Das XXII. capitel.

Reinik vertrauet des bauren zusag und bekömt darüber der welt höchsten lon.


"Als wir nun abgiengen ins feld,

Das ich empfieng mein urteilgeld,

Sagt ich dem bauren: In der stat

Ein baurknecht euch geborget hat,

So doch sein hofmeier gewolt,

Das ers bar überzalen solt

Mit dem geld, das er hett empfangen

Von ihm, als er zur stat war gangen.

Als nun der kaufman diesen knecht

Für dem richter bestallt zu recht,

Vertröst den knecht sein advocat:

Er macht ihn los durch seinen rat,

Wenn er seim weib ein pelz verer

Und ihm die helft vom geld gewer.

Der knecht verhiesch on alls bedenken,

Das geld und pelz willig zu schenken,

Wenn nur dem rat folget die tat.

Darauf riet ihm der advocat:

Wenn er würd für den richter kommen,[163]

Solt er sich stellen für ein stummen,

Und was auch je der richter sagt,

Ja wenn er ihn selbst ernstlich fragt,

Solt er nicht antworten denn: bleh;

Das recht ihm denn gewiß beisteh. –

Darum, als der kaufman geklagt

Von den sachen, wie vor gesagt,

Der richter auch den knecht anredt,

Das er darauf sein antwort tet,

Antwort er: bleh, und gar nichts mer.

Indeß trat der procrator her,

Bat, das er günstig würd gehört,

Er wolt reden des knechtes wort.

Weil ihm sein meir zuvor bericht,

Das er stum wer und redet nicht.

Drum solt der kleger seine klag

Beweisen nach seiner aussag,

Oder der richter diesen knecht

Unschuldig erkennen mit recht.

Der kaufman sagt: Wir waren allein,

Wer soll denn unser zeuge sein?

Der knecht sagt selbst, obs anders sei.

Der knecht sagt: bleh, und blieb dabei.

Dem richter daurt des bauren not,

Gan dem wucherer gern den spot,

Und nach vielen reden erkant:

Der knecht würd wider recht gemant.

Derhalben sprach der advocat:

Deine recht sach ihr endschaft hat.

Schaff nun, das auch werd zugestellt

Meim weib der pelz und mir das geld!

Was sagst du dazu? Er sagt: bleh.

Hei, das tut mir im herzen weh,

Sprach sein meister, bist du so dumm

Und meinst, du solt gar bleiben stumm?

Red frei heraus, wir sind allein!

Er antwort weder ja noch nein,

Sondern sagt: bleh, das der procrater[164]

Endlich sah wie ein wilder kater

Und stieß den knecht hin für das haus.

So blieb beid, pelz und gülden aus. –

Wenn du mit mir wolst auch so tun,

Sagest mir viel von han und hun,

Nachmals wurd nichts daraus denn bleh,

Wie ich mich fürcht, das es gescheh,

Oder übrgebest mich den hunden,

Die mir die haut rissen vol wunden

Oder wol gar brechten ums leben,

So hett ich bösen rat gegeben.

Mein herz ist schwer und one freud,

Künftig unglück ahnt eim alzeit.

Wenn du mir wolst ein schelm vereren,

So wolt ich lieber widr umkeren.

Er antwortet: Mein lieber herr,

Ich beweis euch treu, lieb und er

Und geb euch meine hüner all,

Ich hab auch einen festen stall,

Darin solt ihr euch heimlich setzen,

So kan euch mein hund nicht verletzen;

Da will ich euch die hüner reichen,

So könt ihr bleiben oder weichen. –

Ich satzt mich auch hin auf den stall,

Der war dicht wie ein meusefall.

Er macht die tür auch fleißig zu,

Das mir niemand zufügt unru.

Ich gedacht auch selbst: hie ist kein not,

Weder zum gefengnuß noch zum tod;

Wird er mir die hüner nicht bringen,

So wil ich über die tür wegspringen. –

Es war aber am nachmittag,

Das man den hünern zstreuen pflag,

Das der man sein weib also fand,

Wie sie unter den hünern stand,

Schnitt ihnen brot und was sie hett,

Das sie damit flögen zu bett.[165]

Sie sprach aber: Nun sei wilkommen

In aller hunderttausend namen!

Bist du lang satt spazieren gangen?

