Das V. capitel.

Riechwetter sagt dem Murner eine historia von einem official und pfarrer.


"Es ist geschehn für alten jaren,

Da die frösch noch im irtum waren

Und ihr Beißkopf im ganzen land

Verbot den priestern den ehestand,

Das er selbst nicht verachtet würd,

Wenn er unehlich leben fürt

Und viel zeuget der hurenkind,[75]

Die man in allen landen findt:

Da bescheidet für sich einmal

Ein pfesslein der official,

Hielt ihm für, das er wüst bescheid,

Wie er von hoher obrigkeit

Statlich were verordnet worden,

Zu sehn auf den geistlichen orden,

Damit sie lebten keusch und rein,

Hetten mit weibern nichts gemein,

Wie er auch selbst also müst leben,

Sich des ehestandes gar begeben;

Nun wer ihm schmerzlich zu erfaren,

Das dis pfefflein für zween jaren

Ein bauersmegdlein zu sich genommen,

Von derselben ein kind bekommen;

Und wolten etlich noch bekennen,

Das ers solt einen ehestand nennen,

Weil ers nicht gespielt in der still,

Sondern mits megdleins eltern wil

Und in beisein erbarer leut

Ein ehestiftung gemacht die zeit,

Da er die in sein haus aufnam,

Nichts mangelt denn kirchgang daran,

Welchen zu derselbigen zeit

Verboten het ihr obrigkeit.

Solt dem so sein in der warheit,

Das ihm doch wer gar herzlich leid,

So het er seine pfarr verloren,

Sobald ein ander würd erkoren. –

Das pfesslein antwort zu der sach,

Das er hierin kein neues mach,

Weil im geistlichen recht beschrieben:

Ein concubin möcht einer lieben,

Und wer das tet und blieb dabei,

Zu recht eins keuschen lebens sei,

Nur das er kein Weib zur ehe nem;

Derselben halt er sich bequem,[76]

Hab kein eheweib, sondern ein magd,

Hoff, das dieselb übr ihn nicht klagt,

Bet dienstlich den official,

Wolt diese sach so überal

Decken helfen, zu allem glimpf

Das ihm nicht widerfur ein schimpf

Und er seiner pfarr würd entsetzt

Und alsdenn betteln müst zuletzt. –

Der official ernst het gebert,

Sagt, dis wer keins bedenkens wert,

Als ein öffentlich ergerniß,

Er müst schampen, das wer gewiß;

Jedoch wenn er die sünd wolt büßen,

Drei messen haltn auf bloßen füßen,

Funfzig gülden geben die zeit

Und jerlich drei: auf dem bescheid,

Wolt er die sachen wol ausfüren,

Der jugndhalb solt man dispensieren. –

Das pfefflein fast wider ein mut,

Beklagt sich doch seiner armut,

Weil er wenig het einzukommen

Und sein junker das best genommen,

Zwackt auch noch teglich wo er könt,

Er müst nemen was man ihm gönt,

Und bat, jerlich für den consens

Noch zu geben drei feiste gens;

Dismal aber wer da kein geld,

Solt er gleich verschwören die welt. –

Der official sagt nicht nein,

Doch das er jetzt geb zwanzig gulden,

Wolt er bleiben in seinen hulden. –

Das pfefflein nam wenig bedenken,

Wolt als nach seim vermögen schenken

Und dazu holen was not wer,

Dem official bringen her. –

Der official sagt: Bringt her,[77]

Was auch ist unser beider er. –

Das pfefflein gieng, sagt in andacht:

Schaut, was der ledig geiz doch macht,

Wie macht er die leut so gar blind,

Das sie vergessen wer sie sind!

Er helt selber wol vier schlafmegd,

On was sich noch heimlich zutregt,

Wenn er visitiert auf dem land;

O wie helt er den jungfraustand,

Eben wie des babstes cardinel:

Das ich ja nicht wer seine sel!

