Scena IIII.

[23] Ophiletes. Scriba.


OPHILETES.

Gestern ist aber gewest bey mir

Des reichen Hanses Diener hier,

Mahnt mich hart, das ich zahlt die schuld,

Sein Herr wolt nicht längr han gedult;

Wo nicht, wolt er mich pfenden aus,

Wegn 30. thaler treibn aus dem Haus.

Nu kund ich nicht lenger kriegn zeit

Denn nur biß auff diesen tag heut.

Derhalb hab ich, so viel ich kund,

Zuhauff gebracht, das ich jetzund

Jm bring das Gelt in einer sum,

Damit ich sein einmal abkum,

Das so bey seiner hoffartey

Vnd prangen ja kein mangel sey.

Denn ich sich, all sein thun ist das,

Das er von all man reisse was,

Damit er sich auffs köstlichst kleid

Vnd teglich wol leb in Pankeit.

Vnd eh mans daran mangeln lest,

Muß mancher armer thun das best,

Muß darzu geben, was er weis

Zu werben mit seim sawren schweis.

Wie gehts so vngleich in der Welt!

Die arm sein vnd habn selden Gelt,

Müssen von jrer armut noch[23]

Dem Reichen allzeit geben gnug. –

Aber des Reichen Schreiber dort

Geht eben hier an diesen ort.

Drümb wil ich sein erwarten hie,

Biß das er neher kömpt herbey.

SCRIBA.

Nu mus ich aber gehn dahin,

Da ich nicht sehr wilkommen bin.

Jedoch, weil ich meins Herren huld

Hab lieber, denn die ich vmb schuld

Ansprechen mus, laß ichs geschehn,

Das mich viel Leut nicht gerne sehn.

OPHILETES.

Ein Wolff hett ich offt lieber zwar

Denn dich gesehn; das gleub fürwar.

SCRIBA.

Drümb richt ich aus, was mir gebürt,

Wil sehn, was ich erjagen werd.

Vnd erstlich mus ich sprechen an

In dieser Gassen einen Man,

Der Ophiletes ist genant,

Der mus gelt geben oder pfand;

Denn er hat lenger mehr kein frist. –

Sich, eben er verhanden ist.

Wie steths denn vmb das Geld, sag an?

Heut wils mein Herr, wie du weist, han.

OPHILETES.

Sey wol zufrieden, liebr Gesell!

Ichs jm noch wol bezalen wil.

Ich halt, ich wil deins Herrn wol

Vnd dein abkommen noch ein mahl

Vnd mich denn warlich wol sehn für,

Das ich jm nicht werd schuldig mehr.

Denn er ein karger Gleubger ist,

Vnd du ein harter Mahner bist.[24]

SCRIBA.

Eh du von vnser Schefferey

Durch deine listig teuscherey

Die wolle bekamst für dein hauß,

Gabestu viel besser wort aus.

Nu du aber auch Gelt solt gebn,

Nu ist dir das mahnen nicht ebn.

Aber bezahl! So thust jm recht.

OPHILETES.

Du bist darzu ja nur ein Knecht;

Dennoch bistu so trotzig zwar,

Obs dein allein ghört gantz vnd gar.

Vnd du magst auch woll wissen ebn,

Vmb Gotts willn ist mir nichts gegebn.

Ich hab es thewr müssen bezahln,

On das ich nur das letzte mahl

Hab vierzehn tage frist gebeten.

Darümb wilt mich gar in dreck tretten.

Da hastus nun; was wiltu mehr?

SCRIBA.

Ja, wenns auch recht gezelet wer?

Mein Vater lert mich, das ich Geld

Nicht sol einnemen vngezelt.

Die Heubtsum ist recht, aber doch

Bistu meinm Herren schuldig noch

Zween gülden, das du hast die schuld

Nicht auff benante zeit behalt.

So helts mein Herr mit jederman.

OPHILETES.

Sol ich jm wucher geben dann?

SCRIBA.

Es ist kein wucher, merck mich ebn,

Du must nur Interesse gebn.[25]

OPHILETES.

Jr zieht das Interesse weit,

Darzu ist es ein kurtze zeit.

Seins doch nur allein vierzehn tag!

SCRIBA.

Ja, vierzehn tag; ist das nicht gnug?

Doch ich wil mit dir nicht darümb

Viel disputiern; das sey kurtzümb:

Mein Herr hat mirs also befohln,

Drümb sich nur, das du es mügst bzahln,

Ehe dir begegnt ein grösser leid!

Damit hastu nu dein bescheid.

OPHILETES.

So lesch die schuld gleichwol, bitt ich!

SCRIBA.

Dafür darffstu mehr sorgen nicht.


Quelle:
Georg Rollenhagen: Spiel vom reichen Manne und armen Lazaro. Halle a.d.S. 1929, S. 23-26.
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