Das XVI. capitel.

[128] Von mancherlei alchymistischen goldmachen, und wer sich dessen gebraucht habe.


"Dies ist die hauptkunst gar allein;

Daneben noch viel ander sein,

So auch silber und gold erreichen,

Aber dieser nichts zu vergleichen,

Als das man künstlich finden kan,

Was die erz, silber und gold han,

Und den gewinnen oder scheiden.

Oder zugab tun allen beiden;

Denn als in Sicilia war

Archimedes, sein jetzt viel jar,

Fragt sein könig von ihm bericht,

Ob lauter gold wer oder nicht

Die kron, so erst gemacht neu,

Oder wie viel silber dabei.

Da gedacht der sinreiche man,

Wie er die sach wolt greifen an,

Und wust auf keinen ort zu setzen,

Wenn er die kron nicht solt verletzen.

Als er aber zum bad daher

In sorgen ankam ungefer,

Nackend in die wannen sich legt,

Zusahe, wie das wasser sich regt

Und so viel immer höher gieng,

Als er sich zu senken anfieng,

Bis es zuletzt auch übergoß

Und aus der wan aufs pflaster floß:

Da fiel ihm ein der fragen grif,

Das er für freud zum bad auslief

Wie er aus mutterleib gewunden,

Rief überlaut: Gefundn, gefunden!

Und tracht hernach mit allem fleiß

Den sachen nach auf solche weis,[128]

Nam silber, gold, gleich viel zumal,

Und macht aus eim jeden ein bal,

Das er sehe, wie in gleicher schwer

Das gold kleiner denn silber wer.

Darnach bracht er zween becher dar,

Einer gleich wie der andre war,

Ließ jeden in einer schüssel stan,

Goß wasser drein bis oben an

Und senkt hernach die kugeln ein

In jeden becher sittig fein,

Wug das wasser, so heraus floß,

Und rechnet denn den überschoß,

Wie viel das silber mer ausprest,

Denn sonst das goldwasser gewest,

Und schloß zuletzt: so viel da würd

Die kron ausdringen mit ihrer bürd

Mer wassers, denn ihr goldgwicht solt,

So viel silber wer bei dem gold.

Das, silber ward auch so probiert

Und, ob es gold het, ausgespürt,

Wenn mans in freier luft erst wug,

Darnach die wag ins wasser schlug

Und versuchts, wie es da zugieng,

Ob auch der balk gleichrechtig hieng;

Denn so viel die zung gieng die quer,

So viel das silber schwerer wer

Im wasser denn vor auf dem land,

So viel man darein goldes fand.

Das ist des Archimedes kunst,

Die kein mensch kont ausdenken sunst.

Ist nun silber und gold daran,

Ein wasser beides scheiden kan,

Das es das silber heraus zwingt

Oder beides auf stücken dringt

Und das gold wie asch liegt am grund,

Das silber klar als wasser stund;

Das feur nimt auch das silber hin

Und lesset das gold zum gewin.[129]

Sind sie aber heimlich verstackt

Im festen erz zusammengepackt,

So lest man das erz schmelzen frei

Und wirft dazu ein schwarzes blei,

Das hat silber und gold so lieb,

Das es das stielt gleich wie ein dieb;

Und wenn denn beides worden ein,

Erz und blei so hart als ein stein,

So legt man auf die koln ein stück;

Sobald als dem erhitzt der rück,

So fleust das blei heraußer bar,

Bringt gold und silber mit sich dar

Und lest das erz da stehn verwüst

Als werk, darin kein honig ist.

Hinwider muß das blei hinfliegen,

Kan bei silber und gold nicht liegen.

Wenn man ihn heiß klar feur zublest,

Silber und gold rein brennen lest.

Es leret auch der alte Luller,

Ein wunderheimlicher kunstbuler:

Das man in salz, geleutert fein,

Und klein gerieben ziegelstein

Schichtweis rein goldblechlein begrabe

Und in ein krug verschmieret habe,

Als die gleser ihr wappen pflegen,

Die sie mit schwarz und gelb anlegen,

Das es im kolfeuer glüend stehe,

Vier und zwanzig stund rot aussehe;

Alsdenn hat es des feures sat

Und ist kommen zum rechten grad.

Man muß abr auch silber darstellen,

Recht fein gebrant auf der capellen,

Und jedes lot in zen blech schlichten

Und in voriges salz verschichten,

Auch in dergleichen test vermauren,

Fünf stunden lassen glüend dauren,

Denn kalt ausnemen, waschen, reiben,[130]

So lang es grau oder schwarz wil bleiben,

Nachmals fünf stundn wider einsetzen,

Von neuen brennen, waschen, wetzen,

Und das so oft bis das es schein

So weiß als schne und lilgen fein;

Denn hat es sein recht ausgestanden,

Bleibt erlöset von seinen banden.

Alsdenn wiegt man die blechlein abe,

Das man gleich gold und silber habe,

Wirft ein silberblech zu dem gold,

Deckt beides zu mit schwarzen schmolt,

Setzt das gold also in die glut,

Das es werd und bleib eine flut,

In eim geschirr mit einem deck,

Da man ein leimen pflock einsteckt

Und nachmals denn auf jeder frist,

Wenn tag und nacht vergangen ist,

Ein neue silbern blech werf darein,

Das wird des goldes speise sein

Und sich in gold verwandeln gar,

Wenn nur das gold bleibt flüssig klar,

Bis das die blech all sein verzert,

Das gold fast helt zweifachen wert.