Ich mein, der junker hat verlangen,

Wolt dich gern schicken überfeld.

Bedarfst du hinfort nimmer geld?

Er antwortet: O liebe Greth,

Zu gutem glück ist nichts zu spet.

Dank got, das du mich wider hast

Und ich entkommen aus der last

Der erschrecklichen todsgefar,

Denn mein leben hieng an eim har!

Damit erzelt er alles her,

Wie es mit ihm gegangen wer,

Und schloß: Aus solcher großen not,

Aus dem gegenwertigen tod

Hat mich der fuchs weislich errett,

Dafür ich ihm die zusag tet,

Das ich ihm für mein leib und leben

Wolt unser funfzehen hüner geben.

Der zusag will ich ihm geweren,

Er hats verdient in allen eren;

Darum zeug tür und fenster an,

Das uns der keins entfliegen kan. –

Das weib antwort: Ehe ich das tet,

Wolt ich, das dich der teufel hett.

Vergib das dein und nicht das mein,

Die hüner all mein eigen sein.

Die eir hab ich zusamgespart,

Das sie all warn von guter art,

Hab sie probiert, im wassr gewogn,

Die gluck gesatzt, die küchl erzogen

Und entboren aus meinem mund,

Das ich ihn essen geben kunt,

Bisweilen ein hun odr ei verlosen

Und dafür teufen schue und hosen[166]

Und was man bedarf aus der stat,

Der pfenning hundert wege hat.

Des haushanen insonderheit,

Der aller stunden anfang kreit,

Das auch des pfarrers han nicht tut,

Und bei den hünern ist so gut,

Ich durchaus nicht entraten mag,

Weil uns mangelt der glockenschlag.

Wo ist der, fuchs, das ich ihn frag,

Ob auch richtig sei deine sach;

Vielleicht wenn er ein hun empfieng,

Mit allem wiln er davon gieng.

Er antwortet: Er sitzt im stall

Und wartet meiner hüner all,

Die geb ich ihm und halt mein wort,

Bessr ist, mein han denn ich ermordt. –

Das weib bald ein waschbleuel nam

Und biß ihre zene zusam,

Lief und schlug zu mir giftig ein.

Ich fasset sie auch bei eim bein

Und wolt das fleisch nicht lassen gehen,

Solang ich kont den bleuel sehen.

Sie schlug aber je lenger je mer

Und in mein linker aug so ser,

Das mir vergieng all mein gesicht

Und ich die tür kunt finden nicht,

Ja das ich onmechtig verschwand,

Verlor mein leben und verstand,

Das ich nichts weiß, wies ferner gangen

Und was ich mer zu lon empfangen,

On das ich hernach rechnung macht,

Das sie mich gar ums leben bracht

Und für ein aas geworfen hin,

Da ich die nacht gelegen bin. –

Bis ein hund kam und zwackt mich hart,

Dadurch ich wider lebend ward,

Griff nach dem hund in blinder weis,[167]

Das er aus furcht verließ die speis.

Und ich lag im mist wie im brei,

Merkt am himmel und hanengschrei,

Das es schon war nach mitternacht,

Darum ich mich nicht lang bedacht,

Sondern als mein sinn sich erholten

Und meine füß mich tragen wolten,

Die doch ser kalt waren und bebten

Und gar langsam widrum auflebten,

Dankt ich got, das der teufelin

Für zorn nicht war kommen in sinn,

Das vielleicht mein pelz gölt mer dreier

Denn sonst ihr hun und mandel eier,

Kroch wider heim, so gut ich kunt.

Mein weib wermt das aug mit dem mund,

Druckt es widerum an seine stat,

Das mir aus der maßen wehe tat;

Das gsicht dran aber wil vergehen,

Doch muß ich mit dem einen sehen

Noch mer, denn ich wol kan erlangen.

So bin ich zum hünermarkt gangen

Und hab leider nichts mer davon

Denn undank, der welt höchsten lon. –

Sonst bin ich weis und gar geschwind,

Meines gleichen man nirgend findt;

Und ehe ich wolt so alber sein

Wie die gens, hüner und die schwein,

Oder wie ihr seid gleichermaßen,

Ich wolt mich ehe aufhenken lassen."
[168]

Quelle:
Georg Rollenhagen: Froschmeuseler. Zwei Theile, Teil 1, Leipzig 1876, S. 163-169.
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