Das VI. capitel.

Murner wird Reineken gevatter und offenbaret ihm seine einige notkunst.


"Murner ist so bös und tücksch

Als Reinken sön, die jungen füchs;

Ja Reinken selbst darf er vexieren

Und mit seiner schalkheit umfüren,

Wie ich des ein exempel weiß,

Das solt du auch merken mit fleiß.

Als Reinikfuchs in jungen jaren

Murners kundschaft auch wolt erfaren,

Sucht er dazu gelegenheit,

Als sein weib früer sommerzeit

Eine junge tochter gebar

Und der sön noch dazu ein par,

Bat Murnern, das er zur kundschaft

Auf sich nem die gevatterschaft.

Das wuste sich Murner zun eren

Auf keinerlei weis zu erweren;

Wiewol er liebr daheime blieb,

Denn das er in dem wald umtrieb.

Begab sich also auf die fart

Nach Reinken festung Malepart,

Da er neben Grimbart den dachs

Und andern gestu des freudengelags[80]

Sich vom abend bis mitternacht

Beim guten schlaftrunk frölich macht.

Am morgen, wie es anfieng zu tagen,

Wolt Reinik hinausziehen jagen,

Damit er speiset seine gest,

Ihn erzeigt das liebst und best;

Und sprach damit den Murner an,

Ob er mit wolt zur gselschaft gan

Und auch versuchen jegerglück,

Er solt zum braten haben ein stück.

Dazu der Murner willig war,

Vermeint, es wer on al gefar.

Wie sie nun also gehen fort,

Sucht Reinik vil gesellenwort,

Fragt, weil Murner so in der stadt

Bis anher sich so verhalten hatt,

Was sein leben wer und sein wandel,

Was er braucht für gewerb und handel:

Würd on zweifel von den mantieren,

Die mancherlei sachen hantieren

Und brauchen vil behendigkeit,

Gelernt haben geschwindigkeit,

Heimlicher kunst auch vil erfaren;

Davon wolt er ihm offenbaren,

Was er meint, was sich leiden wolt;

Von ihm er wider fragen solt,

Was er nur im herzen begert,

Er wolts berichten unbeschwert. –

Murner antwort: Ich hab mein leben

Nicht auf vil große sorg begeben,

Sondern halt mich gern stil daheim,

On wenn mein verwandten gemein

Zu nacht sich an eim ort versamlen,

Daselbst zu tanzen und zu ramlen,

Da kom ich auch zu zeiten hin,

Sonst ich lieber im hause bin;

Je lengr je liebr bin ich allein,

Denn treu und glaub ist worden klein.[81]

Des auch mein eigen rotgesell,

Bellart, mir oft gerückt das fell,

Und manchs mantier mich nit wil riechen;

So muß ich mich elend verkriechen.

Das ich aber nicht müßig seß

Und mein brot nicht mit sünden eß,

Sondern den mantiern, meinen herrn,

Zur not dienet und auch zun ern,

Hab ich mit Bellart die hausmacht

Auf gleichen teil zu halten acht,

Das er die menschen, wölf und leuen

Sol anmeldn und helfen abscheuen,

Die giftigen heimlichen tier

Hab ich al vorbehalten mir:

Schlangen, eidechsen und die maus,

Ich weiß sie wol zu spüren aus,

Ja die wiesel, maulwürf und ratzen

Schrecken für meine zen und tatzen;

Wenn auch das kanin oder hase

Diebisch meines herren kraut ablase,

In keinem wege ich das zugabe,

Sondern biß ihn die gurgel abe:

Darum helt mich der hauswirt wert,

Lesset mich bleiben ungefert.

Das ist mein kunst und anders nicht,

Da habt ihr ganz allen bericht.

Wenn ich dabei mein weib und kind,

Die mir von got bescheret sind,

Kan behalten in sicherheit,

Das ist mein allergröste freud.

Kinder sein lieb, kommen vom herzen,

Gehn wider zu herzen mit schmerzen,

Das ich sie oft übr wand und tach

Im mund umtrag mit ungemach.

Dem vatr und mutter gebürt kein er,

Der seim kind gönt wedr lieb noch ler.

Sonst halt ich mich nach dem sprichwort,

Das ich von meinem vater hort:[82]

Halte dich rein und acht dich klein,

Sei gern mit got und dir allein,

Und mach dich nicht gar zu gemein.

So from macht sich das jungfreulein. –

Reinik fragt: Was braucht ihr für kunst,

Wenn euch entsteht der freunde gunst

Und ihr nichts mer seht denn den tod?

Wie entgeht ihr derselben not?

Habt ihr dawider nichts im faß? –

Er sagt: Ich muß bekennen, das

Der war klug, der laufen erdacht,

Der hat mich oft aus not gebracht.

Die kunst brauch ich für all gefar,

Hab sie probiert und funden war;

Denn ich halts für ein große tugend,

Die wol ansteht alter und jugend,

Das man nicht leicht feindschaft aufnem,

Sondern sei friedlich und bequem.

Der, wer alles vermeint zu rechen,

Was ihm die leut böses nachsprechen,

Der lebt immer in haß und neid

Und ist nimmer on zank und streit.

Wer als wil fechten und gar nichts leidn,

Hat sein schwert nimmer in der scheidn;

Und wird selbst müd, der andre jegt,

Schadet ihm selbst, der andre schlegt.

Helt aber unser feind nicht still

Und unser har ja haben wil,

Das man nicht allein manlich ringe,

Sondern vorsichtig davon springe

Und sich nicht begeb in gefar,

Ehe denn es nutz und nötig war,

Wie ich von den weisen vernommen:

Wer gfar liebt, wird darin umkommen!

Drum wenn ich spür, das meine feind

Mir etwas überlegen seind,

So kriech ich durch ein loch hinaus,

Versteck mich wie ein fremde maus[83]

Odr spring hinan die beum und mauren;

Kan ich daselbst denn auch nicht dauren,

Alsdenn bitt ich erstlich um gnad;

Wil die auch gar nicht finden stat,

So wer ich mich on al scheue,

Beiß und reiß wie ein brüllend leue,

Das, wo ich mich nicht solt erweren,

Doch sterben mag fürm feind mit eren."
[84]

Quelle:
Georg Rollenhagen: Froschmeuseler. Zwei Theile, Teil 1, Leipzig 1876, S. 80-85.
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