Sonst man auch andren proceß übt,

Dem gold für silber kupfer gibt.

Jedoch solt man zu allen sachen

Den herd gleich wie ein schüssel machen,

Das er das gold gewiß auffieng

Wenn der schmelztopf auf stücken gieng.

Solche kunst und dergleichen sachen

So viel alchymisten arm machen,

Die sprechn, der kunst sei niemand wert,

Er hab denn haus und hof verzert;

Goldsucher in mindern und meren

Der metal wesen nicht verkeren,

Wil mühe und kosten nicht belonen,

Ich acht ihrer nicht um ein bonen. –

Ich weiß die rechte grif und weis,[131]

Mein gold machen behelt den preis.

Mein kunst beschreibt Ovidius,

Wenn die sonne, genant Phoebus,

Ihr pfeil scheust in Python den drachen,

Gesundheit, fried und freud zu machen,

Das Baptist Mantuan erklert

Und durch ein nebel kennen lert.

Wenn Jason mit feurochsen pflügt,

Bricht den acker, bis er sich fügt

Und in sich nimt die Drachenzen,

Daraus neu kriegshelden entstehn,

Die ser wild und erschrecklich sein,

Bis er unter sie wirft den stein;

Denn schlagen sie einander todt,

Und Jason komt aus aller not,

Füret davon das gülden vleuß,

Medea lert ihm diese weis.

Wie Hercules die epfel holt,

So auch waren pur lauter gold,

Aus der Hesperiden lustgarten,

Schlug den drachen, so ihr solt warten.

Wenn auch Aeneas bricht im wald

Eichenmistel, wie gold gestalt,

Fert damit in die hell hinab,

Bringt ihn der Proserpin zur gab,

So wird Pluto, das ist reichtum,

Sein gnedigr herr, gibt er und rum.

Als die Sibylla ihm bewert

Und der Virgilius uns lert.

Ja das restl: wo blumen aufgehen,

Daran der könig namen stehen,

Ist nichts denn mein himlischer stein,

Der macht silber und gold gemein;

Das wenig gelerten verstehen,

Beim hellen licht im finstern gehen.

Der war der wunderbare ring,

Den Giges vom todten empfieng

Im nidrgesunken finstern schacht:[132]

Wenn er den für den bauren bracht

Und etwa den stein nach der hand

Ueber die finger einwerts wand,

So ward er von niemand gesehen;

Ließ er den aber auswerts stehen,

So sahe und kant ihn iederman,

Bis er ein königreich bekam.

Der hat gunst, der sein gut ausspendet,

Der haß, der niemand was zuwendet.

Welchs alles deutet Arabs, Geber,

Gilgilid, Morienus, Heber,

Auch Lullus, Nullus, Theophrast

In der gernklugen himmel rast;

Denn wer kein rechtr philosophus ist,

Von got, natur und kunst gerüst

Und durch erfarung wolgelert,

Nimmer den rechten grund erfert,

Weiß nicht, was gringste wort bedeut,

Betreugt sich selbst und ander leut. –

Darum schreibt der philosophus

Und poet Palingenius:

Got wol die kunst nur offenbaren

Denen, so philosophen waren.

Die kunst braucht Noah in der archen

Und die nachfolgend patriarchen,

Der Moyses und der Salomon,

Insonderheit Tyrus Sidon,

Die silber wie sand samlen lassen

Und das gold wie kot auf der gassen.

Dadurch ward auch reich und bekant

In deutschem und in andre land

Markgraf Hans, das sein Barbaram

Nicht allein der in Pommern nam,

Sondern die andre, Elisabeth,

Ein herzogn von Mantua het,

Die drit, in Denemark verreiset,[133]

War eine königin gepreiset,

Ob er gleich die kur nicht erwarbe,

Weil er für seinem vater starbe,

Den kaiser Siegmund hielt so wert,

Das er ihm Brandenburg verert.

Die stadt Venedig wird dergleich

Von solchen künsten treflich reich.

Da auch der münch die kunst gestolen,

Das sie halten heimlich verholen,

Und wüsten sies, das wirs auch könten,

Ein tonne golds sie dem gern gönten,

Der ihn bericht die fröliche wort,

Das er uns mit der faust ermordt. –

Wenn nun dein vater selbst da wer,

So würds nicht halb so lang und schwer,

Vielleicht könt man aus gringen sachen

Diesen edlen elixir machen,

Das man nicht mer kosten durft dulden

Denn etwa auf ein rheinschen gulden,

Wie ich wol ehemals habe sagen

Und über mein kunst hören klagen.

Wie der Mor auch ein andern braucht,

Der grün ist und gelblich verraucht

Oder hat ein wasser gestalt,

Macht fein gold und bleibt dennoch kalt;

Denn die natur ist wunderlich,

Jeder hat sein kunst sonderlich,

Nachdem sie got ihm offenbart.

On got kein kunst erfunden ward. –"
[134]

Quelle:
Georg Rollenhagen: Froschmeuseler. Zwei Theile, Teil 1, Leipzig 1876, S. 128-135.
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