Das VIII. capitel.

Reinik betreugt Hippocras den raben um den kes.


"Wie ich neulich den Hippocras,

Welcher der raben doctor was,

Meisterlich antrieb mit den renken,

Kan sein on lachen nicht gedenken.

Am grünen donnerstag, im mai,

Kocht eine beurin ihren brei

Von neunerlei kolkreuterlein,

Solt wider alle krankheit sein,

Und nam dazu aus unverstand

Was sie schön grün im garten fand,

Dieweil sie in dem glauben stund,

Des tags wer kein kraut ungesund,

Insonderheit die blau münchskappen,

Des hornemons eschfarbe lappen,

Schirling, wolfsmilch und coriandern,

Gichtrüb, nachtschad, braunkraut zun andern,

Salbei mit krötengift befleckt,

Welchs kreutlein ihr so lieblich schmeckt,

Das sie für tod ernider lag,

Wust nicht zu leben einen tag.[87]

Dem pfarrer ward dis bald vermeldt,

Der sich gar ser mitleidig stelt,

Tröstet noch etwas wol zur sachen,

Er wolt einen purgiertrank machen,

Den er für den allergewisten

Gelernt von einem alchymisten,

Denn wo man findt vil blinder geste,

Da ist der eineugig der beste;

Und nam dazu gelb bilsensamen,

Welcher het einen ebreischen namen,

Als wenn man sagt: das baal semen,

Das mans könt für ein balsam nemen;

Setzt dazu noch sonders etwas

Von künstlich gebrantem spießglas,

Von quecksilber praecipitat,

Das zum tod vil virtutes hat,

Zuletzt ein halbe coloquint,

Die alles austreibt was sie findt,

Mer denn sonst all trenk der doctoren,

Die unser pfarrer nant stocktoren.

Dies alles ließ er in eim wein

Zu einem müßlein sieden ein

Und so die patienten essen,

Solt davon all ihrs leids vergessen;

Sagt, ist die natur nicht zu mat,

Das sie genug der krefte hat,

Die erznei wol zu digerieren,

So wird es reichlich operieren;

Damit laß man mich nur bezemen,

Ich muß sie doch für todt annemen.

Noch weiter kocht er weizenklei

Und macht daraus ein großen brei,

Wickelt darein das weib mit fleiß,

Das gift auszulocken im schweiß.

Wie dis also verordnet was,

Kömt auch mein doctor Hippocras,

Reucht das tödtliche gift am weibe,

Ruft was er mag aus ganzem leibe:[88]

Mors cras! – meinet den tod disfals.

Jeder sprach: Schrei übr deinen hals!

Aber der kol und erzenei

Erfüllten diese prophezei.

Nun wolt aber vom haus der rabe

Nicht unbelonet faren abe,

Und sahe auf der hort müssig liegen

Ein feisten kes (war von der ziegen),

Für vier tagen schön frisch gemacht;

Der alten, harten er nicht acht,

Weil sie zu der blas aus der nieren

Den lendenstein pflegen zu füren;

Den nam er auf rechnung hinweg,

Setzt sich auf einen dürren zweck

Und kluchzt frölich mit vollem mund,

Sagt: Frische kes sein wol gesund,

Sie machen weder sand noch stein,

Den wil ich gern verzeren allein. –

Da ich gleich war am selben ort,

Gedacht ich, war ist das sprichwort:

Wenn der rab schweigend essen könt,

So wer niemand, ders ihm vergönt;

Solt er die malzeit friedlich halten,

Das müst mein tausendkünstlein walten!

Und trat zum baum, sahe hoch empor,

Hub auch mein rechte hand hervor,

Fieng an zu reden und zu segnen,

Als sehe ich gebraten hüner regnen.

Hilf got, sprach ich, sol ich noch sehen

Für meinem end in der welt stehen

So ein überaus edlen herren,

Das geschicht mir zu großen eren;

Wie schöner sammet ist sein kleid,

Gleißet als wers mit gold bereit

Durch einen schwarzblauen saphir,

Sein stiefeln haben kein geschmier,

Sein recht natürlich corduan,[89]

Wie wol steht ihm der schnabel an,

Wie leuchten die augen so fein,

Als werens zwei carfunkelstein,

Ser musterlich starret der schwanz:

In sum, er hat all schönheit ganz.

On zweifel hat got auch daneben

So schönem leib schön weisheit geben,

Ein prechtig stim und zierlich red;

Wenn nur got die genad noch tet,

Das ich dieselb anhören möcht,

Bald einer mich auf die meinung brecht,

Das ich jederman künlich sagt,

Der mich um neue zeitung fragt:

Dis wer die edelst creatur,

Die jemals auf den winden fur! –

Den raben, wie den narren pflegt,

Alles geblüt sich wandt und regt,

Für hoffart wuchs sein herz im leib,

Gedacht: damit die meinung bleib,

Muß es hie an der stim nicht feilen;

Ließ den kes fallen in dem eilen,

Wie er ihn so im schnabel het,

Unvorsichtig das maul auftet

Und rief mit aller macht: cras, cras!

Ich sprach: O Deo gratias,

Die stim ist gut, der kopf ein narr,

Darauf nein ich der kes ein par!

Nam den kes, ließ den narren stehen,

Mit hungrigen bauch schel nachsehen

Und mir vil böses prophezeien;

Es kont mir nicht übel gedeihen,

Weil es nur milch und butter war,

Wüst ich mer, ich wagt die gefar.

So pfleg ich mein er anzuwenden,

Mit lobsprechen die leut zu schenden."[90]

Quelle:
Georg Rollenhagen: Froschmeuseler. Zwei Theile, Teil 1, Leipzig 1876, S. 87-91.
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