Noch sol ich für mein ehlich leben

Ihm jerlich zins und abtrag geben;

Das steht eim richter übel an,

Das er straft an eim andern man,

Dessen er sich auch schuldig weiß,

Tut selbst was er verbeut mit fleiß.

Abr es geht in der welt so zu:

Ein anders ist des schulzen ku;

Niemand gedenket hinterrück

An seinen sack vol böser tück;

Was andre tun, muß er beklagen,

Ein unbarmherzig urteil sagen.

Ich wil ihm geben, das er sehe,

Das ich mich auf ein schalk verstehe! –

Wie er nun war zu markt gewesen,

Bringt er getragn zween neue besen,

Geht damit dem official zu.

Der sprach: Ja mein, bringest du

Das schuldig concubinengeld,

Wie zuvor ist worden gemeldt? –

Ich gedacht, sprach er, an euer ler

Und wolt bedenken beider er,

Bitt, wollet von mir armen man

Den einen besen nemen an,

Das ich den andern mir behalt:

So wirds beiderseits recht bestalt. –

Was sol mir das sein für ein er?[78]

Ich verstehe gar nicht diese ler.

Wilst du also das urteil fellen,

Das man uns sol am pranger stellen

Und denn mit ruten streichen ab?

So far zum teufel mit der gab!

Sprach zornig der official. –

Der pfaff antwort zum letzten mal:

Her, meine meinung also war:

Kert für euer tür rein und klar,

Wie ich für meiner zu tun bereit,

So wirds rein und fein beiderseit.

Für seiner tür ker jeder fein,

So wirds in der ganzen stadt rein.

Wer selbst seiner sünd neme war,

Verschwieg eins andern mangel gar. –

Der han sagt weiter: Horch, Murner,

Was sich wol gebüret zur er,

Wie wenn ich auch von solchen besen

Wolt ein heimlich register lesen:

Man würd dich mer in fremden betten

Denn mich bei der nachtwach betreten.

Spots wert ist, der spot jederman

Und schaut nicht vor sich selber an. –

Murner entbrant sein neidisch herz,

Hub hoch empor sein langen sterz,

Antwortet kurz: Ich hab gehort,

Du kanst ser vil der weisen wort,

Und hast noch vil recht überlei,

Aber zu fressen nichts dabei,

On deinen feisten vollen kropf;

Ließ ich den weg, ich wer ein tropf.

Darum, es sei recht oder krum,

Ich wil dich fressen: das ist kurzum;

Grif ihn damit beim rechten arm,

Das blut herausspritzt frisch und warm,

Und wo Bellart aus ungeschicht[79]

Riechwettrn in eil erlöset nicht

Und die hausfrau zu hülf gerufen,

Er wer mit ihm davon gelaufen;

Aber er ward so abgebleuet,

Das ihn noch heut der tat gereuet. –

Dis war meiner mutter bericht,

Erzelt auch folgende geschicht:"
[80]

Quelle:
Georg Rollenhagen: Froschmeuseler. Zwei Theile, Teil 1, Leipzig 1876, S. 75-81.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Froschmeuseler
Froschmeuseler (9 )
Froschmeuseler
Froschmeuseler, Volume 1 (German Edition)

Buchempfehlung

Jean Paul

Titan

Titan

Bereits 1792 beginnt Jean Paul die Arbeit an dem von ihm selbst als seinen »Kardinalroman« gesehenen »Titan« bis dieser schließlich 1800-1803 in vier Bänden erscheint und in strenger Anordnung den Werdegang des jungen Helden Albano de Cesara erzählt. Dabei prangert Jean Paul die Zuchtlosigkeit seiner Zeit an, wendet sich gegen Idealismus, Ästhetizismus und Pietismus gleichermaßen und fordert mit seinen Helden die Ausbildung »vielkräftiger«, statt »einkräftiger« Individuen.

546 Seiten, 18.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.

434 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon