Das XIV. capitel.

Wie Reinik von den bergemsen betrogen wird.


"Murner sagt: Lieber, sagt mir das,

Ob in der welt kein tierlein was,

Das euch ehemals auch hat belogen[110]

Und zu eurem schaden betrogen. –

Ja, sprach Reinik, das hat wol fug;

Wer war zu allen stunden klug?

Es versichts der scharfsichtig luchs,

Man fengt auch ein gescheidten fuchs.

Es ist auch keiner so geschwind,

Der nicht einmal sein meister find.

Mich hat allein der geiz gefellt,

Der sonst verfürt die ganze welt. –

Denn als ich las, es wer ein land,

Für alters India genant,

Darin ser große emsen weren,

Die sich mit eitel gold beschweren

Und das aus holen bergen tragen,

Fieng ich an jederman zu fragen,

Wo die löcher zum goldberg giengen

Und womit sie das gold auffiengen,

Und ward zuletzt in Sachsenland

Mit solchen emsen wol bekant,

Die aus India kommen waren,

In teutschen bergen zu erfaren,

Ob darin auch wer gold zu finden,

Das sie ernert mit ihren kinden. –

Sie fürten mich in ihre genge,

In die tief, in die quer und lenge,

Durch die stollen zu dem anbruch,

Das ich zuriß hosen und schuch

Und den kopf voller beulen stieß,

Auch oftmals einen faren ließ.

Noch kont ich da kein gold ersehen,

Da sie wiesen, das es solt stehen;

Es war ein lauter felsicht stein,

Dennoch must ich betrogen sein.

Sie zeigten mir einen bunten kies,

Das wer rotgülden erz gewiß,

Sie brachten gülden, taler, kuchen,

Fragten, ob ich den auch wolt fluchen,[111]

Ob das nicht weren gottesgaben?

Ich solt mein anteil daran haben,

Wenn ich etlich kuchs lösen wolt

Und zubuß geben wie ich solt. –

Und das ichs nicht acht für ein bettel,

Zeigten sie mir der gwerken zettel,

Darin waren fürstlich personen,

Herzogen, grafen und baronen,

Canzler, doctores, ret und kramer,

Kürschner, schneidr, schuster, schmid und hamer.

Viel tausend gülden standen daneben,

Die sie hatten zur ausbeut geben

Und arm gesellen reich gemacht,

Die zuvor wenig dran gedacht,

Viel herrnheuser gebaut in stedten,

So noch das gröst ansehen hetten.

Der schreiber auch zu mir einlief

Mit eim gedruckten brief und rief:

So bekemen fremde leut

Auf einen kuchs quartalausbeut

Von jener zech, von dieser gruben,

Das weren warlich keine ruben!

Und da ich stutzt und nichts drauf sagt,

Zweifelt, ob ichs ließ oder wagt,

Schankten sie mir selbst gar umsonst

Zum anfang drithalb kuchs aus gunst

Und schwuren bei S. Georgens pferd,

Sie weren hundert taler wert. –

So fiengen sie mich armen toren,

Ich spert gar weit auf beide oren

Und freut mich der großen zusagen,

Gedacht: wolan, du wilt es wagen,

Es ist wol ehe ein schanz verlorn,

Ein blind hun findt auch wol ein korn!

Und kauft damit ein ganze zech,[112]

Gab zubuß und vererung frech;

Die ausbeut aber wolt nicht kommen:

Wie auch mein weib, wenn sie vernommen,

Das ein kuchskrenzler sich einstelten,

Sie für landreuber pflag zu schelten,

Die zusagen, ausbeut zu bringen,

Und nur ausbeuteln bedingen,

Das man nach ausbeut auf vorrat

Alles ausbeutelt, was man hat.

Ich fragt auch selbst: Wie stehn die sachen?

Wolt ihr nicht gold und silber machen?

Sie sprachen: Herr, ihr solt wol hoffen.

Wir habn ein harten fels antroffen,

Den können wir nicht bald gewinnen,

Des wassers ist auch ser viel drinnen,

Das müssen wir zum stollen füren,

Sonst wir gediegen erz drein spüren,

Der art und des halts durchaus eben,

Als sonst die fundgrub tregt daneben,

So auf ein kuchs zehen taler gibt;

Der hats werter, dem das geliebt.

Das war die red zu aller zeit,

Abr: Gib zubuß, war der abscheid.

Die zechbrüder sahen alle scheel,

Die schicht gab nicht, die teil warn fel.

Sie brauchten aber diesen possen,

Wenn sie merkten, ich ward verdrossen

Und wolt hend und füß lassen gehen,

Mit meiner gewerkschaft abstehen,

Das sie machten ein groß geschrei,

Der gülden anbruch kem herbei,

Und gaben ein gering ausbeut,

Und das nur auf ein kleine zeit;

Oder sprengten gold in den sand

Und brachten den mit voller hand,

Ließen ihn al wardin probieren,[113]

Das man daran nichts könt verlieren.

Darnach holten sies vielfacht ein,

Es kam wider der harte stein,

Es scheit sich ab der gülden sand,

Man müst tiefer graben ins land.

Das ich nach solchen bubenstücken

Drei tausend gülden must verkucken

Und die greifen wegfüren lassen,

So wonen an der emsen straßen

Und oft nemen haus, acker, pferd,

Der herr entleuft on tasch und schwert,

Ehe denn ich sie im grund erkant,

Auf öffentlich lügen befand,

Das sie mein geld immer hinnamen

Und nimmermer zur arbeit kamen,

Oder brauchten finanz daneben.

