Scena XV.

[108] Lazarus. Porphyrius. Byssinus. Oeconomus. Mastyx.


LAZARUS interim, dum potant.

O HErr, den Gott so mildiglich

Mit so viel Gürtern vnd reichlich

Begabet hat für ander Leut,

Ich bitt durch Gotts Barmhertzigkeit,

Ewr Augen kert hier wenig her,

Erbarmt euch mein, drümb bitt ich sehr.

Ewr Geld vnd Gut beger ich nit,

Was euch kund schaden, ich nicht bitt,

Allein das jr verwerffet sonst

Vnter den Tisch, gebt mir aus Gunst![108]

Denn ich leid Hunger vberaus,

Von ohnmacht ich verschmachten mus.

Lasst euch bewegen, Herre mein,

Das wir all Menschen sterblich sein,

Das wir all eines Vaters Kind,

All eines Gottes Schöpffnis sind.

Wil schweigen, das ewr Gütigkeit

Nicht werden lobn allein die Leut,

Sondern das daran selber Gott

Ein lust vnd auch gefallen hat.

Auch werd jr des kein Schaden han,

Sondern viel mehr gewinnen dran.

Denn wer eim Armen gibt in Noth,

Der kriegts widr mit Gewin von Gott.

Drümb euch, Herr, wenig zu mir wend,

Seht an mein heubt, mein füß, mein hend,

Seht an am Leib die Glieder mein,

Wie vnrein sie von Eyter sein,

Das ich mich nicht kan regen mehr!

Der Tod hat mich gefressen schier;

Ich mus jetzt sterben diesen Tag,

So ich von euch nichts kriegen mag.

Derhalben, Herr, bitt ich durch Gott,

Lasst mir werden ein Krümlein Brot!

PORPHYRIUS.

Was bleckt daraussen für der Thür?

Hab ichs euch nicht gesagt zuuor,

Das jr kein Bettler lassen solt

Für meinem Haus, wehr, wer er wolt?

Niemand gdenck ich zu geben was,

Auch nicht, der sich heist Lazarus.

BYSSINUS der ander Bruder.

Gib jm nur nichtes, rath auch ich.

Denn mehr hat man von jnen nicht

Denn Stanck vnd Vnlust, wenn man wil

Mit Gesten frölich sein bißweil.[109]

OECONOMUS.

Vnd ich, Mastyx, befehl hart dir,

Das du sie treibst mit Schlegn von hier.

MASTYX.

Ich habs gethan, vnd fürnemlich

Dem Lazaro gebn gute Streich.

Jedoch dieweil er nicht kund gehn

Für Kranckheit, erbarmt ich mich sein

Vnd schlept jn an die ander seit

Des Hauses, da man nicht viel geht.

PORPHYRIUS.

Wer hat dir das befohlen dann?

Solstu nicht thun, was ich wolt han?

Geh hin, so er sich nicht weg macht,

So schlep jn, daß jms Hertze kracht!

Könn wir denn für dem Bösewicht

Ein Mahlzeit Brotes essen nicht?

Bin ich jm doch nichts schüldig zwar,

Oder wil er mich zwingen gar?

Es ist ein schand von dem Gesind,

Das sie so vnuerschemet sind.

Wir aber wollen frölich sein;

Drümb, Syre, heiß bald kommen rein

Die Spielleut jetzund allzumal,

Das sie vns hier in diesem Saal

Machen ein hübschen, schönen Gsang,

Das man vberall hör den Klang!

Liebs Weib, mir vnd den Gesten alln

Tantz ein Galliarde zu gefalln

Vnd laß den kleinen Son mitspringen!

Er ist gar lustig zu den dingen.

PLUSIA.

Worümb nicht, Herr, wenn jr nur wolt?

Jr Knaben eins hermachen solt.


Quelle:
Georg Rollenhagen: Spiel vom reichen Manne und armen Lazaro. Halle a.d.S. 1929, S. 108-110.
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