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[296] Melodie: Hertzlich thut Mich verlangen nach Einem Seligen Ende, u.s.w.
1.
Ihr wunderschöne Geister,
Welch' Anfangs hat gemacht
Ein noch viel schöner Meister,
Der alles wol bedacht:
Ihr Engel nach dem Wesen
Im grossen Heiligthum,
Ihr Trohnen auserlesen,
Sehr hoch ist Eüer Ruhm!
2.
Aus nichts seid Ihr geschaffen
Und zwahr in grosser Meng',
Ihr sieget ohne Waffen,
Sehr hell' ist Eür Gepräng'.
Es ist kein Ohrt bewahret
So fest, so fern, so weit,
Den Ihr nicht überfahret
Durch Eüre Schnelligkeit.
3.
Ihr Sadduceer, schweiget
Und glaubet doch der Schrift,
Die klährlich das bezeüget,
Was dise Lehr' antrift:
Ob wir schon hier nicht sehen
Der Engel grosse Schaar,
Daß Sie doch gleichwol stehen
Dort oben offenbahr.
4.
Sehr groß sind Ihre Gaben,
Als Weißheit und Verstand,
Die Sie vom Schöpfer haben,
Der dises weite Land
Im Anfang' hat bereitet,
Woselbst der Engel Zier
Sich treflich ausgebreitet
Und bleibt so für und für.
[296]
5.
Doch sol man Sie nicht ehren
Wie Gott, das höchste Gut,
Und dessen Ruhm verseeren,
Der so viel Thaten thut.
Sie sind zwahr sehr geflissen
Zu dienen Gott fohrthin,
Doch können Sie nicht wissen
Der Menschen Hertz und Sinn.
6.
Sehr heilig ist Ihr Leben,
Keüsch, züchtig und gerecht;
Die wehrte Geister schweben
Als edle Tugendknecht'
Und können nimmer fallen,
Demnach Sie kräftiglich
Bestätigt sind in allen
Und niemahls ändern Sich.
7.
O Mensch, wilt du Sie haben
Zu deines Lebens Schutz,
So fass' auch Ihre Gaben:
Nur from sein ist dir nutz.
Wen Sie dich sollen lieben,
So must du für und für
Im guhten dich auch üben
Auf Englische Manier.
8.
Sie sind auch tapfre Helden,
Sehr groß von Kraft und Macht,
Als viel' Exempel melden,
Der auch die Schrift gedacht.
Ein Engel konte schlagen,
Was Er im Läger fand,
Ein Engel machte Zagen
Das gantz Egiptenland.
9.
Sie lieben Gott von Hertzen,
Sie loben Ihn mit Lust:
Den schönen Himmelskertzen
Ist anders nichts bewust
Als Gott und uns zu dienen;
Diß thun ohn' unterlaß
Auch Selbst die Cherubinen,
O welch' Ein Ehr' ist das!
10.
Es dienen uns auf Erden
Die schnelle Geisterlein,
Wen wir gebohren werden
Und erst des Tages Schein
In diser Welt anblikken;
Sie halten uns ja Schutz,
Daß uns nicht müg' erstikken
Des Satans Grim und Trutz.
11.
In unserm Thun und Leben
Sind dise Helden auch
Zu dienen uns ergeben,
Ja folgen dem Gebrauch,
Daß Sie wie Kämpfer stehen –
O welch Ein' Hülff in Noht! –
Und auf uns arme sehen
So gahr biß in den Tod.
12.
Wen wir zuletst nun scheiden
Aus diser schnöden Welt,
So führen Sie mit Freüden
Uns in des Himmels Zelt,
Daß wir zur Ehr' erhoben
Und aus der Angst befreit
Den Allerhöchsten loben
In Seiner Herligkeit.
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