ehren und Respect gelangen / da einer sonst sein Lebenlang wol ein schlimmer Bärenhäuter muß bleiben / Jch wil die Bücher vor alle Teuffel hinauß werffen / und dir / O Großmächtigster Mars / nachfolgen / so lange Jch einen warmen Blutstropfen beim Hertzen habe / und einen Degen nebenst einem pahr Pistohlen in der Faust kan führen. Sa, courage, vive la guerre.

MARS. Glük zu mein redlicher Herr Sausewind: Glük und Heil zuem neuen Obristen oder vielleicht gar zum General Feld Herren.

MONSIEUR SAUSEWIND. Jch bedanke mich unterdienstlich / großmächtigster Mars / und bitte demühtig / Er wolle bei diesem neuen Stande mein grosser Beförderer seyn / Jch verpflichte mich hinwieder / Jhme biß in den Tod getreu / redlich und unverdrossen zu dienen.

MARS. An meiner guhten Gunst und Befoderung hat kein ehrlicher Kavallier zu zweifelen / halte du dich nur in allen Occasionen, sonderlich Teutschland zu tribuliren also / wie du itz hast angelobet / welches du auch nochmahls mit darreichung der Hand an Eides statt wirst bekräfftigen.

MONSIEUR SAUSEWIND. Warum daß nicht mein tapferer Mars? Siehe da / Knifft dieser Handgebung versichere Jch den allgemeinen Beherrscher der Kriege / den unüberwindlichen Mars / daß Jch mich hinführo als ein ehrlicher / muhtiger und rechtschaffener Soldat und Kavallier verhalten / auch Jhme das halstarrige Teutschland aller mügligkeit nach wolle[140] plagen helffen kan führen / so lange Jch lebe und die Waffen in der Faust kan führen.

MARS. So recht / mein ehrlicher Sausewind / da sehe nur zu / daß du dich braf außmontierest / guhte Rüstung / Pferde und Gewehr zuer Hand schaffest und dich alsdenn bei Zeiten einstellest / damit du mir das hartnäkkichte verstokte Teutschland nebenst mehr anderen deinen Kriegesbegierigen Landesleuten noch ferner mügest helffen tribuliren, peinigen und plagen. Jch aber gehe itz hin / alles das jenige / was etwann mehr hiezu nöhtig seyn wird / mit sonderem fleisse ferner anzustellen / nicht zweifelend / das verruchte gottlose Teutschland nun bald zuer eussersten desperation und Verzweifelung dadurch zu bringen. Mars gehet allein vom Platze.


Quelle:
Johann Rist: Sämtliche Werke. Berlin und New York 1972, S. 131-141.
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