Das VII. capitel.

Reinik verspricht Murners einige kunst und rumet seinen sack voll.


"Reinik sein augen abwerts kart

Und sprach aus spöttischer hoffart:

Warlich, gvatter, mich jammert euer,

Das ihr den mantiern ungeheuer

Untrworfen seid mit dienstbarkeit,

Habt verloren alle freiheit

Und lasset euch dazu noch plagen

Von ihnen und von hunden jagen,

Wisset dawider nichts zu machen,

Kein kunst zu brauchen in den sachen,

On das ihr alls auf die flucht setzt,

Den feinden entspringet zuletzt;

Habt dies villeicht gelernt von meusen,

Von heillosen flöhen und leusen.

Das het ich nimmermer getraut,

Der gvatterschaft mich schier geraut,

Dazu ich euch darum erkoren,

Das ich urteilt bei euern oren

Und bei den leuenangesicht,

Ihr würdet sein on weisheit nicht.

Wie betreugt eim oft die person,

Ist nicht alls gold, was gleißet schon!

Abr ihr seid ein recht alber götz,

Wie ich aus eurem bericht schetz.[84]

Bleibt derwegen billig zu haus,

Sonst würd gfar euch kommen draus;

Denn wer jetzt wanket in der welt

Und weit ziehen muß über felt,

Und weiß sich nicht mit mancher list

Zu schicken wie die glegenheit ist,

Der komt in beschwerliche not,

Wird beraubt odr geschlagen todt.

Wie bin ich nur, die warheit zu sprechen,

Vil klüger gegen euch zu rechen.

Ich acht mich vil edler zun eren,

Das ich mich untergeb eim herren

Odr in der stadt und bürgerheuser

Schmarotzen gieng wie ein tockmeuser;

Doch mag ich nicht so gar allein

Einsiedel oder kleusner sein,

Sondern in großer versamlung,

Da sich finden beid alt und jung,

Die großen und die kleinen herrn,

Bin ich am allerliebsten gern.

Klein wasser machen niemand reich,

Best fischen ist im großen teich;

Und mache mein rechnung gewiß,

Das haupt sei edler denn die füß,

Besser sei, sich halten zun herrn,

Das man genieß ihrs guts und ern,

Denn das man sich mit bauren hudel

Und an ihren mistwagen sudel.

Wer sich stets menget unter die kleien

Wird auch gefressen von den seuen.

So fürcht ich nicht des mondes schein,

Wenn mir die sonn wil gnedig sein;

Wer aber je on sonn muß sein,

Der nem für gut des mondes schein. –

Doch halt ich hierin diese maß,

Das ich mich nicht zu weit einlaß

Und bleiben mög ein freier man,

Sofern ichs je vermag und kan.[85]

Gedenk, man sagt: Graurock reiß nicht,

Herrengnad und huld erbet nicht,

Dien lang und foder dafür nicht,

So verleurst deins herren gunst nicht.

Jedoch reiß ich mich nicht gar abe,

Das ich ein freien zutrit habe.

Wer von dem feur bleibt gar zu weit,

Erfreurt gewiß zu winters zeit,

Wer gar zu nahe trit, wird verbrant,

Im mittel ist der beste stand.

Bei den, so die vornemsten sein,

Kan ich mich listig flicken ein,

Als wenn ich ihnen dienstlich wer,

Ser befordert ihr gut und er,

Wolt getreulich in ihren sachen

Alles wol helfen, tun und machen,

Was sonst sich niemand unterfieng,

Schickt so meisterlich alle ding,

Das sie mir traun ihr heimlichkeit;

Da spür ich bald, wie nah, wie weit,

Und kom endlich so hoch hinan,

Das der könig nichts schaffen kan,

Er hab denn Reinken vor gehort,

Der muß geben dazu volwort.

Hört er mich nicht, so mach ich doch

Durch ander in dem rat ein loch,

Dessen sich niemand het versehen,

Meinen, es sei on mich geschehen. –

Und das ich dis dest besser kan,

Bin ich friedlich gegn jederman,

Tadel gar nichts, lob all ihr sagen,

Denn warheit kann man nicht vertragen;

Sie stinken wie ein schwefellicht,

Und kan ihr doch entraten nicht.

Und wenn mich gleich verdreust im herzen

Und auch gar übel kan verschmerzen,

Das sie bisweilen sind so grob,[86]

Wollen doch habn der weisheit lob.

Der esel wil die lauten schlagen,

Weiß doch nicht zu fassen den kragen.

Rümen von vilen großen sachen

Und lügen, das die balken krachen.

Wie großsprecher und dunkelgut

Zu hof alzeit das beste tut,

Verbeiß ichs doch und laß passieren:

Wer vogel stelt, muß ihn hofieren."
[87]

Quelle:
Georg Rollenhagen: Froschmeuseler. Zwei Theile, Teil 1, Leipzig 1876, S. 84-88.
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