Das XII. capitel.

Freie leut strafen ist geferlich.


"Man findet zwar auch manchen man,

Der mutwilln nicht ansehen kan

Und nimt sich für mit ernsten mut,

Er wols nicht lassen gehen für gut,[280]

Das ein jeder loser gesell

Verachte seines amts befel;

Wolle dermals einen so zeichen,

Es sol andrn zum abscheu gereichen.

Aber sobald ers setzt ins werk

Und will versuchen seine sterk,

So braucht der schalk auch seine tück,

Damit er aus der straf entrück,

Und klagt bei seinen rotgesellen,

Wie die regenten ihm nachstellen,

Ihn an seim leben, gut und eren

Unbilliger weis zu beschweren.

Sein rechte sach müsse nicht gelten,

Es helf weder beten noch schelten.

Wolten getreulich bei ihm stehen.

Sonst würd es ihnen auch so gehen.

Da lauft man denn mit haufen zu,

Will, das der regent niemands tu,

Es sei denn ihn so auch gefallen:

Solch recht gebüre ihnen allen.

Weicht er dem rasenden gesind,

Will nicht blasen wider den wind,

So spott der schalk sein in der haut,

Spricht: Wie ist der herr so kleinlaut!

Will er aber mit recht ausfüren,

Das sich die straf so wolt gebüren,

So wird ihm sein abscheid gegeben,

Odr kömt noch wol gar um sein leben. –

Wie es denn gieng Seuwart dem hund,

Der sich hierin nicht schicken kunt.

Es waren in der eckermast

Der seu in die zweihundert fast,

Welche Grützwürster der seuhirt

Morgens aus- und abends einfürt,

Das er sie für den wolf mit hörten

Die nacht besatzt an bsondern örten.[281]

Grützwürster aber hielt die weis

Und verhütet mit allem fleiß,

Das die seu nicht vonander trieben,

Sondern all fein beisamen blieben,

Und wo eins irgend abwerts gieng,

Gab er ihm mit der peitsch ein schmink

Oder warf mit knütteln und steinen,

Das sie hinkten an füßen und beinen. –

Die tyrannei tet allen wehe,

Sagten zu, sie wollen nicht mehe

Von ihrem algemeinen haufen

Ein fußtritt in den wald entlaufen,

Wenn er ihnen nur on verdrieß

Ihr eigen weis und willen ließ,

Der sie mit gutem recht und eren

Von jugend auf gewonet weren;

Wenn nur Seuwart bei ihnen blieb,

Der sie ein- und wieder austrieb,

Dem wolten sie von herzen gern

Gehorsam leisten on beschwern,

Lieber seim bellen folgen mit freuden,

Denn peitschschlagen und werfen leiden;

Sie weren nicht knechtischer art,

Die on schlege nicht erbar ward,

Wie die esel und müllerknecht

On schlege sonst nichts machen recht;

Sondern so gar edel geboren,

Das aller zwang bei ihn verloren,

Wo sie nicht selbst für sich auch wolten

Freiwillig tun alls was sie sollen.

Indem sie denn den alten seuen,

Ihrn vorfaren, folgten mit treuen,

Das er daraus solt billig spüren,

Das sie so freches leben füren

Von den toten mantieren essen,

Ihr eigne kinder selber fressen,

Und, kleidt man sie mit gülden stücken,

Sie legtn sich im kot auf den rücken.[282]

So wenig achten sie der er,

Welchs ihr adliche tugend wer,

Behielten doch ihr ernst geberd,

Kein erenstand würd ihn gewert,

Kein mantier wer so voller trutz,

Das sie ihm nicht böten ein stutz;

Und was der wort waren noch mer

Die sie zu ihm grunzten daher. –

Ob Grützwürster gleich murrt und flucht,

Was taug denn ein ding unversucht?

Gedacht er dennoch auch daneben,

Du wilt ihrem bitten stat geben,

Bald sehn in eim oder zween tagen

Wie sie des Seuwarts recht vertragen.

Befal damit dem Seuwart sein

Das regiment über die schwein.

Seuwart ser treu und fleißig war,

Für sorgen grauet ihm sein har,

Gedacht, weil Grützwürster sein herr

Ihm gönnet so viel macht und er,

Und ihn die seu würdig erkanten,

Das sie ihn den aufseher nanten,

So wolt er weislich darauf sinnen,

Wie er möcht ihr herzen gewinnen,

Das sie das recht mit willen teten

Und nicht über die weid austreten.