Für hofnung wil ich nichts mer geben. –

Wie auch für all schmelzhütten sachen,

Der ich mit schaden pflag zu lachen,

Und sie hüt dich hendel zu nennen,

Ein ander lern sie auch erkennen!

Denn als ich in die hüt oft kam,

Zuletzt ihr latein recht vernam,

Sagen al pochwerk: baustu hie kuchs,

So geht dein geld induchs, induchs!

Die belg riefen auf für den ofen:

Hie gilts, hraußer aus haus und hofen!

Es mag wol sein, das es war sei,

Das ehemals vorteil war dabei,

Wenn man kuchs baut, hütten verlegt,

Sich der zubuß und sorg erwegt.

Ehemals, sag ich, vor alten jaren,

Als der berg reich, die leut from waren,

Die meister, knappen, steiger, treiber,

Die vielnemer, wenigeinschreiber,[114]

Odr die auch itzund sein also,

Das der ihrer treu noch wird fro,

Der sie notdürftig kan erneren

On seine hauptnarung beschweren,

Selber zuschauet wie alles gehet

Und nicht auf fremden füßen stehet.

Abr da die vogel sein geflogen,

Die arbeitr gar ausgesogen,

Und dennoch jedes amt im spiel

Sein nutz und aufnam haben wil,

Ja da glaub und treue ist gestorben

Und eigennutz sich eingeworben,

Liegen schelmen unter begraben,

Die nichts denn btrug gelernet haben,

Die allen den unglück aufbauen,

So ihnen am besten vertrauen. –

Das es ihm geht wie der hund sagt,

Da ihm einer begegnet und fragt,

Wie er den braten haben kunt,

Den er hertrug in seinem mund;

Er müst mit dem koch ser wol stehen.

Ja, sprach der hund, das ist zu sehen

Auf meinem rücken bei dem schwanz,

Den ich nicht kont wegbringen ganz,

Weil mir der koch gerissen possen,

Mit heißen wasser mich begossen

Und so elendiglich verbrent,

So hat dies ein beschissen end.

So gehts partiten und kaufmanssachen,

Die haben alle gar gut machen,

So lang die reichen reuter schweigen,

Die ihnen geld oder waren leihen;

So bald abr einer sich bedacht,

Das erschrecklich geschrei ausbracht,

Er wolt nicht lenger hinfurt borgen,

Wird alle freud zu leid und sorgen.

Da wachet auf die ganze welt,

Jederman ruft: Kaufman gib geld!

Da bringet der teufel aus der hell[115]

Ein schutzbrief mit der quinquernel,

Da wird der fleischman stal und eisen,

Da wil man ihn die güter weisen,

Darin doch gar nichts ist zu finden,

Ob man gleich viel wil lassen schwinden,

Bis alle mit zu grunde giengen,

Die ihm ihr geld und gut aufhiengen. –

So schimpflich purzeln all neun jar

Der statlichn kaufhern etlich par,

Sonderlich die vom dienerorden

Zu gar schleunig gnad jungher worden

Und nicht von eltern, gut und erbe

Lernten und warten ihr gewerbe,

Fürsichtig kaufen, richtig bezalten,

Das glaub und abscheid nicht erkalten,

Billig verkauften und mit fug

Zwar zum gewin, doch on betrug,

Niemand borgten on wolbekanten,

Schuld zeitig und instendig manten,

Selber brauchten augen, mund, feder,

Dieweil es galt ihr eigen leder,

Sparten zusam, doch nicht zun eren,

Ließn ihrn nachbar auch sich neren;

Sondern hatten on gut den mut,

Taten auch wie noch mancher tut,

Meinten, geborget wer alles eigen,

Wolten mit fremden füßen steigen,

Mit fremden augen alles sehen,

Für sich teglich zur weinzech gehen,

Die sorg vertrinkn, im spiel gewinnen

Biß faß, boden und kasten rinnen

Und wird aussetzig alles bar,

Was zuvor fein bestendig war,

Insonderheit der vorig glaub

Verschwindt oder wird stum und taub,

Das er höret und gibt niemand,

Jeder schleust auch für ihm die hand. –[116]

Wenn solcher kaufman schlafen gehet

Oder am morgen frühe aufstehet,

So bitt er, got wolt ihm nichts geben

On niemand das bei seim leben,

Sonst müst er zeitig neue schuhe kaufen,

Mit weib und kind zum land auslaufen;

Wenn er todt sei, so mag es gehen,

Die frau wird wol zum kasten sehen,

Vertreten ihr gerechtigkeit,

Das die kinder auch sind erfreut;

Denn obgleich müssen hendel sein,

Die fleißig zuser neren fein,

So ist es doch nicht gottes wil,

Das man es treib zu hoch und viel

Mit armer leut trenen, schweiß und blut,

Unter sich kratz alls geld und gut,

Uebermeßig zer, bau und prang.

Was gar zu hoch ist, steht nicht lang:

Der das erst sagt, hats gut gemeint,

Das fremd geld sei biedermans feind,

Und wer eilet zu seim verderb,

Der borge geld und kauf ein erb.

Das hab ich in mein jungen jaren

Auch mit schaden müssen erfaren."
[117]

Quelle:
Georg Rollenhagen: Froschmeuseler. Zwei Theile, Teil 1, Leipzig 1876, S. 110-118.
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