Uber das hochheilige Evangelium am Festtage Sanct Michaelis, Matth. 18.

[296] Melodie: Hertzlich thut Mich verlangen nach Einem Seligen Ende, u.s.w.


1.

Ihr wunderschöne Geister,

Welch' Anfangs hat gemacht

Ein noch viel schöner Meister,

Der alles wol bedacht:

Ihr Engel nach dem Wesen

Im grossen Heiligthum,

Ihr Trohnen auserlesen,

Sehr hoch ist Eüer Ruhm!


2.

Aus nichts seid Ihr geschaffen

Und zwahr in grosser Meng',

Ihr sieget ohne Waffen,

Sehr hell' ist Eür Gepräng'.

Es ist kein Ohrt bewahret

So fest, so fern, so weit,

Den Ihr nicht überfahret

Durch Eüre Schnelligkeit.


3.

Ihr Sadduceer, schweiget

Und glaubet doch der Schrift,

Die klährlich das bezeüget,

Was dise Lehr' antrift:

Ob wir schon hier nicht sehen

Der Engel grosse Schaar,

Daß Sie doch gleichwol stehen

Dort oben offenbahr.


4.

Sehr groß sind Ihre Gaben,

Als Weißheit und Verstand,

Die Sie vom Schöpfer haben,

Der dises weite Land

Im Anfang' hat bereitet,

Woselbst der Engel Zier

Sich treflich ausgebreitet

Und bleibt so für und für.
[296]

5.

Doch sol man Sie nicht ehren

Wie Gott, das höchste Gut,

Und dessen Ruhm verseeren,

Der so viel Thaten thut.

Sie sind zwahr sehr geflissen

Zu dienen Gott fohrthin,

Doch können Sie nicht wissen

Der Menschen Hertz und Sinn.


6.

Sehr heilig ist Ihr Leben,

Keüsch, züchtig und gerecht;

Die wehrte Geister schweben

Als edle Tugendknecht'

Und können nimmer fallen,

Demnach Sie kräftiglich

Bestätigt sind in allen

Und niemahls ändern Sich.


7.

O Mensch, wilt du Sie haben

Zu deines Lebens Schutz,

So fass' auch Ihre Gaben:

Nur from sein ist dir nutz.

Wen Sie dich sollen lieben,

So must du für und für

Im guhten dich auch üben

Auf Englische Manier.


8.

Sie sind auch tapfre Helden,

Sehr groß von Kraft und Macht,

Als viel' Exempel melden,

Der auch die Schrift gedacht.

Ein Engel konte schlagen,

Was Er im Läger fand,

Ein Engel machte Zagen

Das gantz Egiptenland.


9.

Sie lieben Gott von Hertzen,

Sie loben Ihn mit Lust:

Den schönen Himmelskertzen

Ist anders nichts bewust

Als Gott und uns zu dienen;

Diß thun ohn' unterlaß

Auch Selbst die Cherubinen,

O welch' Ein Ehr' ist das!


10.

Es dienen uns auf Erden

Die schnelle Geisterlein,

Wen wir gebohren werden

Und erst des Tages Schein

In diser Welt anblikken;

Sie halten uns ja Schutz,

Daß uns nicht müg' erstikken

Des Satans Grim und Trutz.


11.

In unserm Thun und Leben

Sind dise Helden auch

Zu dienen uns ergeben,

Ja folgen dem Gebrauch,

Daß Sie wie Kämpfer stehen –

O welch Ein' Hülff in Noht! –

Und auf uns arme sehen

So gahr biß in den Tod.


12.

Wen wir zuletst nun scheiden

Aus diser schnöden Welt,

So führen Sie mit Freüden

Uns in des Himmels Zelt,

Daß wir zur Ehr' erhoben

Und aus der Angst befreit

Den Allerhöchsten loben

In Seiner Herligkeit.


Quelle:
A. Fischer / W. Tümpel: Das deutsche evangelische Kirchenlied des 17. Jahrhunderts, Band 2, Hildesheim 1964, S. 296-297.
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