Wenn er sie ausfürt in die weid,

So sprang er für ihn her in freud

Und macht mit dem bellen ein schall,

Das in dem wald herwider hall,

Und gieng darnach bei ihn spazieren;

Wolt aber eins sich wo verlieren

Und etwas weit neben austreten

Oder sich irgendwo verspeten,

So fand er sich zu ihm mit bitt:

Es wolt sich ja verseumen nit;

Oder sprang auf, drauet dem hafen,

Wie er gewonet bei den schafen.[283]

Es hatten auch erstlich die seue

Für seim bellen besonder scheue,

Bis das sie das wurden gewon,

Da achten sies nicht um ein bon,

Taten alls, was ihn wolgefiel,

Und schritten weit über das ziel.

Sagt denn der hund etwas dawider,

So legten sie sich gar danider

Bis an die oren in den dreck,

Sagten: Er kom, ist er so keck

Er ist ein verzagter böswicht,

Er bellet wol, abr beißet nicht. –

Dem hund tat der trotz heftig wehe,

Sagt: Wenn ich dem spiel mer zusehe

Und nicht ein ernst brauch in den sachen,

So werden sies noch erger machen.

Denn wir sein alle so gesint:

Je frömmer vater, je erger kind,

Je weicher arzt, je feuler wund,

Je schlechter jegr, je schlechter hund.

Wenn ich nun eins der großen beiß,

Fürcht ich, das mirs den bauch aufreiß

Odr mit der zene krummen schroten

Die strümpf herabziehe bis zum, knoten.

Ich muß mit eim kleinen versuchen,

Erst mit vermanen, denn mich fluchen.

Wills denn nicht, so ist alles schlecht,

Ich wills strafen nach gstrengem recht.

Alsbald sahe er ein ferklein stehen

Und weit hinter den andern gehen,

Er lief und sprach: Horch, mein gesell,

Ich werde dir rücken ein fell,

Wo du mir bist ungehorsam

Und wanderst nicht mit vornen an! –

Das ferklein murrt und blieb stracks stehen,

Wolt sich nach ihm nicht ummesehen,[284]

Sondern da nach seinem vorhaben

Zuvor ein erdapfel ausgraben.

Dem hund verdroß die sicherheit,

Flucht ihm viel schand und herzeleid,

Das auch das ferklein aus unmut

Antwort: Schau, was der teufel tut!

Wilt du dein zorn an mir auswetzen

Und mir allein die buß aufsetzen,

Und siehst, das alle große seue

Was sie wollen tun one scheue?

Du tust gleich wie der habicht pflegt,

Der adler, rabn und weihe vertregt,

Dieweil sie ihm zu hoch gesessen,

Will die unschüldig tauben fressen.

Das solt wol sein, wie man sonst sagt,

Ueber ungleiches urteil klagt:

Die kleinen dieb, die müssen hangen,

Die großn mit gülden ketten prangen;

Wo der zaun am niedrigsten ist,

Steigt man über zu aller frist. –

Der Seuwart kont das nicht verschmerzen,

Es war ein stich in seinem herzen,

Das ihm das allerkleinste schwein

Hersagen durft ein solchen reim,

Und faßt es zornig bei dem rücken.

Für dem mutwilln etwas zu drücken.

Das ferklein aber rief: Currit!

Macht mich von diesem mörder quit! –

Da ward ein rauschen wie ein wind,

Da donnerwetter unter sind;

Da kamen über einen haufen

Die seu mit großem zorn gelaufen',

Fragten, was sein solt die gewalt.

Er kont nicht antworten so bald,

Als sie ihn anfiengen zu rücken

Und zerrissen auf kleinen stücken.[285]

So nam des Seuwarts regiment

In kurzer zeit ein schrecklich end.

Da aber Grützwürster ankam

Und diese aufrur da vernam,

Das sie den aufseher ermordt,

Sein leib noch fraßen an dem ort,

Sprach er im zorn mit großen klagen,

Ich hab oftmals das hören sagen:

Kein besser recht könt man bescheiden,

On das der schalk selber müst leiden

Was er eim andern hab geton,

Das gleich erbeit hab gleichen lon.

Ihr habt eurn aufseher geschendt,

Getöt, gefressen gar verwendt;

Es soll nimmer werden vergessen,

Man soll euch töten und wider fressen!

Trieb sie damit am markt zu kauf;

Bald ward ein aufsehn und zulauf,

Jeder kauft und stach seine seue,

Belonet ihnen die untreue;

Und werden noch die seu geschlacht.

Das hat mutwill zu wegen bracht."
[286]

Quelle:
Georg Rollenhagen: Froschmeuseler. Zwei Theile, Teil 2, Leipzig 1876.
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